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Debatte über Rolle der AfD

Unter dem Motto „Herz statt Hetze“ sind in Chemnitz mehrere tausend Menschen zusammengekommen, um ein Zeichen gegen Fremdenfeindlichkeit zu setzen. Ebenfalls Tausende Menschen kamen später zu einer Demo der rechtspopulistischen AfD, der PEGIDA und des rechtsgerichteten Bündnisses Pro Chemnitz.

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An der von einem breiten Bündnis getragenen Großdemonstration gegen Fremdenfeindlichkeit nahmen mehrere Spitzenpolitikerinnen und -politiker wie SPD-Vizechefin Manuela Schwesig, Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch und die Grünen-Vorsitzende Annalena Baerbock teil.

Die Polizei war mit einem Großaufgebot mit Einheiten aus ganz Deutschland im Einsatz. Insgesamt waren mehr als 1.800 Polizeikräfte auf der Straße. 18 Menschen wurden verletzt, unter ihnen befinden sich drei Polizeibeamte. Zuerst war von neun Personen die Rede gewesen. Zudem gab es mindestens 37 Straftaten wie Sachbeschädigungen und Körperverletzungen.

„Angriffe auf Demokratie“

Sie sehe mit „großer Sorge“, dass Rechtsradikale Stadt und Land in Geiselhaft nehmen wollten, sagte SPD-Vizechefin Schwesig. Deshalb müsse gegen „Hass, Hetze und Gewalt“ demonstriert werden. Die Grünen-Vorsitzende Baerbock mahnte, ein „Angriff auf Demokratie und Rechtsstaatlichkeit“ erfordere ein „Aufstehen der ganzen Gesellschaft“. Rechtsextreme seien aber nicht nur ein Problem in Chemnitz, sondern in ganz Deutschland.

Gewalt durch Rechtsextreme

In Chemnitz war vergangenes Wochenende ein 35-jähriger Deutscher getötet worden. Zwei Männer aus Syrien und dem Irak sitzen deswegen in U-Haft. Nach dem Tod kam es zu Demos, an denen sich auch gewaltbereite Rechtsextreme beteiligten. Dabei wurden auch Ausländer angegriffen. Bei erneuten Demonstrationen am Montag wurden bei Krawallen mehrere Menschen verletzt.

„Weder grau noch braun“

Die Chemnitzer Oberbürgermeisterin Barbara Ludwig (SPD) forderte, Hetzern „unsere Stärke und unsere demokratische Grundüberzeugung mit aller Kraft“ entgegenzusetzen. Die Stadt sei von den Ereignissen der vergangenen Tage „aufgewühlt“ und in einen Ausnahmezustand versetzt worden. Dass Chemnitz weder „grau noch braun“ sei, müsse jetzt in „Wort und Tat“ gezeigt werden. Ein Bündnis von Privatleuten, Unternehmen und Uniangehörigen aus Chemnitz hatte die Bewohner der Stadt unter dem Motto „Chemnitz ist weder grau noch braun“ zu mehr Engagement für ein friedliches Miteinander aufgerufen. In mehreren Tageszeitungen erschienen großformatige Anzeigen mit dem Aufruf. Chemnitz habe „seine guten Seiten und seine Probleme“, hieß es in dem Aufruf. Die Stadt könne aber nicht mit „Hass, Gewalt, Intoleranz und vor allem Wegschauen“ leben.

Demonstranten in Chemnitz

Reuters/Hannibal Hanschke

Eine breite Allianz gegen Rassismus ging am Nachmittag auf die Straße

Trauermarsch als Demo der Rechten

Mehrere tausend Anhänger der rechtspopulistischen AfD und des Bündnisses Pro Chemnitz zogen kurz danach weitgehend friedlich ebenfalls durch die Straßen von Chemnitz. Zu dem Protest hatte unter anderem der thüringische AfD-Chef Björn Höcke aufgerufen, der auch am Aufmarsch teilnahm. In einer Seitenstraße fuhr die Polizei Wasserwerfer und Räumpanzer auf. Die AfD wollte eigenen Angaben zufolge mit der Kundgebung des 35-Jährigen gedenken, der vor einer Woche in Chemnitz erstochen worden war.

Bei den Demos am Sonntag und Montag war es nicht nur zur ausländerfeindlichen Ausschreitungen gekommen - auch der verbotene Hitlergruß wurde mehrmals gezeigt. Die Ausschreitungen sorgten bundesweit für Empörung und Besorgnis. Polizei und Behörden wurde vorgeworfen, von den Ereignissen überfordert gewesen zu sein.

Ruf nach härterem Vorgehen gegen AfD

Politiker von Union, SPD und Grünen forderten unterdessen ein härteres Vorgehen gegen die AfD. Vertreter der Partei hätten die Ausschreitungen von Chemnitz nachträglich gebilligt, kritisierte Unionsfraktionschef Volker Kauder in der „Welt am Sonntag“. Das sei eine neue besorgniserregende Qualität. „Die AfD will unseren Staat angreifen.“ Kauder forderte zudem, das Finanzgebaren der AfD intensiv unter die Lupe zu nehmen. Es müsse herausgefunden werden, wer die Partei mit Millionen im Bundestagswahlkampf unterstützt habe.

SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil warf AfD-Politikern bei der Gegenkundgebung in Chemnitz vor, die Gesellschaft mit Hass und Hetze zu spalten. „Diese Nähe, die ja zum Rechtsextremismus da ist, die ist offensichtlich, und deswegen ist für mich völlig klar: Der Verfassungsschutz muss dahin schauen, muss das Ganze kontrollieren, überwachen.“ Grünen-Vorsitzende Baerbock bemängelte, dass die AfD sich nicht gegen die Strukturen abgrenze, die Rechtsstaat und Demokratie infrage stellten.

Demonstranten in Chemnitz

Reuters/Hannibal Hanschke

Die rechte Kundgebung wurde symbolisch von Deutschland-Fahnen dominiert

AfD legt in Umfrage zu

Die AfD legte unterdessen nach den jüngsten Ereignissen in einer Umfrage zu. Im Sonntagstrend, den Emnid für die „Bild am Sonntag“ erhebt, gewann die Partei einen Prozentpunkt gegenüber der Vorwoche dazu und steht nun bei 15 Prozent.

In Berlin kündigte unterdessen die deutsche Justizministerin Katarina Barley (SPD) an, dass sich die Ermittlungen zu Chemnitz auch auf rechte Netzwerke konzentrieren müssen. „Es geht darum herauszufinden, welche Organisationen hinter der Mobilisierung rechter Gewalttäter stecken.“ Der Generalbundesanwalt beobachte die Ereignisse in Chemnitz sehr genau und tausche sich mit den sächsischen Behörden eng aus. „Wir dulden nicht, dass Rechtsradikale unsere Gesellschaft unterwandern“, sagte die Politikerin der „Bild am Sonntag“.

Im bayrischen Rosenheim nahm die Polizei unterdessen Ermittlungen gegen zwei Beamte der Bundespolizei auf, die den Hitlergruß gezeigt haben sollen. Die Kriminalpolizei ermittle wegen des Verdachts der Volksverhetzung und des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, teilte das Polizeipräsidium Oberbayern-Süd mit.

Großes Interesse an „#wir sind mehr“-Konzert

Wegen großer Nachfrage wird unterdessen das am Montag in Chemnitz geplante Konzert unter dem Motto „#wir sind mehr“ innerhalb der Stadt verlegt. „Wir sind überwältigt von dem ganzen Zuspruch und Feedback“, teilten die Organisatoren am Samstag mit. Der Bühne werde nun auf einem großen Parkplatz zwischen Hauptbahnhof, Karl-Marx-Denkmal und Rathaus aufgebaut, damit alle dabei sein könnten. Zu dem Gratiskonzert gegen Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Gewalt haben sich Bands wie die Toten Hosen, Kraftklub, Feine Sahne Fischfilet und Marteria & Casper angekündigt. Vor dem „Nischel“, wie der Karl-Marx-Kopf im Volksmund heißt, sollen DJs spielen. Zur erwarteten Besucherzahl konnte ein Sprecher nichts sagen.

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