Szene aus "Three Billboards Outside Ebbing, Missouri"

2017 Twentieth Century Fox

Die einsame Rächerin

Eine Frau verlangt Gerechtigkeit für den Mord an ihrer Tochter, wird von den Behörden zuerst ignoriert, dann gedemütigt und wehrt sich: „Three Billboards Outside Ebbing, Missouri“ ist ein fulminanter Film voll finsterem Humor, der von Toronto bis San Sebastian bei Festivals die Publikumspreise abräumte – und nun bei der Viennale begeistert. Und es ist ein Film, der Mut macht. In der Hauptrolle glänzt Frances McDormand.

Drei Plakatwände stehen entlang der Ausfallstraße, die an der Kleinstadt Ebbing vorbeiführt, und geben der Krimikomödie „Three Billboards Outside Ebbing, Missouri“ den Titel. Kaum jemand benutzt diese Straße, bis auf jene, die da wohnen. Das sind unter anderen Mildred Hayes (gespielt von McDormand), ihr Sohn und bis vor sieben Monaten ihre Tochter Angela. Jahrzehntelang hat niemand diese Plakatwände gebucht. Und jetzt lässt Mrs. Hayes plakatieren, auf flammendrotem Grund: „Vergewaltigt während des Sterbens. Und immer noch keine Verhaftung? Wie kommt das, Chief Willoughby?“

Filmhinweis

„Three Billboards Outside Ebbing, Missouri“ ist auf der Viennale noch am 27. Oktober um 13.00 Uhr im Gartenbaukino zu sehen. Österreichweiter Kinostart ist am 28. Jänner 2018.

Das lange Warten auf Gerechtigkeit

Sieben Monate ist es her, dass die verkohlte Leiche von Mildreds Teenagertochter Angela gefunden wurde. Sieben Monate, und keine Spur von einem Täter. Offenbar sind die Mordermittlungen längst versandet, doch Mildreds Trauer und Zorn sind nur gewachsen. Die Plakate sollen die Polizei motivieren, endlich ihre Arbeit zu tun, aber stattdessen bringen sie die ganze Stadt gegen Mildred auf.

Szene aus "Three Billboards Outside Ebbing, Missouri"

2017 Twentieth Century Fox

„Lady, packen Sie Ihre Schilder weg!“ Chief Willoughby (Harrelson) ist unzufrieden.

Kann die nicht still trauern? Warum lässt sie die Sache nicht auf sich beruhen? Weiß sie denn nicht, dass der beliebte Chief William Willoughby (Woody Harrelson) eigene Probleme hat, für die er seine ganze Kraft braucht? „Die Plakate wären wesentlich weniger effektiv nach seinem Tod“, merkt Mildred dazu trocken an. „Three Billboards“ ist ein Film, der ganz still beginnt, und dessen Heldin mit dem Charisma und der Coolness einer Westernikone ihren Kampf um Gerechtigkeit aufnimmt - und die mit zunehmender Brutalität beginnt, Rache einzufordern.

Diese Frau ist Prügel gewöhnt

Doch für eine Frau liegt die Sache etwas anders als für John Wayne (der McDormand als Vorbild diente), erst recht für eine alleinstehende Frau, deren Ex-Mann Charlie (John Hughes) inzwischen lieber mit 19-Jährigen schläft, anstatt seiner Familie beizustehen. Charlie ist einer, der sofort handgreiflich wird. Und wie grauenvoll normal das für Mildred und ihren Sohn ist, wird in einer wortlosen Szene deutlich, als nach einem Moment der Fast-Eskalation alle drei die umgeworfenen Küchenmöbel routiniert wieder an ihren Platz zurückstellen.

Szene aus "Three Billboards Outside Ebbing, Missouri"

2017 Twentieth Century Fox

Schwarze verprügelt Officer Dixon (Sam Rockwell) am liebsten

Außerdem ist Chief Willoughbys eifrigster Mitarbeiter Officer Jason Dixon (Sam Rockwell) ein derart rassistisch beschränkter Polizist, dass seine Ermittlungen meistens ohnehin nur eine Ausrede sind, um wieder einmal Schwarze einzusperren, notfalls wegen zwei Joints. „Wann wirfst du ihn endlich raus?“, fragt einer den Chief, und der antwortet: „Würden wir alle rassistischen Cops rauswerfen, blieben nur drei übrig. Und die hassen Schwule.“

Frances McDormand ist pure Freude

Vielleicht sind einige Wendungen im Film zu glatt, vielleicht ist das Drehbuch an manchen Stellen doch zu romanhaft. Aber das macht nichts, denn „Three Billboards“ ist dermaßen glänzend geschrieben und sorgfältig inszeniert, dass jede Unglaubwürdigkeit glücklich hingenommen wird. Das liegt auch an der schauspielerischen Wucht von McDormand, der sich 115 Minuten lang anzuvertrauen, pure Freude bedeutet.

Szene aus "Three Billboards Outside Ebbing, Missouri"

2017 Twentieth Century Fox

Rollenvorbild John Wayne: Niemand rächt schöner als Frances McDormand

Regisseur Martin McDonagh, der 2012 mit „Seven Psychos“ einen albern konstruierten Thriller über einen Drehbuchautor und sieben mordende Psychopathen geschrieben und inszeniert hatte, gelingt diesmal ein Wurf. Sein „Three Billboards“ ist ganz vieles: ein lakonischer Western - vor allem - und ein klarsichtiger Film über das amerikanische Dasein in einem „Flyover Country“, wie die Staaten zwischen Ost- und Westküste von den Küstenbewohnern gern zynisch genannt werden, weil dort kein Mensch freiwillig aus dem Flugzeug steigt.

Dieser Film macht Mut

Es ist aber auch ein Liebesfilm, ein Film über Respekt, in dem Männer heulen dürfen, und einer darüber, dass - verdammt noch einmal - Gewalt an Frauen ernst zu nehmen ist. Es ist ein wilder, witziger, bösartiger und streckenweise überwältigend zärtlicher Film, der Lust macht, gemeinsam mit dieser westernhaften Mildred Hayes das Patriarchat einzureißen. Ob es dabei Tote geben wird, überlegt sie sich dann unterwegs.

Magdalena Miedl, für ORF.at

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