La mort de Louis XIV.

Viennale

Der Sonnenkönig verlischt

Ein Kammerspiel rund um das Sterbebett Ludwigs XIV. hat Albert Serra in „La mort de Louis XIV“ inszeniert. Knapp zwei Stunden lang quält sich der große Jean-Pierre Leaud als Sonnenkönig mit seinem Wundbrand, bis er vor den Augen seiner zerstrittenen Ärzte und Höflinge endlich stirbt. Ein meisterliches Spiel aus Blicken und Gesten in einem erlesenen Dekor.

Für den Film waren Serra und sein Team wochenlang damit beschäftigt, einen Flügel des Barockschlosses Hautefort, im südwestfranzösischen Perigord gelegen, so herzurichten, als sei Hautefort Versailles. Keine leichte Aufgabe, erzählt der Katalane gegenüber ORF.at, denn der Trakt, der zum Sterbezimmer Ludwig XIV. ausstaffiert werden sollte, war vor Jahren abgebrannt und dann nüchtern saniert worden.

Königlich-prunkvolles Dekor

Nackter Beton überall, Serra aber wollte ein Dekor, das zwar königlich und prunkvoll, aber gleichzeitig nicht nach einer Theater- oder TV-Kulisse aussehen sollte. „Nachher hab ich dann Versailles besichtigt und mir gesagt: Das ist doch kein Dekor, das ist Disneyland. Das wahre Versailles ist das von mir.“

La mort de Louis XIV.

Viennale

Anfang eines langen Todeskampfs: Louis XIV. im Rollstuhl

Nun leidet Serra, der 2013 einen Goldenen Leoparden für seinen Film „Historia de la meva mort“ bekam, durchaus nicht an Größenwahn. Der gelernte Kunsthistoriker und Literaturwissenschaftler hat einfach ein gutes Händchen für Ausstattung. Und für die Besetzung seiner Rollen: ein Dutzend Doktoren und Höflinge, die meistens ratlos, jedenfalls aber respektvoll um das Bett des Sonnenkönigs herumstehen.

Albert Serra

Alexander Musik

Albert Serra im ORF.at-Interview: „Auch Leaud liegt meistens im Bett“

Darin liegt mit erdrückend dicker Perücke und allen Insignien der Macht Jean-Pierre Leaud, berühmt geworden einst durch seine Hauptrollen in Francois Truffauts Nouvelle-Vague-Produktionen. Seit Jahren hat der mittlerweile 72-Jährige nichts Großes mehr gespielt, bis heute weigert er sich, Rollen nur der Gage halber anzunehmen.

„Ich habe Jean-Pierre in Paris oft besucht“, erzählt Serra im Interview mit ORF.at, „aber immer unten im Haus, in der Bar, gewartet. Seine Wohnung habe ich nie gesehen. ‚Brigitte,‘ habe ich dann irgendwann zu seiner Frau gesagt, ‚du könntest doch dies Bett hier nach dem Dreh mitnehmen und bei euch aufstellen. Es ist ein gutes Bett, wir haben es extra bauen lassen.‘ Sie antwortete: ‚Wir haben leider keinen Platz dafür.‘"

Jean-Pierre Leaud, ein Star mit 40qm-Wohnung

Serra weiter: "Da habe ich erst kapiert, dass er in einer Einzimmerwohnung mit kleiner Küche wohnt. Wenn er nicht gerade arbeitet - also meistens, weil er nicht viele Filme macht - liegt er die ganze Zeit im Bett. Ein bisschen wie Marcel Proust. 40 Quadratmeter! Er hat eben kein Geld, weil er immer nur radikale Filme gemacht hat und nie Kompromisse.“ Auch während der Festivals gehe Leaud nicht in Restaurants, so Serra, sondern lässt sich das Essen ins Zimmer bringen und isst im Bett!

La mort de Louis XIV.

Viennale

Viele Ärzte laborieren am Wundbrand, doch heilen können sie ihn nicht

Das Ende des Sonnenkönigs ist also die ideale Rolle für Leaud, möchte man meinen. Doch aus dieser eingeschränkten Liegeposition heraus stehen ihm der physische Schmerz und die Bitterkeit des absolutistischen Herrschers, der nur noch mit Mühe ein Biscuit abbeißen und schlucken kann, ins Gesicht geschrieben. Jedes Wort ist eines zu viel, auch wenn die Ärzte untereinander viele machen. Aber eine Antwort auf die Krankheit – der Wundbrand verwandelt des Königs Bein in eine schwarze Masse – hat keiner von ihnen.

Filmhinweis

„La mort de Louis XIV“ läuft bei der Viennale am 26.10. um 11.00 Uhr im Metro-Kino.

Spiel aus Blicken und Gesten

Wieder spielen bei Serra Berufsschaupieler und Laien Seite an Seite. Manche hat er einfach in den Dörfern des Perigord, wo gedreht wurde, angesprochen. Serra suchte ausdrucksstarke, altmodische Gesichter. Er hat sie gefunden und in sein Spiel aus Blicken und Gesten integriert. Bis zum Schluss steht der König unter Beobachtung, und es ist nicht klar, wer wirklich trauert in seiner Entourage. All das spielt sich über fein ziselierte karge Dialoge in einer Art Vintage-Dekoration ab. Großes Kino eines Regisseurs mit viel Gespür für Komposition - und mit Intuition.

Alexander Musik, für ORF.at

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