Fahrradfreuden im Schneetreiben
Es ist keine Legende: Noch vor einigen Jahren konnte man in Wien während der kältesten Wintermonate einen langen Weg in die Arbeit radeln und keinem einzigen anderen Biker begegnen. Heute ist das gänzlich anders. Aber es gilt einiges zu beachten, wenn man bei Schnee, Glatteis und schlechter Sicht gemütlich und sicher unterwegs sein will.
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Ein wichtiger Punkt betrifft das Licht. Wer heute zu normalen Bürozeiten arbeitet, radelt bei Dunkelheit nach Hause. Während im Sommer um 17.00 Uhr noch kein Licht notwendig ist, verwundert es, dass im Winter zahlreiche Fahrer unbeleuchtet unterwegs sind. Da werden linksabbiegende Autos geradezu dazu verleitet, das Fahrrad zu übersehen, von über die Radwege stolpernden Fußgängern ganz zu schweigen. Verboten ist es übrigens nicht nur, ohne Licht zu fahren, sondern auch mit blinkendem Vorderlicht - auch wenn diese Regelung selbst manchem Polizisten nicht bekannt ist. Das Rücklicht darf hingegen blinken.
Im Fall von Bodenkontakt
Wer Fahren mit Helm uncool findet, sollte das im Winter überdenken. Die Bremswege sind auf rutschigen Fahrbahnen ungleich länger. Es steigt die Gefahr, „gedoort“ zu werden. Damit sind Autofahrer gemeint, die die Türe aufreißen, ohne zu schauen. In der Stadt kommt noch dazu, dass die ohnehin glatten Straßenbahngleise noch gefährlicher werden. Wer im Winter täglich fährt und dabei auch noch Tempo macht, wird im Laufe der Jahre Bodenkontakt haben - dafür sollte man gerüstet sein. Es gibt im Fachhandel eigene, dünne und trotzdem warme Hauben für unterm Helm ab ca. 15 Euro. Für manche Helme gibt es auch integrierte, herausnehmbare Mützen.
Fahren statt rutschen
Auf die rutschigen Fahrbahnen sollte man auch bei der Bereifung Rücksicht nehmen. Slicks, also gänzlich glatte Reifen, sind nicht zu empfehlen. Auf Eis bringen zwar auch die dicksten Stollen nichts, bei nasser Fahrbahn und Schnee nützt der Grip eines ordentlichen Profils aber allemal. Ein Kompromiss sind Semi-Slicks, die oben profillos sind und auf der Seite Stollen haben. Das verhindert zumindest ein wenig das Ausreißen des Rades auf die Seite.
Nicht unwichtig ist in diesem Zusammenhang auch ein Check der Bremsen. Bei V-Bremsen kann man leicht selbst nachziehen und abgenützte Stollen austauschen. Wer investieren will: Scheibenbremsen sind erstens gerade im Winter weit besser und zweitens im Allgemeinen weniger wartungsintensiv, wenn aber doch einmal etwas zu tun ist, sollte man zum Experten gehen (beim Selbermachen verliert man leicht die Nerven). Was bei V-Brakes oft vergessen wird: Genauso wichtig wie das Justieren ist das gründliche Reinigen der Felgen. Den Unterschied merkt man sofort.
Nicht frieren, nicht schwitzen
Das zweite große Thema neben der Sicherheit ist die Kälte. Gleich vorweg: Beim Radfahren ist einem durch die Bewegung grundsätzlich wärmer als beim Zu-Fuß-Gehen oder beim stehenden Warten auf öffentliche Verkehrsmittel. Es zahlt sich aus, ein bisschen weniger anzuziehen, wenn man am Zielort nicht verschwitzt ankommen will.
Die ersten drei Minuten empfindet man als kühl, dann gewöhnt man sich schnell. Was die Bekleidung betrifft, muss man kalkulieren, wie weit und wie oft man fährt. Bei Fahrten bis zu 20 Minuten Dauer reichen die normalen Schuhe, die man auch sonst trägt. Wenn man länger fährt und auch noch eisigem Wind bei Minusgraden ausgesetzt ist, sind Überzieher für die Schuhe zu empfehlen - selbst in warmen Wanderschuhen wird einem sonst kalt.
Wenn es ganz eisig wird und man sportlich fährt, sind Softshell-Jacken nicht unpraktisch, das ist nicht nur eine Behauptung von Sportgeschäften. Allerdings: Für den Alltagsradler, der hin und wieder auch eine Tour macht, reicht das Billigmodell (unter fünfzig Euro) aus dem Discount-Supermarkt allemal - man sollte aber auf eine gewisse Mindestverarbeitungsqualität achten (sieht man auf den ersten Blick). Ideal sind natürlich wasserfeste (nicht wasserabweisende) und atmungsaktive Modelle. Die Kombination aus so einer „Multifunktionsweste“ und einer ordentlichen Regenjacke darüber reicht bis tief in den Dezember. Danach kann man sich des Schichtprinzips bedienen und je nach Kälteempfinden Westen und Pullis zwischenschieben.
Einbrecher, Cowboys, Norweger
Bei Minusgraden ist man auch über einen Schutz für die Mund-Nasen-Partie dankbar. Wem Sturmhauben (die Einbrechervariante) zu peinlich sind, der kann sich den Schal einmal ums Gesicht und dann noch einmal um den Hals wickeln (die Norweger-Variante) oder überhaupt ein Halstuch (die Wild-West-Variante) verwenden. Brillenträger aufgepasst: Dabei beschlagen die Gläser, wenn man den Atem nicht rasch und heftig durch den Stoff bläst.
Fahrradhandschuhe sind ganz praktisch, weil sie speziell gepolstert sind (angenehm bei längeren Ausfahrten) und einen Frotteestreifen haben (zum Abwischen von was auch immer). Skihandschuhe tun es selbstverständlich auch. Wollhandschuhe sind weniger zu empfehlen, da pfeift der Wind durch und wenn man stürzt, kann man sie wegwerfen. Fäustlinge stören beim Schalten und Bremsen, sie sind als Sicherheitsrisiko einzustufen.
Die Zweiradlobby IG Fahrrad bedankt sich am Montag, dem 6. Dezember, bei allen, die auch bei Schnee und Kälte radeln. Von 16.00 Uhr bis 19.00 Uhr werden an der Radwegkreuzung vor der Oper Tee und Kekse verteilt und es wird über gute Radbeleuchtung und deren Sicherheitseffekt informiert. Ein Glücksrad mit Geschenken gibt es auch.
Winterradeln mit Spaß
Wer sein Rad liebhat und nicht krachend und klappernd durch die Gegend fahren will, sollte im Winter ein paarmal seine Kette ölen (Experten raten: wöchentlich). Das ist kein Tipp für Nerds und Experten: Im Sport- oder Fahrradgeschäft gibt es Sprühdosen mit dünnem Aufsatz - einmal über die Kette gespritzt, kurz auf den Seiten mit einem Lappen abgewischt (Dauer: zwei Minuten), schon freut sich das Bike. Wichtig ist das wegen der Salzstreuung, vor allem nach Intensivschneegatschausfahrten. Nach solchen heißt es Schaltwerk, Kränze und Kette mit Spülmittelwasser putzen (dauert auch nicht viel länger).
Fazit: Radeln macht im Winter genauso viel Spaß wie im Sommer, wenn man sich ein bisschen um die Ausrüstung und das Rad kümmert - was beides nicht mit hohen Kosten und unverhältnismäßigem Zeitaufwand verbunden sein muss.
Simon Hadler, ORF.at
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