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Zwischen Himmelbett und Höllenfahrt

Er ist neben Casanova wohl der berühmteste Frauenheld der Literatur: Don Juan alias Don Giovanni, der Inbegriff eines Erotomanen und Verführers. Wolfgang Amadeus Mozarts Auseinandersetzung mit dem Thema zählt zu den wichtigsten Werken in den Repertoires der großen Häuser - höchste Zeit also, dass sie an der Staatsoper in einer neuen Inszenierung zu sehen ist.

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Mozart strickte die Komposition der „Oper aller Opern“ (wie „Don Giovanni“ von E.T.A. Hoffmann bezeichnet wurde) um das zentrale Motiv der Ironie. Dass der Lüstling in der ganzen Oper nicht so recht zum Zug kommt, steht dabei als Pointe an der Spitze der Geschichte. Ausgerechnet die 1.004. Eroberung in Spanien will Don Giovanni nicht gelingen, macht ihn zum Mörder und beendet seine erotische Glückssträhne.

Ildebrando D'Arcangelo (Don Giovanni) und Sylvia Schwartz (Zerlina) während Mozarts "Don Giovanni".

APA/Robert Jäger

Leporello (Alex Esposito) und Zerlina (Sylvia Schwartz)

Der französische Regisseur Jean-Louis Martinoty siedelte das Geschehen um den gewissenlosen Don Giovanni (Ildebrando D’Arcangelo) irgendwo zu Beginn des 20. Jahrhunderts an, lässt die Verortung aber weitgehend im Unklaren. In der szenischen Umsetzung wähnt man sich in einer Inszenierung, die schon so einige Jahre auf dem Buckel hat und bei einer Dauer von fast dreieinhalb Stunden doch Längen aufweist.

Eindrucksvolle Perspektiven

Die Personenführung bleibt flach, Regieeinfälle erschließen sich auch im Laufe des Abends nicht wirklich. So gewinnt man wiederholt den Eindruck, dass Martinoty nicht wirklich viel mit Chor und Statisten anzufangen wusste und diese deshalb anscheinend beliebig in der Gegend herumschickte.

Vor riesigen perspektivischen und eindrucksvollen Prospekten bleibt die Bühne (Bühnenbild: Hans Schavernoch) - abgesehen von wenigen Versatzstücken - weitgehend leer. Die Lichtstimmungen arbeiten zwar für die Ästhetik des Bühnenbildes, lassen dafür aber häufig die Protagonisten im Schatten singen.

Flottes Tempo im Orchestergraben

Generalmusikdirektor Franz Welser-Möst dirigierte die Premiere, die er im Vorfeld zu seiner Herzensangelegenheit erklärt hatte: Mozart solle wieder einen höheren Stellenwert am Haus haben, so sein Wunsch, mit dessen Umsetzung er jetzt begann. Welser-Möst reißt mit seiner Interpretation den Abend zumindest musikalisch noch herum: Auch wenn er sich nicht immer die Zeit für Details zu nehmen scheint, präsentiert er flott und der Dynamik von Mozarts Komposition entsprechend das Orchester des Hauses.

D’Arcangelo gibt mit seinem dunkel timbrierten Bassbariton stimmlich und rein äußerlich einen guten Don Giovanni ab, dem man darstellerisch aber anmerkt, dass ihm das Unterfutter der Regie fehlt und sich daher nur wenig Spielmöglichkeiten auftun. Ihm zur Seite steht Alex Esposito, dem die Rolle des gewitzten Dieners Leporello sichtlich Freude bereitet und gut zu seiner Stimme steht.

Ildebrando D'Arcangelo (Don Giovanni) und Alex Esposito (Leporello) während Mozarts "Don Giovanni".

APA/Robert Jäger

Mit Nebelschwaden und Skelettstatue kündigt sich Don Giovannis Höllenfahrt an.

Traumpaar Donna Anna und Don Ottavio

Gut besetzt und stimmlich herausragend ist Saimir Pirgu als smarter Don Ottavio. Ansprechend und unter den Damen mit Abstand am Besten präsentierte sich Sally Matthews als Donna Anna: Neben ihren raumfüllenden Koloraturen zeigte sie eine große Bandbreite an Pianofarben. Eher durchschnittlich verhält es sich, trotz guter darstellerischer Leistung, mit den Stimmen Donna Elviras (Roxana Constantinesu), Zerlinas (Sylvia Schwartz) und Massetos (Adam Plachetka).

Veranstaltungshinweis

„Don Giovanni“ in der Regie von Jean-Louis Martinoty ist an der Wiener Staatsoper zu sehen. Weitere Aufführungstermine: 14., 17., 20., 23., 27. Dezember.

Am Ende kommt es, wie es kommen muss: Don Giovanni weigert sich, sein sündiges Leben zu bereuen und fährt dafür bei viel Nebel und rotem Licht direkt in die Hölle der Unterbühne. Und das Regieteam erntete unüberhörbare Buhrufe. Gegenüber den Sängern, dem Orchester und Welser-Möst zeigte sich das Publikum gnädiger und spendete artig Applaus und vereinzelt Jubel.

Sophia Felbermair, ORF.at

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