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„Gefühle der Besucher ansprechen“

Am 26. August 1956 ist die erste Ausgabe des „Bravo“-Magazins erschienen. Mit einer wöchentlichen Auflage von 1,5 Mio. Stück in Bestzeiten prägte „Bravo“ zahllose Jugendliche. Anlässlich der fast 55-jährigen Geschichte der Jugendzeitschrift widmet das Landesmuseum Rudolfinum in Klagenfurt „Bravo“ eine Sonderausstellung.

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Erklimmt man die glitzernde Showtreppe der Ausstellung zu den grellbunten Jugendzimmerinterieurs der 50er Jahren bis heute - die über und über mit „Bravo“-Heften bestückt sind -, spiegeln sich dort der Zeitgeist von Jahrzehnten und die Sehnsüchte und Träume zahlloser Jugendlicher wider.

Museumsdirektor Erich Wappis, der sich an seine „Bravo“-Zeit gerne zurückerinnert - er las das Magazin „unter der Bettdecke“ -, betonte, dass sich das Landesmuseum nicht nur auf die Geschichte und Kultur des Landes besinne, sondern auch auf die Gefühle des Menschen eingehen solle. „Wir wollen mit sehr persönlichen Stücken aus dieser Zeit die Gefühle der Besucher ansprechen“, so Wappis in einer Aussendung.

Jahrelange Provokation mit Jugendthemen

Klaus Farin vom Archiv für Jugendkulturen in Berlin versuchte anlässlich der Ausstellungseröffnung den außergewöhnlichen Erfolg der Zeitschrift zu erklären: „‚Bravo‘ hat moderne Jugendkultur erstmalig von Amerika nach Europa gebracht, auch Jazz, und stand damit im Widerspruch zu den Eltern, die natürlich noch nationalsozialistisch sozialisiert waren. Es war für die Jugendlichen von damals schon eine Befreiung. Allein, dass Marlon Brando mit der Lederjacke oder kaugummikauend gezeigt wurde - da brach schon eine Welt zusammen. So einfach war es damals, zu provozieren.“

Für Provokation sorgte später vor allem die ausführliche Beschäftigung mit allen Tangenten der Sexualität, vor allem die Ende der 60er Jahre gestartete Reihe „Dr. Sommer“, die auch den meisten „Bravo“-Verweigerern ein Begriff ist. Mit noch nie da gewesener Offenheit beantwortete ein Team von Psychologen und Pädagogen Leserbriefe und Erfahrungsberichte von Jugendlichen zum Thema Sexualität.

„Hilfe, mein Glied wird steif“ oder „Kann man von Petting schwanger werden?“ - mit diesen Themen wandelte sich die Rubrik schnell zum meistgelesenen Teil des Heftes und zur Aufklärungsquelle Nummer eins für sexuell unerfahrene und unsichere Jugendliche.

Im Visier der Sittenwächter

Die Aufregung war oft groß: Noch 1972 landete eine Ausgabe der „Bravo“ wegen eines Berichts zum Thema Selbstbefriedigung auf dem Index. In der Begründung für das Verbot beriefen sich die Sittenwächter auf Forschungen, denen zufolge Onanie zu „depressiver Stimmung, paranoiden Reaktionen“ und „Rückenmarksschwindsucht“ führen könne. Seither habe das Blatt weiter an der sexuellen Befreiung gearbeitet, heißt es bei „Bravo“.

Ausstellungshinweis

BRAVO - 55 Jahre Erfolgsgeschichte des Kultmagazins, bis 15. Juni 2011, Landesmuseum Rudolfinum in Klagenfurt. Am 11. November findet um 18.00 Uhr eine „Sprechstunde mit Dr. Sommer“ (Dr. Martin Goldstein) statt.

Der „Bravo“-Chefaufklärer Dr. Sommer, der eigentlich Martin Goldstein heißt, stand von 1969 bis 1984 den Jugendlichen mit Rat in Sachen Sexualität und Liebe zur Seite. Nun, mit 83 Jahren, kommt er nach Klagenfurt und beantwortet alle Fragen, die offengeblieben sind. Goldstein sieht die Jugend von heute noch genauso unsicher wie die der 60er-Jahre, wenn auch grundsätzlich früher und besser aufgeklärt. „Kann ich schwanger werden, wenn ich Sperma schlucke“, hätten Mädchen damals gefragt. Heute heiße es eher: „Wie viele Kalorien hat Sperma? Werde ich davon dick?“

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