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Weiterhin „unsichere Situation“

„Katrina“ gilt als der zerstörerischste Hurrikan. Am 29. August 2005 verwüstete er mit einer Windgeschwindigkeit von 280 Stundenkilometern die Küste der US-Südstaaten Louisiana, Alabama und Mississippi auf einer Fläche von 233.000 Quadratkilometern. Besonders betroffen war die Jazzmetropole New Orleans. 80 Prozent des Stadtgebiets wurden überflutet. Insgesamt starben 1.800 Menschen.

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Überschwemmter Großraum New Orleans

AP/Eric Gay

80 Prozent der Stadt waren überflutet.

Rund 350.000 Häuser wurden zerstört, 1,3 Millionen Menschen verloren ihr Zuhause. Mehr als doppelt so viele wurden von der Stromversorgung abgeschnitten. Der Gesamtschaden belief sich laut dem Rückversicherer Münchener Rück auf 125 Milliarden Dollar (99 Mrd. Euro). Besonders der damalige US-Präsident George W. Bush und seine Regierung mussten sich herbe Kritik an der Reaktion sowie am schleppenden Wiederaufbau gefallen lassen. Diese zögerliche Reaktion gestand Bush letztlich auch als „Fehler“ ein.

US-Soldaten

AP/Eric Gay

Hilfskräfte erreichen New Orleans.

Der erste Hilfskonvoi erreichte New Orleans erst am 3. September, da waren noch rund 50.000 Menschen eingeschlossen. Allein im Super-Dome-Stadion warteten 30.000 Flüchtlinge tagelang auf Hilfe. Evakuierungen wurden nur zögerlich in Gang gesetzt. Nicht nur die lokalen Politiker, auch die US-Regierung schien zunächst gelähmt zu sein. Die Koordinierung der Hilfe hatte Tage gedauert. Die Stadt hatte noch ein Jahr nach der Katastrophe Schwierigkeiten, die Trinkwasserversorgung und Müllabfuhr zu organisieren. Tausende von Autowracks standen noch immer auf der Straße. Hunderttausende insbesondere aus ärmeren Vierteln konnten nicht in ihre Heimat zurückkehren.

Noch immer leere Stadtteile

Fünf Jahre danach haben 20 Prozent der Bevölkerung noch immer Schwierigkeiten, einen Job und ein Dach über dem Kopf zu haben. Einige lebten noch 2009 nach der Katastrophe in Wohnwagen. Während die Altstadt, das French Quarter, wieder Hunderttausende Touristen anzieht, ist das ehemalige und besonders betroffene Schwarzenviertel Lower Ninth Ward auch fünf Jahre nach dem Sturm erst wieder zu 25 Prozent bewohnt, viele Stadtteile stehen leer.

Verlassene Häuser

AP/Judi Bottoni

Häuser im Lower Ninth Ward

Es habe sich in New Orleans zwar einiges getan, wenn man die Zerstörungen vom August 2005 vor Augen hat, allerdings habe es zahlreiche Faktoren gegeben, die den Wiederaufbau behindert hätten. Zu diesem Ergebnis kommen die Wissenschaftler Robert Olshansky von der Universität Illinois und Laurie Johnson in ihrem kürzlich veröffentlichten Buch „Clear as Mud: Planning for the Rebuilding of New Orleans“.

Ohne Führung und Koordination

„‚Katrina‘ zerstörte die Infrastruktur von New Orleans so sehr, dass die Stadt für einige Zeit aufhörte, zu existieren“, betonte Olshansky im Interview mit dem R&D-Magazin. Er führt den verzögerten Wiederaufbau auch darauf zurück, dass vonseiten der Regierung zu wenig Geld dafür zur Verfügung gestellt wurde. So verlange etwa die heftig kritisierte Federal Emergency Agency (FEMA), dass die von der Katastrophe angeschlagenen Regierungen die Baukosten vorstrecken. Erst im Nachhinein bekämen sie Teile davon refundiert.

Mängel fanden die beiden Wissenschaftler auch bei der Bürokratie, widersprechende politische Maßnahmen sowie schlechte Kommunikation und Koordination zwischen den am Wiederaufbau beteiligten Agenturen. New Orleans habe auch an einem Führungsproblem gelitten insbesondere von Bürgermeister Ray Nagin. Einen wirklichen Plan für den Wiederaufbau gab es nicht.

Stadt weiterhin gefährdet

Zudem beobachten die Forscher Spannungen zwischen denjenigen, die New Orleans in seiner Vor-„Katrina“-Form wieder aufbauen wollen und denen, die die am meisten von Fluten gefährdeten Gebieten verlassen wollen. Schnell ausgegebene Baugenehmigungen und die schwierige Koordination von Förderungen unterschiedlicher Agenturen haben laut Olshansky und Johnson bei den Neubauten kaum zu einer verbesserten Sicherheit vor Fluten geführt.

„New Orleans kämpft aber nach wie vor mit einer unsicheren Situation angesichts einer langfristigen Sicherheit vor künftigen Überflutungen“, warnt Olshansky. Die Regierung stellte knapp 15 Milliarden Dollar für höhere und neue Wälle und Wasserabwehr zur Verfügung. „Die Stadt ist jetzt besser geschützt. Aber angemessen ist es nicht, angesichts der Risiken, denen sie ausgesetzt sind“, urteilt der Umweltkorrespondent der lokalen Tageszeitung „Times-Picayune“, Mark Schleifstein.

Kriminelle als Gewinner

Halb verfallene und leer stehende Häuser bieten sich als ideale Unterkünfte für Kriminelle an. „Katrina“ zerstörte auch das soziale Gefüge der Stadt - 23 Prozent der Menschen leben unterhalb der Armutsschwelle. Das schlägt sich auch in der Verbrechensstatistik nieder. Allein in diesem Jahr erwartet die Polizei 200 Morde. Damit hätte New Orleans die höchste Mordrate pro Kopf der Bevölkerung in den USA.

„Seit dem Sturm hat es hier 840 Morde gegeben und nicht einmal 50 Verurteilungen vor Gericht“, sagte der Kriminologe Peter Scharf von der Tulane-Universität in New Orleans. Aus Angst vor der Drogenmafia würden sich viele Zeugen nicht bei der Polizei melden. Zusätzlich wurde das Vertrauen durch einige Polizeiskandale untergraben wie etwa durch Vorwürfe krimineller Verbindungen, Korruption und Vertuschungsmanöver. Selbst der Anfang 2010 neu gewählte Bürgermeister Mitch Landrieu bezeichnete die Behörde als „eine der schlechtesten Polizeieinheiten im ganzen Land“.

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