Der Tod des Soldaten
Als der Vietnamveteran Larry „Doc“ Sheperd (Steve Carell) im Jahr 2003 erfährt, dass sein Sohn im Irakkrieg gestorben ist, steht er vor den Trümmern seiner einst heilen Welt - ein weiterer, schwerer Schicksalsschlag nach dem Verlust seiner an Krebs erkrankten Frau. Gebrochen sucht er nach langer Zeit seine ehemaligen Kameraden Sal Nealon (Bryan Cranston) und den Reverend Richard Mueller (Laurence Fishburne) auf und bittet sie, ihm bei der Beerdigung seines Sohnes auf dem Arlington National Cementary beizustehen. Während Richard nach dem Krieg in Vietnam zu Gott gefunden hat und Priester wurde, sucht Sal im Alkohol nach Erlösung. So macht sich das ungleiche Trio auf den Weg, den gefallenen Sohn auf seinem letzten Weg zu begleiten.
Kein Soldatenbegräbnis
Als „Doc“ jedoch erfährt, dass sein Sohn nicht – wie vom Militär behauptet - heldenhaft im Kampf gefallen ist, sondern von hinten erschossen wurde, während er in einem Laden für seine Truppe Limonade kaufen wollte, fühlt er sich vom Militär betrogen und beschließt, seinen Sohn nicht auf dem Soldatenfriedhof Arlington, sondern in seiner Heimatstadt, in ziviler Kleidung, zu beerdigen. Aber für Colonel Willits (Yul Vazquez) ist es unvorstellbar, einem gefallenen Marine die letzte gebührende Ehre zu verweigern, da würde er lieber die Übergabe des Sarges an den Vater verhindern.

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Sal (Bryan Cranston), „Doc“ (Steve Carell) und Reverend Richard (Laurence Fishburne)
Feste Routinen geben vermeintliche Sicherheit mit unerträglichen Situationen umzugehen: Der feierliche Gleichschritt der Militärs, die Präzision der Bewegungen und Abläufe, starre Protokolle sollen eine Stütze bieten. Linklater setzt dies in exakte Bildkompositionen um, die in ihrer ruhigen Art durchaus stimmig wirken. Und so startet eine ans Absurde grenzende Reise der drei Protagonisten – changierend zwischen Trauer, alten Erinnerungen und der Frage nach Heldentum.
Narren sagen die Wahrheit
Dabei kommt Sal seine Rolle des desillusionierten Atheisten und vom Militär enttäuschten Zynikers zugute, die es ihm erlaubt, die gutgemeinten, aufmunternden Worte der offiziellen Vertreter der US-Regierung („Er starb für sein Land“) und des Klerus („Er ist nun an einem besseren Ort“) schonungslos anzugreifen – der Narr, der ausspricht, was nicht gesagt werden darf.
Der Film zieht historische Parallelen: Dass auch 2003 bereits Geschichte ist, wird dem Publikum eher beiläufig vor Augen geführt, wenn auf Fernsehern im Hintergrund die Bilder der medizinischen Untersuchung Saddam Husseins laufen und Präsident Bush vom Kampf gegen den Terrorismus und über die Bedrohung durch Massenvernichtungswaffen spricht – der Widerhall aus 2003 klingt auch heute noch nach. „Besser, wir bekämpfen sie dort, als hier bei uns“ – diese Worte eines jungen Marines sind auch 2003 bereits älter als er selbst und kommen den Veteranen nur allzu bekannt vor.
Jedoch wird der tote Sohn im weiteren Verlauf des Films in seinem Sarg erneut zu einer „Einheit“, Verschiebemasse, deren Transport – so scheint es – des Öfteren verzögert werden muss, um den drei Charakteren Zeit zu geben, sich weiter zu entwickeln und sich in gemeinsamen Erinnerungen zu ergehen.
Dies gelingt jedoch nur stellenweise: Brian Cranston sorgt zwar für die Lacher, eine tiefsinnigere Figur vermag er jedoch nicht zu kreieren. Laurence Fishburn spielt seine Rolle durchaus überzeugend, wenn auch nicht ganz so sehr wie Steve Carell, dem es gelingt, einen vom Leben gebrochenen Mann zwischen Trauer und hysterischem Gelächter darzustellen.
Filmhinweis:
„Last Flag Flying“ ist auf der Viennale noch am 30. Oktober um 20.30 Uhr im Gartenbaukino zu sehen.
Buddy-Roadmovie oder Tragikomödie
Manche Aussagen der drei Veteranen klingen phrasenhaft, fast wie Plattitüden und oft fällt es nicht leicht zu entscheiden, ob Regisseur Linklater diese bewusst zitiert, um die gesellschaftliche Sprachlosigkeit in Bezug auf Krieg und Tod aufzuzeigen. Jedoch, wenn der gefallene Soldat am Ende – in Uniform - begraben wird, die den Sarg bedeckende US-Flagge dem trauernden Vater übergeben wird, so muss man feststellen, dass Linklater mit „Last Flag Flying“ ein unterhaltsamer Film gelungen ist, der sich jedoch nicht so recht entscheiden kann, was er denn nun eigentlich sein möchte: ein Buddy-Roadmovie oder doch ein Versuch, über den Weg der Komödie Krieg, Verlust und Trauma zu thematisieren.
Arne Sytelä, ORF.at
Links:
- Last Flag Flying (IMDb)
- Richard Linklater (Wikipedia)