Lissabon lotet Chancen in Afrika aus
Selbst schwer von der Finanz- und Wirtschaftskrise getroffen, setzt Portugal seine Hoffnungen für die Zukunft anscheinend auf seine ehemaligen Kolonien. In Brasilien etwa sind portugiesische Unternehmen bereits lange aktiv, im südwestafrikanischen Angola sind sie dabei, den Fuß in die Tür zu setzen.
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Die Chancen, dass sich das Schielen nach Afrika am Ende rechnet, stehen gut: Angola wies laut dem African Economic Outlook der Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OEZD) in den letzten Jahren zweistellige Wachstumsraten aus, während sich EU und USA gerade wieder mühsam aus der Rezession kämpften. Portugal selbst war in der Krise kräftig unter die Räder geraten. Das Haushaltsdefizit lag im Vorjahr bei fast zehn Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP), heuer soll die portugiesische Wirtschaft um 0,9 Prozent wachsen.
Suche nach Alternativen
Bei den EU-Handelspartnern, allen voran Spanien, Frankreich und Deutschland, sehen die Wachstumsperspektiven ebenfalls nicht gerade rosig aus. Lissabon sieht sich also nach Alternativen um: Laut „New York Times“ („NYT“) ist Angola mittlerweile Portugals wichtigster Handelspartner außerhalb Europas. Portugal exportiert Metalle, Maschinen, Lebensmittel und Getränke nach Angola. Im Vorjahr machte das Geschäft mit der afrikanischen Ex-Kolonie bereits sieben Prozent der portugiesischen Gesamtexporte aus, so die US-Tageszeitung.

Google Maps, ORF.at (Montage)
Staat mit rund 13 Mio. Einwohnern an der Westküste Afrikas.
Um die neuen Bande mit der ehemaligen Kolonie zu festigen, besuchte Portugals Präsident Anibal Cavaco Silva am vergangenen Wochenende erstmals die angolanische Hauptstadt Luanda. Begleitet wurde er von einer 80-köpfigen Wirtschaftsdelegation. Das heute rund 13 Mio. Einwohner zählende Land ist seit 1975 von Portugal unabhängig. Im Vorfeld der Reise hatte Lissabon das „ausgezeichnete“ Verhältnis zu Angola gelobt, das „noch nie so gut“ gewesen sei wie heute.
Konkurrenz durch China
Portugal habe seinen Fokus von Brasilien nach Angola verlagert, analysierte die „NYT“, da auf dem südamerikanischen Markt die heimische Konkurrenz bereits sehr groß sei. Konkurrenz hat Lissabon auch in Afrika, wenn auch nicht von lokaler Seite. Vor allem China versucht, in dem Land ebenfalls wirtschaftlich Fuß zu fassen. In Sachen finanzielle Ressourcen kann Portugal mit der Volksrepublik kaum mit. Allerdings hätten die Portugiesen einen Vorteil, zitierte die „NYT“ einen portugiesischen Unternehmensberater mit Sitz in Luanda: „Wir haben dieselbe Sprache und sicher mehr kulturelle Gemeinsamkeiten mit den Angolanern als die Chinesen und andere.“
Ganz ähnlich sah das zuletzt der US-Botschafter in Portugal, Alan J. Katz, gegenüber der „FT“: „Portugal hat durch die Sprache, direkte Transportanbindungen, rechtliche Gemeinsamkeiten und lange bestehende wirtschaftliche Verbindungen ein enges und produktives Verhältnis zum lusophonen (portugiesischsprachigen, Anm.) Afrika.“ Das Land verfüge damit über eine „einzigartige Position als Tor für Unternehmen, die auf diesen Märkten größere Geschäfte machen wollen“.
Keine Spur von Krise
Chancen dafür gibt es im wirtschaftlich boomenden Angola genug: portugiesische Banken, Maschinen-, Lebensmittel- und Getränkeproduzenten und Dienstleister gründen immer neue Niederlassungen. Laut „FT“ investiert der portugiesische Getränkeriese Unicer 100 Mio. Euro in eine Brauerei in Luanda. Angola sei mittlerweile auch der größte Überseemarkt für portugiesischen Wein.
Während Portugal mit einem Haushaltsminus von 9,4 Prozent (2009) kämpft, dürfte die angolanische Wirtschaft nach Einschätzung der Weltbank um zumindest 8,5 Prozent wachsen. In Mosambik, einer ebenfalls portugiesischsprachigen Ex-Kolonie, wuchs das Bruttoinlandsprodukt (BIP) 2008 um fast sieben, auf den Kapverden um fast sechs Prozent. Auch in diesen beiden Ländern stehen portugiesische Investoren mittlerweile Schlange.
Zurück in die Ex-Kolonie
Laut „NYT“ zogen im Vorjahr fast 25.000 Portugiesen nach Angola, nachdem es nach der Unabhängigkeit und dem darauf folgenden Bürgerkrieg zu einem Massenexodus von rund 700.000 Portugiesen gekommen war.
„In Portugal haben wir eine tiefe Rezession, während hier der Bankensektor eine fabelhafte Entwicklung durchläuft", also hat es sehr viel Sinn gehabt, unser Geschäft nach Angola zu verlagern“, zitierte die US-Tageszeitung einen Projektmanager eines portugiesischen Entwicklers von Banken-Software. „Wenn sie sich die Arbeitslosigkeit in Portugal ansehen, glaube ich, dass viele Leute bereit wären, für einen guten Job hierherzukommen.“
Angolaner investieren in Portugal
Die wirtschaftlichen Interessen gehen allerdings nicht nur in eine Richtung: Laut „NYT“ besitzen mittlerweile Angolaner bedeutende Anteile an portugiesischen Banken und anderen Unternehmen, etwa auf dem Energiesektor. Zumeist kämen die aus dem Umfeld von Angolas Langzeitpräsidenten Jose Eduardo dos Santos, der das Land seit 1979 regiert.
Basis des wirtschaftlichen Aufschwungs Angolas ist sein Rohstoffreichtum. Das Land, das an Namibia, Sambia, die Republik Kongo und die Demokratische Republik Kongo grenzt, verfügt über bedeutende Reserven an Erdöl, Diamanten und anderen Bodenschätzen wie Uran. 2008 verdrängte Angola Nigeria vom Platz eins unter den afrikanischen Erdölproduzenten.
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