WKÖ bietet Unterstützung an
Die Regierung zieht in der Diskussion über eine Lehre für Asylwerber und Asylwerberinnen einen Schlussstrich. Der Erlass aus dem Jahr 2012, der den Asylsuchenden unter 25 Jahren eine Lehre in Mangelberufen ermöglicht, soll abgeschafft werden. Von der Opposition hagelte es seit Sonntag Kritik.
Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.
Mit völligem Unverständnis reagierte NEOS-Wirtschaftssprecher Sepp Schellhorn auf die Ankündigung der Regierung. „Das ist völlig realitätsfremd und zynisch“, hieß es in einer Stellungnahme. Die Regierung setze das Spalten der Gesellschaft munter fort. Die Bedürfnisse der Unternehmen seien den Regierungsparteien ÖVP und FPÖ aber offenbar egal. „Außerdem tritt die Bundesregierung mit solchen Maßnahmen die Integrationswilligen in diesem Land mit Füßen“, so Schellhorn.
Lehre für Asylwerber wird abgeschafft
Damit abgelehnte Asylwerbende künftig nicht mehr mit dem Argument der Lehrausbildung Abschiebungen verhindern können, schafft die Bundesregierung diese Option ab.
Auch im Ö1-Morgenjournal äußerte sich der NEOS-Politiker am Montag ähnlich. Österreich habe einen Bedarf an Fachkräften, die man zuvor auch ausbilden müsse. Mit Verweis auf Stimmen aus den ÖVP-geführten Ländern und der Wirtschaft, die sich für die Lehrlingsausbildung für Asylsuchende ausgesprochen hatten, sagte Schellhorn: „Diese Regierung hat kein Herz und kein Hirn“ - Audio dazu in oe1.ORF.at. Schellhorn forderte „klare Regeln, bevor etwas gestrichen wird“.
Scharfe Kritik von SPÖ
Empört reagierte auch die SPÖ auf die ÖVP-FPÖ-Pläne. „Asylwerbern eine Lehre in gesuchten Berufen zu verunmöglichen und gleichzeitig über die Regionalisierung der Mangelberufsliste vermehrt Arbeitskräfte aus Drittstaaten zu holen ist so unsinnig wie bösartig. VP und FP vergrößern damit die Probleme, die sie vorgeben zu lösen. Wir haben in Österreich bereits heute die Situation, dass es mehr freie Lehrstellen als Lehrstellensuchende gibt. Die Politik der Regierung schadet unserer Wirtschaft und ist völlig widersinnig“, sagte SPÖ-Chef Christian Kern.
„Das klare Ziel der Regierung ist Lohn- und Sozialdumping. Wer jugendlichen Asylwerbern das Erlernen eines Lehrberufs verbietet, gleichzeitig aber mit der Regionalisierung der Mangelberufsliste den Arbeitsmarkt für Arbeitnehmer aus Drittstaaten außerhalb des EWR-Raums öffnet, möchte das heimische Lohnniveau drücken und betreibt das Geschäft der Konzerne und der Industrie“, so SPÖ-Bundesgeschäftsführer Max Lercher.
Für die Liste Pilz (LP) hat die ÖVP die gesamte Asyl- und Migrationspolitik den Freiheitlichen überlassen. „Die Entscheidung der Regierung, die Lehre für Asylwerber abzuschaffen, ist nicht nur ökonomisch, sondern auch menschlich ein großer Fehler“, kritisierte LP-Integrationssprecherin Alma Zadic: „Es ist absolut widersinnig, Menschen aus Drittstaaten als Arbeitskräfte nach Österreich zu holen, wenn man den Menschen, die bereits in Österreich sind, die Chance geben kann, einer Beschäftigung nachzugehen. Das ist eine der besten Integrationsmaßnahmen.“
WKÖ für „pragmatische Lösung“
Die Wirtschaftskammer (WKÖ) bot der Regierung hingegen eine „gemeinsame Lösung“ an. Was bestehende Lehrverhältnisse von Abschiebung bedrohter Asylwerber und Asylwerberinnen betrifft, sprach sich die WKÖ „im Sinne unserer Betriebe für eine humane und pragmatische Herangehensweise, die sich an den Bedürfnissen der Wirtschaft orientiert“, aus. Es brauche eine „pragmatische Lösung“.
„Wichtig ist eine klare Regelung, die sauber zwischen Asyl und qualifizierter Zuwanderung unterscheidet. Dabei tritt die Wirtschaftskammer für einen eigenen Niederlassungstitel zur Absolvierung einer Ausbildung für Lehrlinge aus Drittstaaten als auch eine Verbesserung und Ausweitung der Rot-Weiß-Rot-Karte ein“, hieß es vonseiten der WKÖ. Die Regierung hatte bereits zuvor angekündigt, nach der Abschaffung der Lehre für Asylsuchende einen eigenen Aufenthaltstitel für Lehrlinge zu schaffen und die Rot-Weiß-Rot-Karte attraktiver zu machen, „um den Bedürfnissen der Wirtschaft zu entsprechen“.
Die Regierung begründet die Aufhebung des Erlasses mit dem Asylrecht, das nicht mit der Lehre umgangen werden soll. Fakt ist allerdings, dass auch Asylsuchende, die einer Lehre nachgehen, das Asylverfahren durchlaufen müssen und bei einem negativen Bescheid abgeschoben werden können. Laut AMS-Vorstand Johannes Kopf gab es mit Stand Ende Juli rund 1.000 asylsuchende Personen, die sich in einer Lehrlingsausbildung befinden. Vor allem in der Gastronomie, die schon in der Vergangenheit einen Fachkräftemangel beklagte, beginnen viele Asylwerberinnen und Asylwerber offenbar eine Lehre.
Betroffene dürfen Lehre abschließen
Asylsuchende, die bereits eine Lehre begonnen haben, sollen diese fertigmachen dürfen, sogar jene, die aufgrund eines negativen Asylbescheids von einer Abschiebung bedroht sind, heißt es in einer Punktation, die die Regierung an ORF.at gesendet hat. Gleichzeitig wollen ÖVP und FPÖ Arbeitsmöglichkeiten für Asylberechtigte schaffen. Es würden sich nämlich 8.600 anerkannte Flüchtlinge unter 25 Jahren, darunter 1.300 Lehrstellensuchende, auf Jobsuche befinden.
Geplant seien „verstärkte und zielgerichtete Bewerbungen und Betreuung durch das AMS sowie Initiativen des Wirtschaftsressorts“. Zudem soll die Rot-Weiß-Rot-Karte „an den Bedürfnissen der heimischen Wirtschaft neu ausgerichtet“ werden. Konkret soll diese Zuwanderungskarte für Lehren in Mangelberufen geöffnet werden. Man strebe eine „klare Trennung zwischen Asyl und Migration“ an.
Appell an Bundeskanzler Kurz
In den vergangenen Tagen war eine Debatte über die Abschiebung von Asylwerberinnen und Asylwerbern während der Lehrzeit entbrannt. Der oberösterreichische Integrationslandesrat Rudi Anschober (Grüne) hatte sich gegen die Abschiebung von Lehrlingen starkgemacht und die Initative „Ausbildung statt Abschiebung“ ins Leben gerufen, die auch von ÖVP-Politikern unterstützt wurde. Noch vor der Entscheidung der Regierung hatte Anschober an Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) appelliert, nicht zuzulassen, dass der Zugang für Asylsuchende zu Lehrstellen abgeschafft wird.
„Der Bundeskanzler muss die Causa Lehrausbildung für Asylwerber generell zur Chefsache machen, die Zerstörung dieser letzten Integrationschance abwenden und Gespräche für eine Lösung der Vernunft gegen die drohenden Abschiebungen Hunderter Lehrlinge und für eine grundsätzliche Lösung ermöglichen“, so Anschober. Ein Ende für den Zugang zur Lehre wäre „die Zerstörung der letzten großen Integrationsmaßnahme für Asylwerber und ein schweres Foul an den vielen Unternehmen, die unter dem Lehrlingsmangel leiden“ - mehr dazu in ooe.ORF.at.
Kritik auch von Hilfsorganisationen
Auch Hilfsorganisationen kritisierten die Pläne der Regierung. Etwas lernen zu können und einer sinnstiftenden Tätigkeit nachzugehen sei selbst dann wichtig, wenn Jugendliche nicht bleiben können. „Ich appelliere an die österreichische Bundesregierung, jetzt keine überhasteten Entscheidungen zu treffen“, so Caritas-Präsident Michael Landau.
Rotkreuz-Präsident Gerald Schöpfer bezeichnete es als „aus ökonomischer Sicht unklug und falsch“, den Erlass von 2012 zurückzunehmen. Auch aus humanitärer Sicht sei das entschieden abzulehnen. Auch die Asylkoordination verurteilte den Plan der Regierung „aufs Schärfste“. Diese Maßnahme sei ein weiterer Schritt zur nachhaltigen Desintegration von jungen Flüchtlingen. Für SOS Mitmensch torpediere „eine solche Zugangsblockade die Integration“ und würde „die Chancen junger Menschen vernichten“. Wer den Zugang zur Lehre versperre, öffne „das Tor zu tiefer Leere“.
Links: