Basken und Katalonen sehen sich bestätigt
Das im Juli verabschiedete IGH-Urteil zur Unabhängigkeit des Kosovos ist auf den ersten Blick ein Sieg auf der ganzen Linie für die Kosovo-Unterstützerstaaten. Das Rechtsgutachten könnte aber noch Kopfzerbrechen bereiten.
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Der Internationale Gerichtshof (IGH) ist nämlich der politischen Frage ausgewichen, ob das Kosovo ein „Sonderfall“ ohne Präzedenzwirkung für andere ethnische Konflikte ist. Denn dass fünf der 27 EU-Mitglieder das Kosovo bisher nicht anerkannt haben, ist kein Zufall: Spanien, Rumänien, Griechenland, Slowakei, Zypern sind alle mit inneren Konflikten, separatistischen Tendenzen und Minderheitenproblemen konfrontiert. Ähnliches gilt für die UNO-Vetomächte Russland und China, die die Unabhängigkeit Kosovos ebenfalls nicht akzeptieren.
Der eindeutige IGH-Spruch könnte die Position der Unabhängigkeitsgegner zementieren. Staaten wie Spanien, die Slowakei und Zypern müssen befürchten, durch eine Anerkennung im Lichte des IGH-Gutachtens die zentrifugalen Tendenzen in ihren Ländern noch zu stärken.
Katalonen und Basken jubeln
Diese Befürchtung scheint sich bereits in einer ersten Reaktion der spanischen autonomen Regionen Katalonien und dem Baskenland zu bewahrheiten: Katalanische und baskische Nationalisten freuen sich über das Gutachten zur Unabhängigkeitserklärung des Kosovo. „Eine Abspaltung Kataloniens von Spanien ist völkerrechtlich gedeckt“, sagte der Chef der in Barcelona mitregierenden Katalanischen Republikanischen Linke (ERC), Joan Puigcercos, laut Medienberichten vom Freitag. „Spanien soll den Gebrauch des Selbstbestimmungsrechts der Völker anerkennen“, betonte auch der Chef der Baskischen Nationalpartei (PNV), Inigo Urkullu, der das Urteil als „Triumph der Demokratie und der Freiheit“ bezeichnete.
Spanien, dessen ethnische Konflikte seit Jahrzehnten brodeln, reagierte auf das Gutachten zwar mit Dialogbereitschaft. Das Urteil werde „respektiert“ und eröffne eine „neue Etappe“, ließ Außenminister Miguel Angel Moratinos wissen. Am Freitag jedoch erklärte Madrid, an seiner Ablehnung der Unabhängigkeit des Kosovos festhalten zu wollen.
USA beschwichtigt: Kosovo „einzigartiger“ Fall
Bezeichnend fiel in diesem Zusammenhang auch die Reaktion des US-Außenministeriums aus. Dieses begrüßte den IGH-Spruch zwar, betonte aber zugleich, dass das IGH-Gutachten keine Präzedenzwirkung für ethnische Konflikte wie jene in Spanien haben werde. Das Kosovo sei ein „einzigartiger“ Fall, sagte Außenamtssprecher P. J. Crowley nach Berichten spanischer Medien.
Auch die Schweizer Völkerrechtsprofessorin Paola Gaeta erwartet kaum konkrete Auswirkungen des Gutachtens. Es werde weder zu einer Anerkennung der Unabhängigkeit des Kosovos kommen noch zu vermehrten Sezessionen, sagte Gaeta der Nachrichtenagentur SDA.
„Lediglich Frage der Völkerrechtsverletzung beantwortet“
„Der Gerichtshof in den Haag hat lediglich die Frage beantwortet, ob die Unabhängigkeitserklärung des Kosovos am 17. Februar 2008 das Völkerrecht verletze“, sagte Gaeta. „Das Gericht hat sich aber nicht zu der entscheidenden Frage geäußert, zum Recht des Kosovo auf Unabhängigkeit.“ Es habe nicht gesagt, ob das Kosovo das Recht habe, sich von Serbien zu trennen. Laut Gaeta hat der IGH nur festgestellt, dass die Unabhängigkeitserklärung nicht illegal war, weil sie vom Parlament beschlossen wurde. Der Status des Kosovos bleibe gleich und könne nur durch eine Resolution des UNO-Sicherheitsrats geändert werden.
Die Juristin ist jedoch wie die meisten Beobachter der Meinung, dass weder Russland noch China ihr Veto im Sicherheitsrat gegenüber der Unabhängigkeit des Kosovo aufheben werden. Für das Kosovo bleibe die Anerkennung seiner Unabhängigkeit durch die UNO blockiert - egal wie sich die Debatten in der UNO-Vollversammlung entwickelten.
Aufgrund des IGH-Gutachtens könnten zwar neben den bisherigen 69 Ländern, darunter die Schweiz, einige weitere Staaten das Kosovo anerkennen. Solange die UNO dessen Status nicht ändere, sei das Kosovo jedoch kein unabhängiger Staat, betonte Gaeta.
Sezession von Basken hätte international „keine Folgen“
Der IGH habe kein Recht auf Sezession anerkannt und damit vermieden, sich für Sezessionsbewegungen instrumentalisieren zu lassen, führte Gaeta aus. „In Italien hat Padanien vor einigen Jahren seine Unabhängigkeit erklärt. Die Basken, Korsen und Tibeter können das ebenfalls tun. Aber diese Erklärungen haben auf internationaler Ebene keine Folgen.“
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