Heftige Unwetter verschärfen Müllkrise
Neapel versinkt im Müll: Nachdem seit September der Unrat nicht mehr entfernt wird, stapeln sich allein im Zentrum der Millionenstadt 3.000 Tonnen Müll, im gesamten Ballungsraum sind es 8.000 Tonnen. Heftige Unwetter in den vergangenen Tagen sorgen für eine weitere Zuspitzung der Lage, da die durchnässten Müllberge jetzt zur Gesundheitsgefahr werden könnten.
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Experten des italienischen Hygieneinstituts und der Universität Federico II orten „dringendsten Handlungsbedarf, da sich das Müllchaos von einem Hygieneproblem zu einem sehr ernsten Gesundheitsrisiko“ wandeln könnte. Lediglich Mäuse und Ratten scheinen sich laut „La Repubblica“ auf den Müllbergen wohlzufühlen. Der Zeitung zufolge gibt es erste Hinweise auf eine Invasion der Nagetiere. „Es gibt ernsthafte Gesundheitsrisiken, ausgehend von Ratten, Kakerlaken und anderen Insekten, die von den Abfällen angelockt werden“, betonte in diesem Zusammenhang auch die Gesundheitsexpertin Maria Triassi von der Universität Federico II.

APA/EPA/ANSA/Ciro Fusco
Müllberge türmen sich auf Neapels Gehsteigen.
Streichung von EU-Subventionen droht
Mit verschärftem Druck fordert auch die EU eine schnelle Lösung des Müllproblems in der süditalienischen Metropole. Um sich ein Bild von der Lage zu machen, wurde am Montag ein von der Leiterin der Generaldirektion für Umweltfragen, Pia Buccella, angeführtes Inspektionsteam nach Neapel geschickt. Neben der Prüfung, ob eine reale Epidemiegefahr besteht, soll von den EU-Experten nicht zuletzt geprüft werden, ob und wie die lokalen Behörden das Müllchaos wieder in den Griff bekommen können.
Seit Jahren Streitthema
EU-Kommissar Janez Potocnik hat der Regierung Berlusconi gedroht, EU-Fördergelder zu streichen, sollte der Müll nicht von den Straßen im Großraum Neapel entfernt werden. Das Entsorgungsproblem in der Region Kampanien sorgt seit Jahren für Streit zwischen Brüssel und Rom.
Wie Bucella laut „Corriere della Sera“ betonte, wolle man sichergehen, dass es mittlerweile das bisher vermisste Bewusstsein gebe, dass der Bevölkerung der Region Kampanien eine funktionierende Müllentsorgung garantiert werden müsse. Diesmal wird sich Brüssel laut Brucella jedenfalls nicht mit Plänen begnügen, sondern fordert auch deren Umsetzung. Als Druckmittel drohen - wie bereits im Jahr 2008 - eine neuerliche Klage vor den Europäischen Gerichtshof (EuGH) und damit empfindliche Strafen. Zudem könnten rund 145 Millionen Euro an Fördergeldern „endgültig eingefroren“ werden.
„20 Jahre lang Zeit verschwendet“
Neapels Bürgermeisterin Rosa Iervolino Russo zeigte sich unterdessen zutiefst besorgt. „Die Stadt ist nicht nur dreckig, sie ist schmierig“, beklagte die Bürgermeisterin. „Wir sind in einem Notstand“, sagte auch der Regierungschef der Region Kampanien, Stefano Caldoro, im italienischen Fernsehen.
Laut Caldoro sind mindestens drei Jahre notwendig, um die strukturelle Krise der Müllentsorgung zu bewältigen. „20 Jahre lang hat Kampanien Zeit verschwendet und den Müll auf Deponien entsorgt, statt Verbrennungsanlagen zu bauen und das Recycling zu fördern. Dieses System ist gescheitert, jetzt müssen wir neu beginnen“, so Caldoro.
Der Ministerrat in Rom hatte am Donnerstag beschlossen, auf den Bau einer neuen Deponie zu verzichten, die am Rande des Vesuv-Nationalparks hätte entstehen sollen. Sie wäre mit einer Kapazität von drei Millionen Tonnen die größte Müllhalde Europas geworden. In den vergangenen Wochen hatten die Bewohner der Ortschaft Terzigno wiederholt gegen den Bau der neuen Deponie protestiert, was die Müllentsorgung im Großraum Neapel erheblich erschwert hat. Die Regierung von Ministerpräsident Silvio Berlusconi versprach zudem 150 Millionen Euro zur Bewältigung der Müllkrise.
Napolitano wartet auf Gesetzesdekret
Allerdings gibt es selbst bezüglich des schon beschlossenen Regierungsdekrets unerwartete Schwierigkeiten. Laut Medienberichten wartet Staatsoberhaupt Giorgio Napolitano noch immer auf den „verschwundenen“ Gesetzestext, weswegen die angekündigten Maßnahmen weiter nicht umgesetzt werden können. In der aktuellen Regierungskrise wird das Abfallproblem jedenfalls zunehmend zum Politikum. Berlusconi, der sich 2008 die Beseitigung der Müllkrise auf die Fahnen seiner Wahlkampagne geschrieben hatte, verspricht seit Wochen ein schnelles Ende des Abfallchaos.
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