Hochsaison der Plagegeister
Der regnerische Frühling und die Hitze der vergangenen Wochen haben vor allem einem Plagegeist Vorschub geleistet: der Gelse. In weiten Teilen Ostösterreichs treten die kleinen Blutsauger derzeit in Scharen auf, der Höhepunkt der Plage dürfte nach Aussagen des Gelsenforschers Bernhard Seidel aber bald überschritten sein.
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Fast 40 Gelsenarten gibt es in den heimischen Breiten. Vor allem eine Art, die Überschwemmungsgelse, erlebte laut Seidel in den entsprechenden Gebieten „ganz enorme explosionsartige Massenentwicklungen“ und konnte auch eine Invasion in die Städte starten, wie dort massiv zu spüren war. Es sei eigentlich „im gesamten Osten Österreichs eine Landplage an Gelsen“ entstanden, so Seidel in der ORF-Sendung Thema - mehr dazu in tvthek.ORF.at.

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Gelse beim Blutsaugen
Bekämpfung umstritten
Überschwemmungsgelsen legen Myriaden von Eiern in häufig von Hochwässern heimgesuchten Arealen ab. Kommt das Wasser und hinterlässt Tümpel, schlüpft ein Gutteil der Eier auf einmal. Nach ein bis zwei Wochen - je nach Temperatur - entwickeln sich die Larven zu den geflügelten Stechmücken, die dann in Massen auftreten.
Bekämpfungsmaßnahmen sind nach Ansicht des Experten nur sinnvoll, solange die Larven noch im Wasser sind. Dabei werden bestimmte Proteine ausgebracht, Stoffwechselprodukte des Bakteriums Bacillus thuringiensis. Laut Seidel wirkt der Stoff nur auf die Gelsenlarven und hat auf andere Tiere und Pflanzen praktisch keine Auswirkungen.
Zahlreiche Menschen klagen über eingeschränkte Lebensqualität, wie Thema berichtet. Trotzdem gibt es viele kritische Stimmen. Die einen fordern Zurückhaltung, die anderen eine härtere Gangart in der Bekämpfung der Plagegeister. Gelsen sind aber ohnehin sehr kurzlebig, daher neigt sich die Invasion nun dem Ende zu. „In 14 Tagen kann sich das von ganz allein erledigen“, sagte Josef Steiner vom Nationalpark Donauauen in Thema.
Gefährliche Krankheitsüberträger?
Die Lebensqualität ist das eine, die Blutsauger gelten aber auch als Krankheitsüberträger. Sie übertragen etwa das West-Nil-Virus, das für Menschen nicht direkt lebensbedrohlich ist, aber Fieber, Muskelschmerzen und Lymphknotenschwellungen hervorruft. Bei älteren oder geschwächten Personen kann es auch zur Gehirnhautentzündung führen.
Hausgelsen legen ihre Eier in kleinen Wasseransammlungen ab. Dabei werden sie auch während sehr trockener Perioden fündig - etwa in Gießkannen, Regentonnen und anderen Gefäßen. Im Sommer werden sie dann von Generation zu Generation immer mehr.
Infektionen nach Gelsenstichen würden fälschlicherweise oft als Sommergrippe diagnostiziert, sagte der Mediziner Norbert Nowotny vom Institut für Virologie der Veterinäruniversität in Wien. Gehirnhautentzündungen aufgrund von Gelsenstichen seien in Österreich aber noch nicht aufgetreten. „In Österreich spielen die Gelsen als Krankheitsüberträger keine nennenswerte Rolle. Diese Horrorgeschichten wie West-Nil-Fieber oder Malaria treffen alle nicht auf Österreich zu“, betonte dagegen der Evolutionsbiologe Hannes Paulus.
Obwohl sich die Gefahr laut Experten in Grenzen hält, steigt die Zahl der Behandlungen in den Krankenhäusern. Die Patienten leiden unter unangenehmem Jucken, Hautrötungen und Schwellungen an Händen und Beinen. Allergische Reaktionen sind zwar möglich, nach Gelsenstichen kommen sie laut dem Wiener Mediziner Andreas Schneider aber äußerst selten vor - mehr dazu in oesterreich.ORF.at.
„Erfolgreichste Tiergruppe weltweit“
Seidel plädiert hingegen für mehr Problembewusstsein. Für ihn ist der kaum mehr als ein Milligramm schwere Blutsauger eine echte globale Bedrohung. „Die Gelse ist das gefährlichste und wirtschaftlich problematischste Tier, das wir auf der Erde haben.“ Abgesehen von großflächigen Gifteinsätzen sei der Mensch kaum in der Lage, die Tiere in irgendeiner Form zu gefährden oder zu dezimieren.
„Die Gelsen sind garantiert die erfolgreichste Tiergruppe weltweit mit mehreren tausend Arten, und jede dieser Arten ist in der Lage, eine eigene ökologische Nische einzunehmen“, sagte Seidel. Aufgrund ihrer geringen Größe und Unberechenbarkeit werden Gelsen laut Seidel unterschätzt. Diese Invasionen gebe es immer und habe es auch schon seit Jahrtausenden gegeben, relativierte hingegen Paulus.
Tipps zur Gelsenabwehr
Unter dem extremen Leidensdruck greifen die Menschen zu unterschiedlichen Mitteln, um Gelsenstiche abzuwehren. Beliebt sind Repellents, die auf die Haut geschmiert werden. Die meisten schützen gut bis sehr gut vor dämmerungs- und nachtaktiven Gelsen, zitierte der „Konsument“ (Mai-Ausgabe) einen Test. Die aggressiveren tagaktiven Gelsen aber werden nur von jedem zweiten bis dritten untersuchten Produkt vertrieben. Alle Erzeugnisse enthalten die Augen und Schleimhäute reizende Wirkstoffe und sollten daher nicht täglich aufgetragen werden mehr dazu in oesterreich.ORF.at.
Die Insekten landen gern auf dunkler Kleidung und stechen leichter durch eng anliegende Stoffe. Im Freien solle man daher weite, feste und helle Textilien tragen, empfiehlt der „Konsument“. Feinmaschige Fliegengitter und Moskitonetze halten Gelsen fern. Wenig bis gar nichts bringen hingegen ätherische Öle, Ultraschallgeräte, Gartenfackeln und Hausmittel wie Paradeiser und Basilikum. Die Einnahme von Vitamin B1 sei ebenso ein Mythos wie Knoblauchessen und Alkoholtrinken, so der „Konsument“. Auch das Licht abzudrehen hilft wenig: Gelsen orientieren sich an Körperdüften und dem Kohlendioxidanstieg durch die Atemluft.
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