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„Bestens integrierte Familie“

In Abwesenheit ihrer in stationärer Behandlung befindlichen Mutter sind am Mittwoch zwei achtjährige Mädchen gemeinsam mit ihrem Vater in Wien in Schubhaft genommen worden. Nach Angaben der Betreuerin der Familie droht den Betroffenen bereits am Donnerstag die Abschiebung in das Kosovo.

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Das allerdings ohne die Mutter, die am Tag zuvor ins Spital eingeliefert wurde. Karin Klaric, Rechtsberaterin der Familie, übte in der ZIB massive Kritik am Vorgehen der Behörden und bezeichnete dieses als Skandal. Bereits zuvor hatte Klaric angekündigt, alle Möglichkeiten zu prüfen, um ein Zerreißen der „bestens integrierten Familie“, deren Antrag auf Bleiberecht abgelehnt wurde, zu verhindern.

Seit 2004 in Österreich

„Die Familie ist seit 2004 in Österreich, spricht bestens Deutsch, ist unbescholten“, hielt der Sprecher des Betreuervereins Purple Sheep gegenüber der APA fest.

Rechtsberaterin Karin Klaric

APA/Hans Klaus Techt

Die Vorgangsweise der Behörden wurde von der Rechtsvertreterin der Familie, Karin Klaric, als Skandal bezeichnet.

Laut Klaric wurde das Asylverfahren heuer - negativ - beendet, ein Antrag auf humanitäres Bleiberecht abgelehnt. Was unverständlich sei, denn „sie erfüllen alle Voraussetzungen“. Die kosovarische Familie wohnte in dem vor kurzem eröffneten „Freunde schützen“-Haus in Wien, das Familien betreut, die unmittelbar vor der Abschiebung stehen.

Erst am Dienstag sei die Mutter aufgrund „psychotischer Selbstmordgedanken“ stationär aufgenommen worden, hieß es. Am Mittwoch um 6.50 Uhr sei dann die Fremdenpolizei erschienen und habe den Vater sowie die beiden achtjährigen Zwillingsschwestern laut Sprecher „ziemlich demütigend“ mitgenommen - mehr dazu in oesterreich.ORF.at.

„Darf kein Normalfall sein“

Die Fremdenpolizei habe die Abschiebung der drei laut Klaric für Donnerstag angekündigt, und zwar „ohne die Mutter“, die aufgrund ihrer stationären Behandlung derzeit nicht abgeschoben werden könne. „Das darf kein Normalfall sein“, kritisierte die Rechtsberaterin der Familie das Vorgehen: „Es ist überhaupt nicht klar, wann sich die Mutter stabilisiert.“

Abschiebung am Donnerstag

Von der Polizei wurde unterdessen bestätigt, dass die beiden Mädchen und ihr Vater am Donnerstag in das Kosovo abgeschoben werden sollen. Ein Polizeisprecher sagte gegenüber der APA, das würde „frühestens am Nachmittag“ geschehen. Die Mutter, die sich derzeit im Krankenhaus aufhält, werde wohl nicht freiwillig mitkommen, hieß es.

Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention, die in Österreich Teil der Verfassung ist, verankert das „Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens“ - mehr dazu in Rechtsinformation Bundeskanzleramt.

Bereits zuvor wurde von der Bundespolizeidirektion Wien betont, dass „grundsätzlich alles im Einklang mit den Bestimmungen der EMRK (Europäische Menschenrechtskonvention, Anm.) erfolgt ist“. Familie und Rechtsberater seien demnach von der bevorstehenden Abschiebung zeitgerecht in Kenntnis gesetzt worden, nun habe sich Klaric „als weitere Rechtsberatung ins Spiel gebracht“. Weder von ihr noch vom Vater lägen aber derzeit weitere Anträge vor, hielt die Polizei fest. Vonseiten der Innenministerin Maria Fekter (ÖVP) gab es keinen Kommentar. Nach Angaben des Ministeriums äußere man sich nicht zu Einzelfällen.

„Unbarmherzige Ausländerpolitik“

Scharfe Kritik kam von den Grünen: Deren Menschenrechtssprecherin Alev Korun kritisierte die „unbarmherzige Ausländerpolitik der ÖVP-SPÖ-Koalition“: Fekter lasse inzwischen „achtjährige Kinder einsperren“, die SPÖ sehe „tatenlos“ zu.

Einen klaren Verstoß gegen die UNO-Kinderrechtskonvention wird unterdessen von der Bundesjugendvertretung (BJV) geortet. Wie die BJV-Vorsitzende Magdalena Schwarz per Aussendung mitteilte, zeige der nun bekanntgewordene Fall deutlich, welche dramatischen Auswirkungen das derzeitige Fremdenrecht auf junge Menschen hat. Aus diesem Grund fordert die BJV von Fekter, „die Schubhaft bei den zwei achtjährigen Mädchen umgehend aufzuheben und deren Abschiebung zumindest so lange aufzuschieben, bis Klarheit über den gesundheitlichen Zustand ihrer Mutter herrscht“.

„Wenn achtjährige Kinder in Schubhaft genommen werden, dann läuft etwas falsch in diesem Staat“, kritisierte auch Gernot Rammer, Bundesgeschäftsführer der Österreichischen Kinderfreunde. Auch die Roten Falken haben kein Verständnis für die Vorgangsweise: „Es ist nicht mit der UNO-Kinderrechtskonvention vereinbar, dass Kinder, die geflüchtet sind, bei uns wie Schwerverbrecher behandelt werden“, stellt Michael Schinninger, Bundesvorsitzender der Roten Falken, klar.

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