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Das Milliardengeschäft mit Studien

Die Erforschung von neuen Medikamenten hat sich in den letzten Jahrzehnten zu einer milliardenschweren Branche mit zahlreichen lukrativen Geschäftsfeldern entwickelt. Eines davon ist die Rekrutierung geeigneter Testpersonen. Doch das wird zunehmend schwieriger. Denn neben ethischen Problemen kämpfen die Pharmafirmen auch gegen ihren schlechten Ruf.

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Die Nachfrage nach geeigneten Testpersonen nimmt seit Jahren stetig zu, wie das Magazin „Le Monde diplomatique“ in seiner deutschen Dezember-Ausgabe berichtet. Einerseits forcieren die Pharmakonzerne ständig ihre Suche nach neuen Verkaufsschlagern, andererseits werden die Tests immer genauer. Das liegt weniger an den strengen Sicherheitsvorgaben, sondern vielmehr daran, dass sich neue Medikamente immer ähnlicher werden. Um zu belegen, dass das neue Mittel besser ist als die anderen, braucht es immer mehr Testpersonen, um eine „statistische Differenz“ zu erzielen.

Doch eine ganze Reihe von Skandalen hat dafür gesorgt, dass sich immer weniger Menschen zu Test bereiterklären. Unter anderem wären 2006 fest sechs gesunde Männer nach Tests mit Antikörpern in London gestorben. 2009 wurde der Pharmariese Pfizer zu 75 Millionen Dollar verurteilt, nachdem elf Kinder in Nigeria nach Tests mit einem Meningitis-Medikament gestorben sind.

„Aufklärungstage“ für besseres Image

Mit einer großangelegten Imagekampagne soll nun der Ruf der klinischen Forschung wieder verbessert werden. Das Center for Information and Study on Clinical Research Participation (CISCRP) startete mit finanzieller Unterstützung des US-Pharmakonzerns Eli Lilly „Aufklärungstage“ unter den Titel „Helden der Medizin“. Und erste Erfolge haben sich bereits eingestellt. So ist die Zahl der „Helden“, die sich auf Probandenaufrufe gemeldet haben, leicht gestiegen. Und in einer Reihe medizinischer Journale wurden positive Artikel zum Thema abgedruckt.

Viele Testpersonen unbrauchbar

Doch nicht nur die Skandale sorgen dafür, dass die Zahl der Testpersonen in den USA und Europa abnimmt. Viele Menschen nehmen bereits Medikamente und sind daher für die immer genauer werdenden Studien nicht mehr brauchbar. Testfirmen verlagerten ihre Kliniken daher verstärkt nach Osteuropa, Russland, Brasilien und Asien. Fanden 1991 nur zehn Prozent aller Tests in Schwellenländern statt, waren es 2005 bereits 40 Prozent, wie „Le Monde diplomatique“ berichtet.

Jagd nach geeigneten Testpersonen

Besonders in Osteuropa erlebte die private Auftragsforschung in den ersten Jahren nach der Öffnung einen wahren Goldrausch. Einerseits gab es dort genügend Menschen, die keine medikamentöse Vorgeschichte hatten, andererseits waren viele Ärzte bereit, für ein Extrahonorar Patienten zur Teilnahme zu überreden. Doch mittlerweile wurden in Ländern wie Polen und Tschechien die Bestimmungen verschärft und die Branche wanderte weiter in den Osten: nach Russland, Usbekistan und Kasachstan.

Doch in diesen Ländern waren die Pharmakonzerne mit anderen Problemen konfrontiert. Denn Ärzte und Testpersonen fanden schnell heraus, dass negative Ergebnisse nicht gerne gesehen wurden. Um nicht die Aufträge zu verlieren, lieferten die Subfirmen oft falsche Testresultate. Mit dem Ergebnis, dass Medikamente oft kurze Zeit nach der Einführung in den USA oder Europa wieder vom Markt genommen werden mussten.

Teilnahme wirft ethische Fragen auf

Doch die zunehmende Abwanderung in Schwellenländern wirft auch ethische Fragen auf. Vor allem für die Teilnahme bei Phase-eins-Studien, also bei Tests bei denen es um die Sicherheit neuer Medikamente geht, erhalten Probanden oft sehr viel Geld. Ethikräte warnen davor, dass diese hohe Summen Menschen dazu verleiten könnten, ihre Gesundheit aufs Spiel zu setzen. In ärmeren Ländern kommt hinzu, dass Menschen erst durch die klinische Tests Zugang zu teuren medizinischen Medikamenten bekommen - auch wenn diese letztlich noch nicht vollständig erprobt sind.

Der Faktor Mensch spielt keine Rolle

Dabei werden sie bei Spätfolgen nach den Tests meist alleine gelassen. Die Zeitschrift „New England Journal of Medicine“ („NEJM“) berichtet, dass nur 16 Prozent der Forschungseinrichtungen in den USA einen Versicherungsschutz gegen mögliche gesundheitliche Folgen haben. Zivilrechtlichen Klagen scheuen die Testteilnehmer meist, weil sie sonst keine Chancen bei einer neuerlichen Rekrutierung haben. Robert Helmes, selbst jahrelange Testperson, setzt sich seit 15 Jahren in seiner Zeitschrift „Guinea Pig Zero“ („Versuchskaninchen Null“) mit diesen Problemen auseinander.

Er vergleicht die Arbeitsbedingungen in Testlabors gerne mit der Situation von Prostituierten: „Du vermietest deinen Körper, und was du dabei empfindest, ist ihnen ziemlich egal.“ Die „Helden der Medizin“-Kampagne macht für ihn nur wenig Sinn. Denn die wenigsten Testpersonen sehen ihre Teilnahme als „Dienst am Menschen“. Vielmehr würden sich Patienten verpflichten, weil sie das Geld brauchen, zitiert „Le Monde Diplomatique“ aus Helmes Zeitschrift. Eines kommt in dem Geschäftsmodell der Testkliniken nicht vor: der menschliche Faktor.

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