BF 2016 Hamlet Rezension

APA/Dietmar Stiplovsek

„Hamlet“ oder Die Rückkehr des Jedi-Ritters

Shakespeare plus Belcanto – das stellt man sich spontan so bekömmlich vor wie Austern auf Sugo. Gar so schlimm kommt es aber nicht! Dem Komponisten Franco Faccio ist zu Shakespeares Drama „Hamlet“ eine überaus gefällige Musik eingefallen, Paolo Carignani dirigiert sie mit Schwung und einem feinen Ohr für Farbakzente, und Regisseur Olivier Tambosi schlägt eine klare Schneise durch das Drama. Das garantiert vor allem eins: Es bleibt unterhaltsam bis zur letzten Minute.

Ein Walzer, ein Trauermarsch, ein gruseliger Sound aus dem Jenseits – das alles klingt, als wär’s ein Stück von Verdi. Was nicht weiter verwundert, schrieb doch der “Hamlet“- Librettist Arrigo Boito so manches Buch auch für den Großmeister der italienischen Oper – und Faccio dirigierte dann die Uraufführung.

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Kritiker zur „Hamlet“-Premiere

Zu sehen: Eleonore Büning (FAZ), Reinma Wagner (Musik und Theater), Markus Thiel (Münchner Merkur),Jean Marcel Humbert (Forum Opéra); Beitrag von Ingrid Bertel

Faccio und Boito standen also in einem Naheverhältnis zu Verdi, als sie mit „Hamlet“ ihre ganz eigene Handschrift entwickeln wollten. Die sollte das alte Schema der Nummernrevue auflösen durch Rezitative mit Orchesterbegleitung; sie sollte psychologisch überzeugen mit einem gleichsam schauspielerischen Stil, allerdings mit extremen Stimmungs- und Registerwechseln und einer Prise Leitmotiv-Technik nach Art Richard Wagners.

Hollywood lässt grüßen

Doch was bei der Uraufführung 1865 noch neu wirken mochte, klingt heute wie ein bunter Strauß von Schlagermelodien. Dabei ist Faccio ein Mann der einprägsamen, stimmlich anspruchsvollen Motive. Bravourös gemeistert werden sie von Hamlet (Pavel Cernoch), Ofelia (Julia Maria Dan) und dem Königspaar (Dshamilja Kaiser und Claudio Sgura).

BF 2016 Hamlet Rezension

APA/Dietmar Stiplovsek

Pavel Černoch als Hamlet, Dshamilja Kaiser als Gertrude

Aus der Ferne tönt Bühnenmusik, die dann im Orchestergraben übernommen wird – und macht klar, dass diese Inszenierung ohne viel technischen Aufwand nicht zu realisieren wäre. Ausstatterin Gesine Völlm zitiert in den Kostümen Schnittmuster der Renaissance, greift ansonsten aber tief in den Fundus von Hollywood. Der Geist des Vaters kommt als Jedi-Ritter daher, dem nur das Laserschwert noch fehlt; das Volk erscheint als Muliplikation von Tim Burtons „Beetlejuice“, die Totengräber zitieren den „Fluch der Karibik“, und Hamlet schmiert sich vor dem Schminkspiegel eine Andeutung des bösen Joker aus „The Dark Knight“ ins Gesicht.

Theater im Theater

Den Schminkspiegel baut Bühnenbildner Frank Phillip Schlößmann dann in Serie auf, setzt die Drehbühne in Bewegung, spielt mit Diagonale und Spiegelung (wofür er auch einen speziellen Boden einsetzt). Sein „leerer“ Bühnenraum ist von einem doppelten, von Glühlämpchen umkränzten Vaudeville-Portal gerahmt, und einmal schiebt sich drohend ein Fels in die Szene – Menetekel für das mörderische Tun, dem die gesamte Königsfamilie zum Opfer fällt.

Regisseur Olivier Tambosi scheint davon auszugehen, dass die Komplexität von Shakespeares Drama sich grundsätzlich nicht mit italienischer Oper verträgt, und inszeniert deshalb ein Theater im Theater. Zu Beginn liegt Hamlet am Boden, begraben unter Batterien von Scheinwerfern; als er sich erhebt, verkündet er sogleich, er werde von nun an den Verrückten spielen; sodann inszeniert er das Geschehen in der eigenen Familie (der Vater wurde von seinem eigenen Bruder, dem Geliebten der Mutter ermordet) als Schauspiel mit einer eigens angeheuerten Truppe. Das alles ist schlüssig und entspricht auch durchaus dem Shakespeare’schen „Hamlet“.

Hübsche Bilder und angenehme Musik

Problematisch wird es, als das Spiel in Ernst umschlägt. Das musikalisch so oft zitierte Spiegelmotiv – etwa wenn die rasante Tanzmusik des Beginns in der dramatischen Szene zwischen Hamlet und der Königin erklingt – bleibt bei Tambosi ohne Echo. Der gespielte Wahnsinn Hamlets ist vom echten Wahnsinn der Ofelia nicht zu unterscheiden.

Das spricht nicht gegen den fulminanten Pavel Cernoch (Hamlet), dessen Tenor mühelos die schwierigsten Registerwechsel meistert. Es spricht auch nicht gegen den zarten Sopran von Julia Maria Dan (Ofelia), den Faccio in einen leuchtenden Kontrast zur Königin (atemberaubend: Dshamilja Kaiser) setzt. Es spricht aber gegen das Regiekonzept von Olivier Tambosi, der einfach nur ratlos erscheint.

Hinweis

„Hamlet“ ist noch am Montag und Donnerstag jeweils um 19.30 Uhr im Bregenzer Festspielhaus zu sehen.

Sein „Hamlet“ ist weder ein Rachedrama noch eins um Selbstzweifel, es ist kein politisches Stück und kein psychologisches. Es bleibt bei hübschen Bildern zu angenehmer Musik. Am Ende gibt es ein imposantes Schlusstableau, wenn Hamlet zu ebener Erd und auf den Tischen seine Fechtkünste demonstriert – bis alle am Boden liegen. Der Rest Schweigen.

Ingrid Bertel, ORF Vorarlberg

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