Wölfe, Hexen und Revolverheldinnen
Im Rennen um Stimmen für die US-Kongresswahl am 2. November sind einander die Kandidaten in ihren Werbespots nicht viel schuldig geblieben. Dabei scheint die Devise gelautet zu haben: Jedes Mittel ist recht, wenn es darum geht, aufzufallen oder den politischen Konkurrenten in ein möglichst schiefes Licht zu rücken.
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Manche Kandidaten schienen dabei wenig Skrupel zu kennen, selbst innerhalb der eigenen Parteigrenzen. In einem Spot der kalifornischen Republikanerin Carly Fiorina tauchte ihr – unterlegener – Konkurrent Tom Campbell inmitten einer idyllisch grasenden Herde als diabolisches Schaf mit rot funkelnden Augen auf.
Fiorina, früher Chefin des Elektronikkonzerns Hewlett-Packard (HP) und Bewerberin für den US-Senat, wirft ihm vor, als Finanzberater des scheidenden Gouverneurs Arnold Schwarzenegger für das kalifornische Budgetdesaster und Steuererhöhungen mitverantwortlich zu sein: Campbell, der „Wolf im Schafspelz“.
Gegner als „Taliban“
Andere im Rennen um einen Sitz im US-Kongress fuhren noch ganz andere Geschütze auf: Alan Grayson, Abgeordneter des Repräsentantenhauses aus Florida, bezeichnete seinen republikanischen Gegenkandidaten Dan Webster als religiösen Fanatiker und „Taliban-Dan“. Später verteidigte er seine Frontalattacke: Sowohl die Taliban auch als Webster würden versuchen, anderen „ihre bizarren religiösen Ideen“ aufzuzwingen.
Ben Quayle, Kongresskandidat aus Arizona und Sohn des früheren US-Vizepräsidenten Dan Quayle, titulierte in einem Wahlwerbespot Präsident Barack Obama als den „schlechtesten Präsidenten der Geschichte“, machte dabei allerdings wegen seiner Unbeholfenheit vor der Kamera eher unfreiwillig komische Figur.
Ein Kübel Wasser für „böse Hexe“ Pelosi
John Dennis, der republikanische Herausforderer von Nancy Pelosi, der demokratischen Sprecherin des US-Repräsentantenhauses, präsentierte seine Konkurrentin in einem Wahlwerbespot als „böse Hexe“ mit Besen, die es auf das Geld der US-Steuerzahler abgesehen hat. Dafür kippt ihr Dennis in seinem Video einen Kübel Wasser ins Gesicht.
Die Republikanerin Pamela Gorman, die in Arizona für den Kongress kandidiert, präsentiert sich in ihrem Wahlkampfvideo als „Volltreffer“ und „richtiges Kaliber“, um frischen Wind nach Washington zu bringen. Dass sie dieses „Kaliber besitzt“, demonstrierte Gorman mit Schießübungen u. a. mit Maschinenpistole und Sturmgewehr. „Sie kann auf sich aufpassen“ und verliere „ihr Ziel nie aus den Augen“, heißt es dazu in dem Spot. Die rechtskonservative Kandidatin hatte im Wahlkampf vor allem gegen Steuererhöhungen und illegale Einwanderung mobilgemacht.
Trend zu Negativspots
Einige der kuriosen Spot haben mittlerweile auf der Internetvideoplattform YouTube Kultstatus erreicht. Das US-Weblog Gawker.com widmete den „verrücktesten Politspots 2010" ein eigenes Special. Deutlich erkennbar war im Wahlkampf der Trend hin zu Negativkampagnen.
„Es ist immer normaler geworden, politische Gegner mit negativen Spots zu attackieren", so der Kommunikationswissenschaftler Ralph Begleiter von der Universität Delaware. Eine derartige Taktik könne auch durchaus aufgehen. „Besonders negative Kampagnen können beim Wähler in letzter Sekunde Zweifel und Bedenken an die Oberfläche bringen“, erklärte Begleiter. „Gegenkandidaten haben dann nicht mehr die Möglichkeit, die Behauptungen zu widerlegen.“
Duschen gegen Wahlkampfschmutz
John Hickenlooper, demokratischer Gouverneurskandidat aus Colorado, hält nach eigenen Angaben gar nichts von Negativkampagnen. Jedes Mal, wenn er eine sehe, habe er das Bedürfnis zu duschen, erklärte er in einem Wahlwerbespot, und es gebe zu viele davon. In seinem Wahlwerbespot stellt sich der Demokrat folglich mehrfach – samt Kleidung, nur ohne seinen Cowboyhut – unter die Brause.
Wer die Spots – komisch, skurril oder böse – finanziert, ist nicht immer ganz klar. Unternehmer und Lobbygruppen finanzieren ihre Wunschkandidaten in US-Wahlkämpfen gewöhnlich großzügig, und dürfen das nach einem neuen Urteil des obersten US-Gerichtshofs auch anonym. Klar ist lediglich, dass auf diesem Weg auch heuer wieder mehrere Milliarden Dollar in die Wahlkampagnen geflossen sind.
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