Umstrittenes Urteil
Cheerleading ist kein Sport. Mit diesem Urteil hat Richter Stefan Underhill aus Connecticut den Zorn von Millionen US-amerikanischer Cheerleader auf sich gezogen. 2009 hatten fünf Volleyballerinnen und ihr Trainer die Klage eingebracht, nachdem ihre Sportart von der Quinnipiac University in Hamden aus Kostengründen gestrichen und gleichzeitig eine Cheerleadertruppe ins Leben gerufen worden war.
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Die Klage war auf Basis des Antidiskriminierungsgesetzes Title IX eingebracht worden, das Benachteiligungen im Bildungswesen verhindern soll. Nunmehr wird die Regelung hauptsächlich dafür angewendet, dass an Colleges und Universitäten Sportarten – und vor allem damit verbundene Stipendien - gleichermaßen für Männer und Frauen angeboten werden. Verstoßen Einrichtungen gegen das Gesetz, erhalten sie keine Bundesgelder mehr.
Nicht gut genug organisiert
Richter Underhill begründete sein Urteil damit, dass die „Aktivität“ noch zu unterentwickelt und zu schlecht organisiert sei, um an Colleges als eigenes Sportangebot eingerichtet zu werden. Das heiße aber nicht, dass es in der Zukunft ausgeschlossen sei, dass wettkampfmäßiges Cheerleading auch unter Title IX erlaubt ist.
Er verwies zudem in seiner 95-seitigen Ausführung darauf, dass weder der Collegesportdachverband noch das Bildungsministerium Cheerleading als Sport anerkennen. Jene sechs US-Universitäten, die das tun und ein vollwertiges Angebot haben, hätten zwar einen losen Verband gegründet, dieser würde aber ohne Vorstand und Wahlsystem der Mitglieder den Anforderungen einer Organisation nicht entsprechen.
Der härteste Sport der Welt?
Kimberly Archie, Gründerin der National Cheer Safety Foundation, versteht das Urteil gar nicht. Cheerleading bestehe aus Turnen und Sprüngen, das Verletzungsrisiko sei hoch.
3,7 Millionen Cheerleader
Rund 3,7 Millionen Jugendliche betreiben laut dem größten Ausrüster Varsity in den USA regelmäßig Cheerleading. Bisher hatten sechs US-Universitäten Cheerleading als vollwertige Sportart inklusive Stipendien angeboten. Cheerleading-Teams ohne eine solche Anerkennung, die andere Sportmannschaften anfeuern, gibt es aber praktisch auf jedem US-College.
In etlichen US-Medien kommen Cheerleader zu Wort, die betonen, dass ihr Hobby der vielleicht härteste Sport überhaupt sei. Wenn man meterhoch in die Luft geschleudert werde und dann hoffentlich von einem Mädchen mit 50 Kilo gefangen werde, spreche das für sich, heißt es etwa.
Und drei Stunden Training, fünf Tage die Woche, sprächen genauso wie die zahlreichen Wettbewerbe wohl auch für einen Sport. Unterstützt wird diese Argumentation auch von einem Gerichtsurteil von 2009: Demnach ist Cheerleading ein Kontaktsport, und Verletzungen sind quasi ein „Berufsrisiko“.
Kein Sparen auf Kosten von Frauen
Für Archie hat das Urteil auch Title IX ad absurdum geführt: Das Interesse von Frauen an Sport sei einfach niedriger als das von Männern. Wenn ein College gleich viele Sportstipendien für Frauen anbieten muss wie für Männer, dann könne man auf Cheerleading einfach nicht verzichten.
Frauenrechtlerinnen sehen das anders. Die Entscheidung des Richters sei ganz klar, meint etwa Lisa Maatz von der Gleichberechtigungsorganisation AAUW gegenüber der „New York Times“. Colleges könnten nicht einfach Cheerleadingtruppen einrichten und andere, richtige Sportarten für Frauen vernachlässigen.
Neena Chaudhry vom National Women’s Law Center in Washington meint, es sei nachvollziehbar, dass in Krisenzeiten Bildungseinrichtungen ihre Ausgaben einschränken wollen. Die Botschaft des Urteils sei aber, dass Colleges nicht auf Kosten der Frauen sparen dürfen.
Rugby statt Cheerleading
Die Leitung der Quinnipiac University zeigte sich vom Urteil jedenfalls enttäuscht. Man werde aber versuchen, Cheerleading als anerkannte Sportart zu etablieren. In der Zwischenzeit wird im nächsten Schuljahr ein Rugbyteam für Frauen gegründet.
Felecia Mulkey, Trainerin des Cheerleaderteams an der Universität Oregon, zeigt sich gegenüber der „New York Times“ auch zuversichtlich, dass die Anerkennung ihrer Sportart nur eine Frage der Zeit ist. Das Urteil sei zwar ein Rückschlag, man sei aber gerade dabei, den Dachverband professioneller zu gestalten. In einem halben Jahr werde die Sache schon ganz anders aussehen.
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