Vom Suchen und Finden des Selbst
Die 17-jährige Mati (Sophie Stockinger) hat nicht die geringste Lust, Mädchen zu sein. Zumindest nicht, wenn das bedeutet, lieb und brav zu sein, nicht zurückzureden, die Augen zu senken, sich von Kleidern einengen zu lassen. Für Mati passen die Vorgaben nicht, die ihre Umgebung an eine heranwachsende Frau stellt. Sie verbringt lieber Zeit mit den Burschen in ihrem Alter - auf dem Motocrossbike - und bremst alle anderen dabei aus.
Lieber Moped als rosa Kleid
Das Kleid, das ihre Mutter (Kathrin Resetarits) ihr für die Maturafeier ausgesucht hat, findet sie blöd. Stattdessen zieht sie die Motorradmontur an und schikaniert mit ihrer Mopedgang die Mädchen mit den langen blonden Haaren. Und als ihr bester Freund irgendwann einmal zu ihr sagt, er würde gern mit ihr zusammen sein, „nicht nur so, sondern richtig“, da empfindet sie das als Verrat. Sie war doch eine von ihnen, eine von den Starken. Wenn Mädchensein Opfersein bedeutet, warum sollte das jemand wollen?
NGF/La Banda
Regisseurin Mückstein erkundet in „L’Animale", der im Rahmen des ORF-Film/Fernseh-Abkommens unterstützt wurde, unterschiedliche Anforderungen ans Frausein, am Beispiel einer Person, die sich diesen Anforderungen widersetzt. Das ist oft schmerzlich: Wenn Mati ihre Mitschülerin beschimpft, ist es, als würde sie auf ihre eigene Weiblichkeit spucken. Wie ist dieser Konflikt zu lösen? Andere Formen von Weiblichkeit erlebt Mati kaum. Ihre Mutter ist zwar als Tierärztin beruflich autonom, belügt sich aber in ihrer eigenen Partnerschaft selbst.
An der Schwelle zur Verantwortung
Wie funktioniert Begehren, wenn es sich nicht an den Normen orientiert? Wie wird nonkonformes Verhalten sanktioniert? Und zwar nicht nur bei der 17-jährigen Mati, die nicht ins rosa Korsett passt: Mückstein erweitert ihre Untersuchung auch auf die Burschen- und Männerfiguren, die Erwartungen entsprechen müssen. Was ist mit dem Vater, der weicher ist, als es seine Ehefrau vermutet? Was mit Matis Freund, der glaubt, mit ihr rau umgehen zu müssen, um als echter Mann durchzugehen, und dadurch ihre Freundschaft verliert?
Filmhinweis
„L’Animale“ wird bei der Diagonale am 14. März um 21.15 Uhr im KIZ Royal und am 17. März um 11.00 Uhr im Schubertkino 1 gezeigt.
Der Film startet am 16. März österreichweit in den Kinos.
Es ist, wie Mückstein im Gespräch mit ORF.at anmerkt, der dritte Film innerhalb kurzer Zeit, in dem eine Regisseurin sich mit einer 17-jährigen Protagonistin auseinandersetzt. Auch in Barbara Alberts „Licht“ ist die Heldin 17 Jahre alt, lernt sehen, um dann wieder zu erblinden. Monja Arts Debüt „Siebzehn“, das vor einem Jahr bei der Diagonale Premiere feierte, berichtet ebenfalls von einem Mädchen, das auf dem Land aufwächst und in ihre Identität hineinfindet.
Zerbrechlichkeit und Kraft
Mati wird von Stockinger dargestellt, die schon in Mücksteins erstem Film „Talea“ die Hauptrolle spielte, damals ein 14-jähriges Mädchen, das seine frisch aus dem Gefängnis entlassene Mutter (Nina Proll) umwirbt. „Sophie hat unglaubliche körperliche Präsenz und zugleich große Zerbrechlichkeit“, sagt Mückstein. „Ich wollte noch einmal einen Film mit ihr drehen, bevor sie erwachsen wird.“
In „L’Animale“ ist Sophie Stockinger nun das leuchtende Zentrum eines Ensemblefilms, in dem in Wahrheit alle Figuren an ihrer Selbstwerdung zu arbeiten haben. „Der Film wird oft als Coming-of-Age-Drama bezeichnet, was ich als einschränkend empfinde“, sagt Mückstein, „weil die Themen, die da verhandelt werden, eigentlich Menschen in allen Lebensphasen immer wieder beschäftigen. Das sind Fragen der Identität, und dass man die eigene Identität immer wieder neu definieren oder formen muss und darf.“
Magdalena Miedl, für ORF.at