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Untersuchung „viel zu früh“

Die EU-Untersuchung gegen Google erinnert stark an frühere Verfahren der Kommission gegen Microsoft. Im Gespräch mit ORF.at sieht Erika Mann, EU-Expertin und Vertreterin des US-Industrieverbands CCIA, aber kaum Parallelen zwischen den beiden Fällen. Die Suchmaschinenbranche sei dynamischer als der Markt für Betriebssysteme, eine Untersuchung der marktbeherrschenden Stellung daher schwierig.

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Im Februar 2008 hatten die Brüsseler Wettbewerbshüter eine Strafe von 899 Millionen Euro gegen den Konzern verhängt mit der Begründung, Microsoft habe für die Bereitstellung technischer Informationen an seine Konkurrenten jahrelang überhöhte Preise verlangt und damit gegen Auflagen der Kommission verstoßen. Seit März 2004 wurden gegen Microsoft bereits Geldstrafen von rund 1,7 Milliarden Euro verhängt.

Im Dezember 2009 legten die EU-Kommission und Microsoft einen Streit über die Bündelung des Browsers Internet Explorer mit dem Betriebssystem Windows bei. Microsoft musste keine Strafe zahlen, aber es musste beim ersten Start von Windows 7 einen Auswahlbildschirm anzeigen, der den Nutzern auch die Browser der Konkurrenz anzeigte, darunter auch den des norwegischen Beschwerdeführers Opera. Redmond steht in dieser Frage weiterhin unter Beobachtung der Kommission.

Keine Stellungnahme von Microsoft

Google hatte im Wettbewerbsverfahren in Sachen Internet Explorer die Microsoft-Gegner wie Opera und den Firefox-Hersteller Mozilla unterstützt. Microsoft Deutschland wollte auf Anfrage von ORF.at nicht zur Beteiligung von Ciao.de an dem Verfahren gegen Google Stellung nehmen.

Mann, langjährige Europaabgeordnete der deutschen Sozialdemokraten und heute Executive Vice President des US-Industrieverbands Computer & Communications Industry Association (CCIA), äußerte im Gespräch mit ORF.at Zweifel daran, dass die Fälle Google und Microsoft einfach miteinander zu vergleichen sind. Der CCIA gehören sowohl Google als auch Microsoft an.

Regulierung auf dynamischem Markt

„Als Microsoft mit den Untersuchungen der EU konfrontiert war, war es als Unternehmen schon viel weiter als Google“, so Mann. „Aus meiner Sicht kommt diese Prüfung viel zu früh, es ist nicht sicher, ob man die Wettbewerbssituation überhaupt schon gut bewerten kann.“ Denn der Suchmarkt sei wesentlich stärker in Bewegung, als es die 90 Prozent Marktanteil Googles an der allgemeinen Suche in Europa suggerierten.

Im Internet-Explorer-Verfahren sei Microsoft „wie ein Infrastrukturanbieter“ behandelt worden, so Mann, es sei schwer vorstellbar, dass es bei Google genauso laufen werde, denn die Situation sei komplexer: „Es geht hier nicht nur um die allgemeine Suche, in der Google gegen Yahoo oder Bing antritt, sondern auch um Nischenanbieter, die Systeme für Spezialgebiete betreiben.“

Am Herz von Google

„Der Markt für Internetsuche ist sehr dynamisch“, sagte Mann. „Beispielsweise nutzen viele Leute die Suchfunktionen von Social-Web-Angeboten wie Facebook und Twitter, anstatt zu Google zu gehen. Ständig werden neue Geschäftsmodelle ausprobiert. Diese Innovationsfähigkeit muss erhalten bleiben.“

Für die Wettbewerbshüter sei nun der Zeitfaktor entscheidend, denn die Kontrolleure liefen zwangsläufig immer den schnell agierenden Programmierern und Experten der Hightech-Konzerne hinterher. „Die Kommission hat mit solchen Fällen aber mittlerweile viel Erfahrung“, sagte Mann, „sie wird externe Spezialisten hinzuziehen und mit deren Hilfe eventuell vorhandene Lücken in den Dokumenten schließen, die von Google zur Verfügung gestellt werden.“

Mit der Untersuchung der Algorithmen, die für die Reihung der Suchergebnisse verantwortlich sind, rühren die Wettbewerbshüter immerhin ans Herz von Google. Dass es ihnen möglich sein werde, diese Systeme korrekt zu beurteilen, glaubt Mann sehr wohl: „Ich habe großes Vertrauen in die Kommission.“

Günter Hack, ORF.at

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