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„Begründete Einzelfälle“

Papst Benedikt XVI. ist nach Medienberichten nicht mehr grundsätzlich gegen den Gebrauch von Präservativen. Es möge „begründete Einzelfälle“ geben, in denen ihre Benutzung etwa die Ansteckungsgefahr mit Krankheiten verringern könne, zitierte die Vatikanzeitung „L’Osservatore Romano“ am Samstag im Voraus aus einem nächste Woche erscheindenden Buch.

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Die katholische Kirche sehe Kondome zwar weiterhin nicht als wirkliche und moralische Lösung an. „Im einen oder anderen Fall kann es in der Absicht, Ansteckungsgefahr zu verringern, jedoch ein erster Schritt sein auf dem Weg hin zu einer anders gelebten, menschlicheren Sexualität“, wurde Benedikt in der am Samstag vorab veröffentlichten Fassung von „Licht der Welt: Der Papst, die Kirche und die Zeichen der Zeit. Ein Gespräch mit Peter Seewald“ zitiert.

Bei den Äußerungen scheint es sich um einen grundlegenden Meinungswechsel im Vatikan zu handeln. Zwar haben führende katholische Geistliche bereits von der Nutzung von Kondomen zur Verhinderung von HIV und Aids gesprochen. Jedoch hat sich noch nie ein Papst öffentlich derart geäußert.

Bisher klare Ablehnung

Bisher vertrat die katholische Kirche trotz massiver öffentlicher Kritik die Position, dass auch im Kampf gegen die weitere Ausbreitung der Immunschwächekrankheit Aids der Einsatz von Präservativen nicht gestattet werden dürfe. Noch bei seiner Afrikareise im März vergangenen Jahres hatte Benedikt eine Zustimmung zur Nutzung von Kondomen abgelehnt.

„Man kann das Aids-Problem nicht durch die Verteilung von Kondomen regeln. Ihre Benutzung verschlimmert vielmehr das Problem“, sagte Benedikt damals und erntete dafür weltweite Kritik. Sein Vorgänger Johannes Paul II. hatte 1993 bei einer Afrikareise gesagt, die eheliche Treue sei das einzige Mittel, um „die tragische Wunde“ Aids zu heilen.

„Erster Schritt zu einer Moralisierung“

Benedikt XVI. sagte dem auch der Nachrichtenagentur AFP vorliegenden Buchmanuskript zufolge, dass die katholische Kirche die Verwendung von Kondomen „natürlich nicht als wirkliche und moralische Lösung“ ansehe. Vielmehr bedeute die bloße Fixierung auf das Kondom eine Banalisierung der Sexualität.

Ein begründeter Einzelfall für eine Ausnahme könne aber etwa sein, dass Prostituierte ein Kondom verwenden. Das könne dann „ein erster Schritt zu einer Moralisierung“ sein und könne helfen, ein Bewusstsein zu entwickeln, „dass nicht alles gestattet ist und man nicht alles tun kann, was man will“.

Gespräche aus Castel Gandolfo

Das Buch „Licht der Welt“ wird am Dienstag öffentlich vorgestellt und kommt am Mittwoch in die Buchgeschäfte. Es erscheint weltweit in 18 Sprachen. Es ist das erste Mal, dass Benedikt in solch einer Interviewform als Papst Rede und Antwort stand.

Er äußerte sich in dem im Sommer geführten Gesprächen auch zu einer Reihe weiterer aktueller Fragen, etwa zum Islam. So sprach der Papst sich gegen ein generelles Burkaverbot aus, wie es inzwischen in Frankreich Gesetz ist. „Was die Burka angeht, sehe ich keinen Grund für ein generelles Verbot“, sagte der Papst. Niemand könne damit einverstanden sein, wenn die Frauen zum Tragen gezwungen werden. „Wenn sie sie aber freiwillig tragen wollen, weiß ich nicht, warum man sie ihnen verbieten muss.“

Der Fragesteller des Buchs „Licht der Welt“, Peter Seewald, ist Papstbiograf und führte mit Joseph Ratzinger bereits Interviews, als dieser noch Kardinal war. Er durfte den Heiligen Vater im Sommer eine Woche lang in seiner Sommerresidenz Castel Gandolfo jeweils eine Stunde am Tag befragen.

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