Betreuungsplätze statt Geldleistungen
Die ÖVP vollzieht offenbar einen Schwenk in ihrer bisherigen Position zur Unterstützung von Familien. Wirtschafts- und Familienminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP) kündigte eine „Kehrtwende“ in der Familienpolitik an - weg von Geldleistungen und hin zu mehr Sachleistungen, also Kinderbetreuungsplätzen.
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„Die Kosten des Systems stehen in keiner Relation zu den Ergebnissen. Unsere vornehmlich auf Geldleistungen ausgerichtete Familienpolitik hat uns eine sehr niedrige Geburtenrate gebracht“, sagte Mitterlehner laut einer Vorabmeldung des Nachrichtenmagazins „profil“. ÖVP-Seniorenchef Andreas Khol bezeichnete die österreichische Familienpolitik daher als „gescheitert“ und forderte ebenfalls eine Umschichtung der Mittel.
Für SPÖ „Befreiungsschlag“
Die SPÖ reagierte erfreut auf die Aussagen der ÖVP-Politiker. „Damit verlässt die ÖVP ein jahrzehntelanges ideologisches Dogma, wonach eine vorwiegend auf Geldleistungen ausgerichtete Familienpolitik nahezu ausschließliche Zielsetzung der ÖVP war“, so Bundesgeschäftsführer Günther Kräuter in einer Aussendung. Er sprach von einem „Befreiungsschlag“ und hofft, dass damit auch der Umstieg von Geld- auf Sachleistungen im Pflegebereich möglich wird.
Kräuter fordert die Länder auf, sich mit ihren Einnahmen aus den neuen Steuern an der Finanzierung des Pflegefonds zu beteiligen. Ähnlich argumentiert auch Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ) im „Standard“ (Wochenendausgabe): „Zumindest die Hälfte des Geldes muss in den geplanten Pflegefonds fließen.“
Auch die Grünen zeigten sich „sehr erfreut“ über Mitterlehners Ankündigung. Familiensprecherin Daniela Musiol forderte die Verlängerung des Bundeszuschusses zum Ausbau der Kinderbetreuung, dessen Bestand bisher nicht gesichert ist.
12,4 Prozent für Sachleistungen
Österreich investiert derzeit den Großteil der staatlichen Familienförderung in direkte Geldleistungen wie die Familienbeihilfe und nur einen Bruchteil in Sachleistungen wie Krippen und Kindergärten, die Müttern eine rasche Rückkehr ins Erwerbsleben ermöglichen. Laut Wirtschaftsforschungsinstitut (WIFO) flossen 2008 nur 12,4 Prozent der Ausgaben für Familien in Sachleistungen. Die Folge sind u. a. eine entsprechend geringe Betreuungsquote der Kinder und weit verbreitete Teilzeitarbeit der Frauen.
Zuletzt waren in Österreich nur 14 Prozent der unter Dreijährigen in Kinderkrippen. Laut dem vor zehn Jahren vereinbarten „Barcelona-Ziel“ der EU sollten es heuer aber 33 Prozent sein. 41 Prozent der erwerbstätigen Frauen können nur Teilzeit arbeiten.
FPÖ sieht keinen Änderungsbedarf
Keinen grundsätzlichen Änderungsbedarf sieht die FPÖ: Der ÖVP gehe es offenbar - ähnlich wie der SPÖ - darum, nur jene Familien zu fördern, die ihr Kind möglichst schnell bei einer Betreuungseinrichtung abgeben, während diejenigen draufzahlen sollen, die sich persönlich der Erziehung ihrer Kinder annehmen, kritisierte FPÖ-Familiensprecherin Anneliese Kitzmüller: „Nur finanzielle Leistungen schaffen für die Familien Wahlfreiheit.“
Für das BZÖ wiederum hat die ÖVP als Familienpartei „endgültig abgedankt“. „Offenbar will die ÖVP die Eltern bevormunden, wie sie ihr Kind zu betreuen haben, und verfolgt das Ziel, dass nunmehr beide Eltern berufstätig sein müssen“, kritisierte Familiensprecherin Ursula Haubner.
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