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Drei Jahre Redeverbot

Angesichts erwarteter Klagen wegen der Ölpest im Golf von Mexiko soll der britische BP-Konzern versucht haben, das Schweigen von Experten zu erkaufen. Hier habe ein Großunternehmen umfassend versucht, sich Stillschweigen zu sichern, sagte Cary Nelson vom Amerikanischen Verband der Professoren (AAUP) im britischen Rundfunksender BBC.

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Von BP angebotene Verträge verlangen laut BBC von Wissenschaftlern, dass sie ihre Forschungen im Auftrag des Konzerns nicht veröffentlichen. Sie dürften zudem über die enthaltenen Daten mindestens drei Jahre lang nicht sprechen - oder jedenfalls bis zu dem Zeitpunkt nicht, an dem die US-Regierung die Schadenersatzzahlungen wegen der Katastrophe abschließend festlege.

BP: Keine Beschränkungen

Der BP-Konzern gab in einer Erklärung an die BBC an, mehr als ein Dutzend Wissenschaftler mit Fachkenntnissen zum Golf von Mexiko angeheuert zu haben. Das Unternehmen erlege Forschern aber „keine Beschränkungen dabei auf, über wissenschaftliche Daten zu reden“. Bop Shipp, der Leiter der Meeresforschung an der Universität von South Alabama, sagte dem Sender jedoch, Anwälte von BP hätten ihn angesprochen und seine ganze Abteilung unter Vertrag nehmen wollen. Als er die Grundregeln festgelegt habe, dass alle Daten der Wissenschaftsgemeinschaft frei zugänglich sein und unabhängig überprüft werden müssten, seien die BP-Vertreter schnell wieder abgezogen. „Wir haben nie mehr von ihnen gehört.“

Klage mit Mafia-Paragraf

BP und sein Chef Tony Hayward sehen sich mit Klagen auf Grundlage eines Gesetzes gegen die Mafia konfrontiert. Wegen der Ölpest im Golf von Mexiko haben Anwälte in den USA mindestens drei Klagen gegen BP und zwei gegen den Besitzer der gesunkenen Bohrplattform „Deepwater Horizon“, Transocean, eingereicht, die sich auf das sogenannte RICO-Gesetz berufen.

Das Kürzel RICO steht für Racketeer Influenced and Corrupt Organizations Act - Gesetz gegen kriminelle und korrupte Organisationen. Das Gesetz hat eine zivil- und eine strafrechtliche Komponente. Die gegen BP und Transocean eingereichten zivilrechtlichen Klagen zielen offenbar auf besonders hohe Schadenersatzzahlungen ab. Nach dem RICO-Gesetz werden nämlich für die Festlegung der Zahlungen die Schadenssummen verdreifacht. Damit könnte die Ölkatastrophe im Golf von Mexiko für BP noch deutlich teurer werden als die 20 Milliarden Dollar (15,4 Mrd. Euro), die der Konzern für die Beseitigung der Folgen der Ölpest bereits versprochen hat.

„Falsches Gefühl der Sicherheit“

In den Klageschriften gegen BP und Transocean wird den beiden Unternehmen vorgeworfen, den Behörden gefälschte Dokumente vorgelegt und Investoren getäuscht zu haben. Zudem werden die beiden Unternehmen der Bestechung bezichtigt. Die gesamte Öl- und Gasindustrie habe versucht, Beamte der für Offshore-Bohrungen zuständigen Regulierungsbehörde, Bureau of Ocean Energy Management, zu bestechen, erklären die Kläger.

Die kriminelle Vorgehensweise der Beklagten habe zum Ziel gehabt, „in der Öffentlichkeit ein falsches Gefühl der Sicherheit hervorzurufen, während das Unternehmen alle Kosten vermied, die für einen sicheren Betrieb notwendig gewesen wären“, heißt es in einer der Klageschriften, die von Anwälten im Namen eines geschädigten Restaurants verfasst wurde.

Strenge Strafen drohen

In der Vergangenheit folgten auf zivilrechtliche Klagen nach dem RICO-Gesetz oft strafrechtliche Ermittlungen. Mögliche Konsequenzen sind langjährige Haftstrafen, hohe Geldstrafen und die Aberkennung aller illegal erworbenen Gewinne. Allerdings hat das US-Justizministerium noch nicht entschieden, ob es in seiner Untersuchung des Untergangs der „Deepwater Horizon“, bei der elf Arbeiter umkamen, ein Strafverfahren auf Grundlage des RICO-Gesetzes anstrengen wird. Die Staatsanwälte bräuchten dazu Beweise, dass die Unternehmen in krimineller Absicht und nicht bloß fahrlässig handelten.

Ein Verfahren nach dem RICO-Gesetz setzt zudem voraus, dass der Angeklagte über einen längeren Zeitraum mindestens zwei der im Gesetz aufgezählten Verbrechen beging. Der frühere Staatsanwalt Peter Pietro glaubt deshalb, dass das Justizministerium auf ein anderes Instrument zurückgreifen wird. „Wenn sie eine einfachere Straftat haben, werden sie die verfolgen“, sagte Pietro der Nachrichtenagentur AP. „Staatsanwälte benutzen das RICO-Gesetz nur, wenn es wirklich anwendbar ist.“

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