Rechtefrage behindert digitalen Vertrieb
Seit kurzem bietet Apple im österreichischen iTunes-Store Filme zum Mieten und Kaufen an. Wer glaubt, dass die Inhalte einfach zwischen Apple-Geräten, schließlich vom selben Hersteller, transferiert werden können, der irrt. Die Industrie läuft Gefahr, durch diese und ähnliche Stolpersteine ihre Nutzer nachhaltig zu vergrämen, noch bevor der digitale Videobetrieb überhaupt Fahrt aufgenommen hat.
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Anlässlich des Marktstarts der neuen Streamingbox AppleTV wurde bei iTunes die Sektion Videos für österreichische Benutzer geöffnet. Der Großteil der rund 2.000 Filme ist ab 9,99 Euro aufwärts erhältlich, je nach Aktualität und Qualität auch für deutlich mehr, ein paar sind auch billiger zu haben. Viele Filme können zudem gemietet werden, manche sind nur zur Miete verfügbar. 48 Stunden in hochauflösender Qualität (HD) kosten bis zu 4,99 Euro.
Die Nutzung ist grundsätzlich einfach: Wer einen iTunes-Account hat, kann auf allen Geräten, auf denen iTunes läuft – also Mac, PC, iPod Touch, iPhone und iPad – einen Film beziehen. Eine erste Einschränkung gibt es bei AppleTV, das Inhalte direkt aus dem Netz und der eigenen Computerfestplatte auf den Fernseher streamt: Damit können Filme nur gemietet werden. Wer einen Film kaufen will, muss eines der anderen Geräte nutzen. HD-Filme sind auch nur auf kompatiblen Geräten verfügbar, also iPhone 4, iPod Touch (4. Generation), iPad und Computer.

ORF.at/Nadja Igler
Screenshot von der Filmauswahl bei AppleTV
Einschränkungen bei der Miete
Gekaufte Filme können zwischen den Apple-Geräten verschoben werden, gemietete Filme nicht – aber auch hier gibt es eine Ausnahme: Vom Computer aus können gemietete Filme auf iPod, iPhone und iPad und wieder retour verschoben werden. Voraussetzung ist, dass der Computer mit dem Internet verbunden ist, um überprüfen zu können, ob der Film auch rechtmäßig gemietet wurde.
Streaming mit AirPlay
Gemietete Filme können mit AirPlay, ab Version 4.2 des Betriebssystems iOS für iPad und iPhone verfügbar, via AppleTV auf den TV-Schirm übertragen werden.
Sonst können gemietete Filme, im Gegensatz zu gekauften, immer nur auf dem Gerät angesehen werden, mit dem sie ausgeliehen wurden. Wurde ein Film auf einem iPad ausgeliehen, kann er auch nur auf dem iPad angesehen werden. Wurde ein Film via AppleTV ausgeliehen, kann er auch nur dort genutzt werden.
Unterschiede bei der Verfügbarkeit
Weitere Verwirrung entsteht bei der Filmauswahl selbst, und zwar aufgrund der Einschränkung, dass manche Filme nur gekauft und nicht gemietet werden können. Der Film „Haben sie das von den Morgans gehört?“ zum Beispiel ist zwar grundsätzlich in iTunes verfügbar, aber nur auf dem PC, iPad, iPhone und iPod – da er nur gekauft werden kann. Auf AppleTV, über das Filme nur gemietet werden können, ist er nicht verfügbar. Das ist umso unverständlicher, als das entsprechende File ja so oder bei iTunes vorliegen muss und etwa auf dem iPad sowohl bei Kauf als auch Miete lokal gespeichert wird. Einige Filme, wie „Drachen zähmen leicht gemacht“, werden erst einige Zeit nach dem Verkaufsstart auch zur Miete verfügbar.
Auch Microsoft kämpft mit Limits
Derartige Stolperfallen gibt es nicht nur bei Apple. Der Zune-Videomarktplatz auf Microsofts Spielekonsole Xbox 360 ist in Österreich seit rund einem Jahr online, wenn auch mit einem deutlich kleineren Repertoire von derzeit 300 Filmen, vor allem Blockbuster. Der Start des Service benötigte laut Microsoft viel Vorarbeit, da neben der nötigen Infrastruktur auch mit allen Publishern für jedes Land einzeln Verhandlungen geführt werden müssen. Die Verhandlungen waren laut Microsoft nicht einfach, da es eine Vielzahl an Rechteinhabern gibt, die noch dazu je nach Region und Nutzungsoption (Streaming oder Kauf) meist unterschiedlich sind.

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Screenshot von der Filmauswahl auf der Xbox 360
Die Rechteinhaber verweigern laut Microsoft auch ihre Zustimmung, dass auf dem PC Videos in HD gemietet werden können. Sie sind nur auf der Xbox 360 verfügbar. Die Kaufoption für Videos auf dem Zune-Videomarktplatz startet zu Weihnachten vorerst auch nur in Deutschland und Großbritannien – für Österreich wird noch daran gearbeitet. Wie lange das dauern wird, konnte Microsoft nicht sagen.
Skepsis gegenüber E-Book
Vergleichbares ist übrigens auch aus der Buchbranche zu hören, die heimischen Verlage stehen dem E-Book demnach skeptisch bis ablehnend gegenüber – sofern sie sich damit beschäftigt haben.
„Ein sehr konservatives Land“
Ähnlich ergeht es dem auf Independent-Filme ausgerichteten Onlineservice Mubi, das nach dem Computer seit kurzem auch auf Sonys Spielekonsole PlayStation 3 verfügbar ist. Von den insgesamt rund 18.000 Filmen auf Mubi können derzeit nur rund 430 in Österreich angesehen werden. Mubi-Gründer Efe Cakarel würde gerne deutlich mehr Filme anbieten, erzählt er im Interview mit FM4, Österreich sei aber eine Herausforderung, da „es ein sehr konservatives Land“ sei. Für Sonys Videostore Qriocity, der vor kurzem in Deutschland startete, gibt es derzeit noch keinen Termin für Österreich.

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Screenshot von der Filmauswahl bei Mubi auf der PlayStation 3
Auf in den USA populäre – und auf AppleTV, Xbox, und PS3 sowie vielen anderen Medienservern verfügbare - Services wie die Onlinevideothek Netflix werden Nutzer in Österreich angesichts der komplizierten Rechtefrage und der Forderung der Studios nach absoluter Sicherheit für ihre Inhalte wohl noch länger warten müssen. Doch wie schon bei der Musikindustrie könnte auch die Filmindustrie von den Entwicklungen schneller ein- und schließlich überholt werden, als ihr lieb ist.
Lernen von der Musikindustrie
Lange Zeit beklagte die Musikindustrie Verluste durch unrechtmäßige Kopien, ohne selbst legale Alternativen anzubieten oder zu unterstützen. Statt in den digitalen Vertrieb zu investieren, verzettelte sie sich in Klagen – und verlor darüber fast den Anschluss und den Blick auf die Bedürfnisse und Entwicklungen des Marktes. Mittlerweile wird Musik digital größtenteils ohne Kopierschutz (Digital Rights Management – DRM) vertrieben, während Filme weiterhin fast ausschließlich kopiergeschützt erhältlich sind. Das erschwert die Nutzung auf anderen Geräten zum Teil erheblich. Beim österreichischen Anbieter Flimmit gibt es zwar Filme ohne DRM, dafür sind dort auch nur wenige Hollywood-Streifen im Programm.
Das Nachsehen bei all dem haben die Nutzer, die, wie Thomas Kritsch von Microsoft Österreich sagt, unter anderem „nicht verstehen, dass Filme in Deutschland verfügbar sind, aber in Österreich nicht“. Wenn die Contentindustrie nicht schnell und flexibel reagiert, werden sich die Nutzer die gewünschten Inhalte anderswo beschaffen. Statt Gewinnmaximierung bleibt dann nur noch Schadensbegrenzung als Option. Die Musikindustrie kann davon ein Lied singen.
Nadja Igler, ORF.at
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