Wopmann: „Der Oberwahnsinnige“
Alfred Wopmann wird am 23. November 1936 in Wels als Sohn eines Lehrers geboren. Kindheit und Jugend verbringt er im 19. Wiener Bezirk, nicht weit von der Wirkstätte Ludwig van Beethovens. An der Akademie für Musik und darstellende Kunst studiert Wopmann Violine, ab 1959 ist er Orchestermusiker an der Wiener Staatsoper und bei den Wiener Symphonikern. Dort entdeckt er seine Liebe zum Regiefach.
„War leicht verzweifelt, als die Wahl auf mich fiel“
Als Regieassistent bei „Die Irrfahrten des Odysseus" und „Eine Nacht in Venedig“ kommt Wopmann 1965 erstmals mit den Bregenzer Festspielen in Berührung. 1972 tritt er erstmals als Regisseur in Erscheinung: In Dortmund inszeniert er den „Besuch der alten Dame“ von Gottfried von Einem. Es bedarf dazu der Unterstützung des Komponisten, der im selben Haus wie Wopmann wohnt. Es folgen zahlreiche Regiearbeiten in Europa und den USA.
Alfred Wopmanns Lebensreise
Nach zwanzig Jahren gab Alfred Wopmann 2003 die Intendanz der Bregenzer Festspiele an David Pountney ab. Der Musiker, Regisseur und Intendant blickt auf seine Laufbahn im Kulturmanagement zurück.
Mitte 1982 wird Wopmann zum Intendanten der Bregenzer Festspiele bestellt. Dort tritt er die Nachfolge von Ernst Bär an, der die Geschicke der Festspiele seit 1952 leitete. Wopmann selbst wird von der Entscheidung überrascht: „Ich war auch leicht verzweifelt, als die Wahl auf mich fiel“, erinnert er sich später. Die Größe der vor ihm liegenden Aufgabe scheint Eindruck auf ihn zu machen.
Alfons: „Wir waren wahnsinnig“
Wopmanns erster großer Erfolg wird Mozarts „Die Zauberflöte“. Die Produktion gestaltet sich wegen der technisch anspruchsvollen Bühne schwierig, das Budget beträgt das Sechsfache früherer Produktionen. Den Beteiligten ist klar, dass sie ihre Karriere aufs Spiel setzen. „Ich denke, man kann sagen, wir waren wahnsinnig ... wahnsinnig, weil wir uns selbst ‚riskiert‘ haben“, schreibt Gerd Alfons, langjähriger technischer Direktor der Festspiele, rückblickend. Und der „Oberwahnsinnige“ sei Wopmann gewesen.
Die „Zauberflöte“ wird 1985 ein Triumph bei Publikum und Kritik. Gleichzeitig leitet die Inszenierung von Jérôme Savary den Übergang von den leichten Operetten, die das Spiel auf dem See lange Jahre dominierten, in Richtungen anspruchsvoller und zeitgeistiger Operninszenierungen ein - die aber aufgrund ihrer visuellen Umsetzung auch für die breite Masse zugänglich sind. Der Begriff, der sich später dafür einbürgert, ist die „Bregenzer Dramaturgie“.
Die Macht des Visuellen
Besondere Bedeutung kommt dabei dem visuellen Element zu. Im Zentrum stehen allgemein lesbare, symbolisch überhöhte Bühnenskulpturen, "welche als ‚innere Bilder‘ optisch-emotional das Sinnganze eines Stückes so ausdrücken, dass sie den Zuschauer vom Sehen zum ‚Einsehen‘ und damit zum unmittelbaren Verständnis der Handlung führen“, sagt Wopmann in einem Interview.

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Zum Abschluss ließ Wopmann in der „West Side Story“ einen Wolkenkratzer im Bodensee versinken
Die Seebühne, die ohne Vorhang auskommen muss, zwinge dabei zur „Verwesentlichung, weil ein symbolhaftes Bild mit mehreren Grundelementen für ein Stück stehen muss.“ Ein solches Beispiel ist der Gefangenenchor nahe des Zuschauerbereiches in der Bregenzer Inszenierung von Giuseppe Verdis „Nabucco“. Während seiner 20 Jahre an der Spitze der Bregenzer Festspiele entstehen noch viele weitere dieser imposanten Bilder: Das fragmentarische Schiff als Seelengefängnis in Richard Wagners „Der fliegende Holländer“ zum Beispiel - oder der Tod als riesiges Skelett, das in Verdis „Maskenball“ im Buch des Lebens blättert.
Riecher für Themen der Zeit
Nicht nur sein Sinn für das Spezifische der Bregenzer Seebühne zeichnet Wopmann aus. Der Wiener hat auch ein besonderes Gespür für drängende Gegenwartsthemen - und den Mut, sie auf der Bühne entsprechend umzusetzen. Das zeigt sich nicht nur beim Spiel auf dem See: Ab 1988 nutzt Wopmann die Bühne im Festspielhaus gezielt, um Opernraritäten in modernen Inszenierungen aufzuführen.
Den Auftakt macht 1988 „Samson et Dalila“, es folgen „La Wally“ und „Mazeppa“. Dabei beweist Wopmann oft einen magischen Riecher für die Erfordernisse der Zeit, meint Gerd Alfons: „Das habe ich bewundert, wie Alfred Wopmann einen Riecher haben konnte, um Ende der achtziger Jahre zu sagen, in zwei Jahren müssen wir Mazeppa spielen, denn in den dreißiger Jahren gab es so viele Straßenkinder in Russland und das wird wiederkommen.“
Triumphaler Abschied
In der Spielzeit 2003/2004 verabschiedet sich Wopmann von den Bregenzer Festspielen mit einer Inszenierung des Musicals „West Side Story“ von Leonard Bernstein. Auf der Bühne: Ein riesiger Wolkenkratzer, der im Bodensee versinkt, als Symbol des Kapitalismus. Das Musical wird zum größten Publikumserfolg der Ära Wopmann. Nach seinem Abschied bleibt Wopmann der Musik- und Theaterwelt erhalten: Seit 2004 sitzt er im Präsidium der Wiener Symphoniker, 2005 wird er Vorstandsvorsitzender der Theaterholding Graz.
Markus Sturn, vorarlberg.ORF.at
Links:
- Wie die Bregenzer Festspiele die Ernsthaftigkeit lernten (ORF.at, 14.7.2016)
- Meilensteine aus 70 Jahren Bregenzer Festspiele (ORF.at, 14.7.2016)
- Bregenzer Festspiele