Die Inventur der Kafka-Manuskripte
Neben Tausenden Manuskripten, Briefen und Zeichnungen von Franz Kafka sind nach Angaben der israelischen Tageszeitung „Haaretz“ bei der Öffnung von vier Schließfächern bisher unveröffentlichte Werke des Autors entdeckt worden. Worum es sich beim Inhalt des Schweizer Banksafes im Detail handelt, darf aufgrund einer Verfügung der Erben nicht veröffentlicht werden.
Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.
Der finanzielle Wert des bisher streng gehüteten Kafka-Nachlasses dürfte sich auf mehrere Hunderttausend Euro belaufen. Die literarische Bedeutung ist noch um ein Vielfaches höher. Vom Inhalt der Briefe und Manuskripte erhofft man sich einen Einblick in das Leben des Literaten. Ein Team aus Wissenschaftlern und Anwälten soll nun eine Liste des Inhalts der Schließfächer erstellen, bevor der Streit um die wertvollen Dokumente in die nächste Runde geht.
Kafka hatte vor seinem Tod 1924 seinen Freund und Förderer Max Brod gebeten, seine Werke zu verbrennen. Brod ignorierte diese Bitte jedoch und brachte die Bücher zur Veröffentlichung. Kafka erlangte daraufhin Weltruhm. 1939 musste Brod vor den Nationalsozialisten aus Prag fliehen und emigrierte mit seiner Frau nach Palästina. Kafkas Werke hatte er in einem Koffer dabei.
Millionenschwerer „Prozess“
Nach Brods Tod 1968 ging der Nachlass mit vielen Kafka-Texten an seine ehemalige Sekretärin Ilse Hoffe. Sie verkaufte einen Teil der Texte, darunter 1988 das Romanmanuskript „Der Prozess“ für etwa zwei Millionen Dollar, einen anderen Teil bewahrte sie in Safes in Israel und der Schweiz auf. Nach ihrem Tod vor zwei Jahren im Alter von 101 Jahren vererbte sie den Brod-Nachlass an ihre Töchter Ruth und Hava. Beide sind Holocaust-Überlebende und heute etwa 80 Jahre alt.
Die israelische Nationalbibliothek kämpft vor dem Bezirksgericht in Tel Aviv um die Rechte am Nachlass von Brod und damit auch an unbekannten Kafka-Texten. Es soll verhindert werden, dass die Hoffe-Schwestern die Texte ins Ausland verkaufen. Seit Israel die Erbschaft der beiden anfocht, ist den Schwestern jeder Zugang zum Nachlass ihrer Mutter versperrt: zum Brod-Archiv, zu den Kafka-Handschriften genauso wie zu Schmuck und Bargeld.
Die Inventarliste der Schließfächer soll laut der „Neuen Zürcher Zeitung“ („NZZ“) von der emeritierten israelischen Literaturprofessorin Itta Shedletzky erstellt werden. Begleitet wird sie von einem Spezialisten für Beschaffenheit, Säuregehalt und Konservierung von Papier. Die Erkenntnisse der Wissenschaftler sollen schließlich dem Tel Aviver Gericht vorgelegt werden, das darauf basierend entscheiden soll, wem die Dokumente gehören.
Bücher, Briefe und Partituren gestohlen
In den letzten Monaten häuften sich auch die Vorkommnisse rund um das Erbe. Erst im Mai wurde bekannt, dass bereits mehrmals in die Wohnung von Hava Hoffe eingebrochen wurde. Vor Gericht gab Hoffe an, bei dem letzten Einbruch seien Bücher, Briefe und Partituren gestohlen worden, wie „Haaretz“ berichtete. Sie wisse allerdings nicht genau, was entwendet worden sei. Nach Angaben des Anwalts Uri Zfat handelt es sich vor allem um Briefe der Mutter. Alle wirklich wertvollen Dokumente seien ohnehin nicht in der Wohnung, sondern in Safes.
Der Anwalt der Nationalbibliothek, Meir Heller, befürchtet hingegen, es könnten wertvolle Dinge aus der Wohnung verschwunden sein. „Es ist verantwortungslos, dass Frau Hoffe bisher den Zugang zu der Wohnung verweigert hat“, sagte Heller. Er bezeichnete es zudem als „merkwürdig“, dass die angeblichen Einbrüche ausgerechnet zu einem Zeitpunkt passierten, als das Anwaltsteam Hoffes vor Gericht Rückschläge zu verzeichnen gehabt habe. „Wir erwarten, dass die Polizei klärt, was dort genau vorgefallen ist“, sagte er.
Links: