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Google will den PC erobern

Fertig ist Googles neues Betriebssystem Chrome OS noch nicht. Aber Konzernchef Eric Schmidt sieht darin schon heute die „dritte Alternative“ neben Windows und Mac OS. Mitte 2011 soll das Web-basierte System weltweit auf den Markt kommen. Bis dahin werden auch die Mobilfunker umdenken müssen, denn Google hat auch für sie neue Tarifideen parat.

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Eigentlich wollte Google Ende 2010 schon mit seinem neuen Betriebssystem Chrome OS fertig sein. Doch laut dem verantwortlichen Manager Sundar Pichai gibt es derzeit noch Probleme mit dem Anschluss von USB-Geräten an Chrome-Computer, außerdem gebe es noch Fehler und Geschwindigkeitsprobleme.

So sollen die ersten Rechner mit Chrome OS erst Mitte 2011 auf den Markt kommen, die ersten Hardwarepartner sind Acer, Samsung und Intel, auch andere Konzerne sollen folgen.

Browser statt Desktop

An den Konzepten, die Google bereits im Juli 2009 vorgestellt hat, hat sich nicht viel geändert. Googles Masterplan ist simpel: Der Browser soll den guten alten Desktop als Schaltzentrale des Computers ablösen - sowohl auf herkömmlichen PCs als auch auf den neuen Rechnern, die mit Chrome OS ausgeliefert werden. Auf Letzteren ist der Browser das einzige Programm, der Rest sind Apps, die direkt im Browser laufen.

Pichai stellte auch gleich den ab heute verfügbaren Chrome Store vor, in dem sich Nutzer nach dem Vorbild von Apples App Store neue Programme und Medienanwendungen herunterladen und kaufen können. Die Nutzung von Chrome Apps funktioniert auch von Österreich aus. Allerdings muss der interessierte User für Bezahlanwendungen über eine Kreditkarte verfügen.

Produktmanagement-Vize von Google, Sundar Pichai

Reuters/Beck Diefenbach

Sundar Pichai mit dem ersten Chrome-Notebook Cr-48

Ein erstes 12"-Notebook mit Chrome OS zeigte Pichai ebenfalls. Die Maschine mit dem Namen Cr-48 soll im Rahmen eines großangelegten Betatestprogramms unter US-Nutzern verteilt werden. Das Cr-48 dient als Referenzgerät und zeigt, wie die Chrome-Maschinen ausgestattet werden sollen. Alle Chrome-Geräte sollen über SSDs verfügen - herkömmliche Festplatten sind passe - und auch ein Mobilfunkmodul haben, denn ohne Netz ist das System nur von eingeschränktem Nutzen.

Mobilfunker werden zum Start von Chrome OS mit einem neuen Geschäftsmodell zu tun bekommen. Google hat es zumindest in den USA geschafft, mit Verizon einen Deal abzuschließen, bei dem jeder Käufer eines Chrome-Computers für zwei Jahre lang monatlich 100 MB Datenverkehr gratis bekommt. Weitere Datenpakete sollen einfach und ohne die üblichen Mindestlaufzeiten und Zusatzgebühren zugekauft werden können. Googles Ziel: „Sie zahlen nur für das, was Sie auch wirklich brauchen.“

Der Browser als Agent

Brauchen wird der Nutzer an Datentransfervolumen allerdings nicht wenig, denn Chrome OS wird sich im Hintergrund permanent aktuell halten, damit die User die in Betriebssystemen üblichen Sicherheitslücken nicht selbst stopfen müssen.

Chrome läuft als Browser bereits auf Macs, PCs und Linux-Maschinen und hat derzeit insgesamt 120 Millionen regelmäßige User, wie Pichai zu berichten wusste. Diese lokalen Browser lassen sich künftig mit den spezialisierten Google-Notebooks über das Netz sehr schnell synchronisieren, so dass Chrome OS als Abstraktionsschicht bereits auf jedem gängigen Betriebssystem vorhanden ist - sämtliche Apps inklusive. Der Browser ist damit quasi Googles Agent auf den Systemen der Konkurrenz.

Auftritt Eric Schmidt

Für Unternehmensnetze präsentierte der US-Konzern Citrix bereits eine Lösung, über die sich zentral installierte Unternehmenssoftware wie Excel und SAP-Frontends in Chrome sehr zügig aufrufen und betreiben lässt. Die Software soll im kommenden Jahr auf den Markt kommen.

Dass die Idee, mit einem schlanken, simplen und aus der Ferne über das Internet gewarteten System den Desktoprechnern Konkurrenz zu machen, nicht neu ist, räumte auch Google-Chef Schmidt ein, der nach über einer Stunde ausführlicher Chrome-OS-Präsentationen die Bühne betrat.

Neuer Schub für eine alte Idee

Er muss es wissen, denn er war schon beim Internetpionierunternehmen Sun Mitte der 1990er Jahre an der Konzeption von Network Computern beteiligt. Damals, so Schmidt, seien sowohl die lokalen Computersysteme als auch das Netz zu schwach und unzuverlässig gewesen. Außerdem hätten die Technologien wie HTML5 und CSS3 gefehlt, mit denen es heute möglich sei, attraktive und schnelle Webanwendungen zu bauen.

Nun aber sei die Zeit für ein solches System mit schwachen Clients und starker Zentrale gekommen, Cloud-Computing sei das Konzept der Zukunft, so Schmidt. Der Google-CEO verriet bei dieser Gelegenheit, dass die Unternehmensgründer Sergey Brin und Larry Page gegen seinen Willen darauf gedrängt hätten, in den Betriebssystemmarkt einzusteigen - möglicherweise tat er das, um Gerüchte zu zerstreuen, dass Chrome OS Teil eines persönlichen Plans sei, mit dem er Microsoft den Flop der Network-Computing-Konzepte der 1990er Jahre heimzahlen wolle.

Das Match ist eröffnet

Nun sei allerdings auch er von dem Konzept wieder überzeugt. „Mit Chrome OS haben wir eine solide dritte Wahl, wenn es um Desktop-Betriebssysteme geht“, so Schmidt. Google greift damit Microsoft und Apple auf deren ureigenstem Territorium an. Steve Jobs hat sich bei der Vorstellung des MacBook Air im Oktober bereits dagegen gewappnet. In der nächsten Version von Mac OS X sowie in der kommenden Hardwaregeneration des Apple-Konzerns sollen die Erfahrungen aus dem Erfolg der Mobilgeräte mit einfließen.

So bekommt auch Mac OS X einen eigenen App Store, und die neuen MacBook-Air-Geräte haben schon viele jener Eigenschaften, die Google für die Chrome-OS-Notebooks angekündigt hat, beispielsweise den ultraschnellen Start nach Öffnen des Deckels. Ob die Konsumenten Googles Lockruf vom Desktop ins neue Web folgen werden, bleibt abzuwarten. Es sind in der IT-Branche aber auch schon schlechtere Ideen propagiert worden als ein Rechner, der genau dann da ist, wenn man ihn braucht.

Günter Hack, ORF.at

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