Sicherheitsvakuum befürchtet
Bis Ende 2014 will die NATO die Sicherheitsverantwortung in Afghanistan übergeben und so ihre Kampftruppen vom Hindukusch abziehen. Doch von einem Rückzug will die NATO nichts wissen. Es sei vielmehr eine Übergabe, erklärte NATO-Generalsekretär Fogh Rasmussen. Menschenrechtsorganisationen warnen aber bereits vor einem möglichen Sicherheitsvakuum.
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Was vor neun Jahren mit nur 5.000 Soldaten begann, hat sich mittlerweile zur größten und schwierigsten Operation der gut 60-jährigen Geschichte des Militärbündnisses ausgeweitet: 130.400 Soldaten sind heute unter Führung der NATO im Rahmen der ISAF-Schutztruppe in Afghanistan stationiert. Und ein Frieden ist nicht in Sicht.
„Übergabe ist nicht gleichbedeutend mit Abzug“, versichert Rasmussen kurz vor dem NATO-Gipfel in Lissabon. Dieser soll Ende der Woche die Weichen auf die schrittweise Übergabe der Verantwortung an die afghanischen Sicherheitskräfte stellen. Und eine solche Übergabe solle auf keinen Fall mit einem Rückzug verwechselt werden. Zudem spricht die NATO von einem Abzug vorerst auch nur der Kampftruppen.
300.000 afghanische Sicherheitskräfte bis 2011
Die neue Rechnung des Bündnisses lautet: weniger Truppen, mehr Ausbilder. Denn auf dem NATO-Gipfel in Lissabon will sich die Allianz zum Aufbau von insgesamt 300.000 afghanischen Sicherheitskräften bis zum Oktober kommenden Jahres verpflichten. So soll sichergestellt werden, dass auch nach einem Abzug der ausländischen Soldaten, der ab Frühjahr 2011 beginnen dürfte, „kein Sicherheitsvakuum“ entsteht. Schon jetzt versichert Rasmussen: „Wir bleiben so lange, wie es der Job erfordert.“
Hilfsorganisationen warnen vor mehr zivilen Opfern
Die unabhängige afghanische Menschenrechtskommission warnt vor einem verfrühten Rückzug vom Hindukusch. „Wenn die internationalen Truppen zu schnell abziehen, wäre das ein echter Fehler“, sagte die Leiterin der Kommission, Sima Samar, der Nachrichtenagentur AFP in Berlin. Ansonsten bestehe die Gefahr, dass die Taliban wieder die Kontrolle über das Land übernehmen könnten. Zugleich forderte Samar die Militärallianz auf, den Schutz der Menschenrechte in den Mittelpunkt der künftigen Strategie in Afghanistan zu stellen.
Auf dem Gipfel will ein Bündnis von 29 Hilfsorganisationen, die in Afghanistan arbeiten, eine gemeinsame Petition vorlegen. Darin wird vor allem auf die wachsenden Probleme für Zivilisten hingewiesen. „Es ist wahrscheinlich, dass zunehmende Gewalt 2011 zu mehr zivilen Opfern führen wird.“
NATO für Wiederaufbau nicht geeignet
Die NATO plant deshalb auch, in den kommenden vier Jahren den ISAF-Einsatz Stück für Stück zu ändern. Aus dem „Kampfeinsatz“ soll ein „Unterstützungeinsatz“ werden. Zudem sollen immer stärker internationale Organisationen ins Boot geholt werden. Denn eines hat Afghanistan gezeigt: Für den Wiederaufbau eines zerfallenden Staates ist der „Baukasten“ des Militärbündnisses NATO nicht geeignet. Militäreinsätze, so heißt es, haben eine „natürliche Grenze“.
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