Themenüberblick

Zu wenig Lagerkapazitäten

Wegen fehlender Lagerhäuser verrotten in Indien Weizenvorräte, die 210 Millionen Menschen ein Jahr lang ernähren könnten. Laut einer Schätzung der indischen Regierung, die der Nachrichtenagentur AP vorliegt, werden 17,8 Millionen Tonnen Getreide im Freien gelagert.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.

Allein in den nördlichen Unionsstaaten Haryana und Punjab, der Weizenkammer Indiens, lagern dem Regierungsdokument zufolge seit drei Jahren knapp 174.000 Tonnen unter Planen, weitere fünf Millionen seit zwei Jahren. Die Menge des im Freien gelagerten Weizens hat sich in den vergangenen beiden Jahren fast verdoppelt. Behördenmitarbeiter in Punjab räumten ein, dass 49.000 Tonnen für den menschlichen Verzehr bereits ungenießbar seien.

Sorge vor politischen Unruhen

Ein Export des Getreides ist für die Regierung in Neu-Delhi keine Option: Weil die Inflationsrate für Nahrungsmittel seit Monaten zweistellig ist, befürchtet sie für einen solchen Fall politische Unruhen. Den Weizen an Arme zu subventionierten Preisen zu verkaufen, würde das ohnehin hohe Haushaltsdefizit weiter anheizen. Und in einem Land den Bauern keinen Weizen mehr abzukaufen, in dem mehr als die Hälfte der Bevölkerung von der Landarbeit lebt, ist ebenfalls keine Alternative.

„Gewissenlos und inakzeptabel“

Der den Elementen ausgesetzte Weizen macht etwa 30 Prozent der indischen Getreidereserven aus. Biraj Patnaik, ein Chefberater des Obersten Gerichts für Ernährungsfragen, kritisierte das Vorgehen der Regierung. Sie habe 5,5 Milliarden Dollar (4,17 Mrd. Euro) für Weizen ausgegeben, der nun im Regen liege. „Das ist gewissenlos und inakzeptabel“, sagte er. Es sei irrational und unlogisch, den Weizen nicht sofort zu verteilen. In Indien ist jedes zweite Kind unterernährt, 80 bis 200 Millionen Inder haben Schätzungen zufolge zu wenig zu essen.

Die Regierung erklärte, sie werde mehr Lagerkapazitäten schaffen und mehr Getreide zu humanitären Zwecken exportieren. Nach Angaben des Handelsministeriums kostet es 76,9 Milliarden Rupien (1,265 Mrd. Euro), den nötigen Lagerraum für 35 Millionen Tonnen Nahrungsmittel zu bauen. Kritiker halten diese Schritte für nicht ausreichend, und sie kämen zu spät.

Magere Ernte in anderen Teilen der Welt

Die Lage in anderen Teilen der Erde trägt zum hohen Weizenpreis bei: Dürre und Brände in Russland, heftiger Regen in Kanada und Heuschrecken in Australien sorgen für eine mager ausfallende Ernte. Die Regierung in Moskau beschloss deshalb letzte Woche ein Exportverbot. Der Weizenpreis stieg daraufhin auf ein Zweijahreshoch.

Erika Kinetz, AP

Links: