Chemnitz: Beamter wegen Haftbefehl-Leaks suspendiert
Wegen der Veröffentlichung des Haftbefehls im Fall Chemnitz ist ein Justizvollzugsbeamter aus Dresden vom Dienst suspendiert worden. Durchsuchungen und weitere Ermittlungen hätten einen Anfangsverdacht gegen den Mann derart erhärtet, dass ihm „mit sofortiger Wirkung vorläufig die Führung der Dienstgeschäfte verboten“, wurde, erklärte das sächsische Justizministerium gestern.
Zuvor berichtet die „Bild“ über den Justizbeamten. „Ich habe den Haftbefehl fotografiert und weitergegeben“, zitierte „Bild“ gestern auf seiner Website den namentlich genannten 39-Jährigen.
Politik kritisierte Veröffentlichung
Der Haftbefehl gegen einen Beschuldigten im Fall des in Chemnitz getöteten 35-Jährigen war tags zuvor im Internet teils geschwärzt auf verschiedenen Seiten aufgetaucht. Unter anderem die rechtspopulistische Organisation Pro Chemnitz, Abgeordnete von AfD und einer rechten Gruppe in Bremen und PEGIDA-Mitgründer Lutz Bachmann verbreiteten ihn weiter.
Deutschlands Innenminister Horst Seehofer hatte ebenso wie andere Politiker die Veröffentlichung des Haftbefehls als inakzeptabel kritisiert.
Kundgebung blieb friedlich
Zu einer Protestkundgebung der rechten Bewegung Pro Chemnitz kamen indes gestern Abend nach Angaben der Polizei rund 900 Menschen. Die Polizei war mit mehr als 1.200 Einsatzkräften an Ort und Stelle. Auf der Kundgebung wurde gegen Politik und Medien gewettert, sie blieb aber friedlich.
Dass bei einer Demo am Montag mehrmals der Hitler-Gruß zu sehen war, wurde als „inszeniert“ bezeichnet. Gleichzeitig hieß es zu Beginn der Versammlung, „nette Grüße mit dem rechten Arm gen Himmel“ würden mit Platzverweis bestraft. Die Polizei registrierte mindestens acht Straftaten.
Ministerpräsident versprach Aufklärung
Gleichzeitig zu den Protesten diskutierte der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) in Räumlichkeiten des Chemnitzer Stadions bei einem Bürgerdialog mit Einwohnerinnen und Einwohnern von Sachsens drittgrößter Stadt. Er warb um Vertrauen in die staatliche Ordnung. „Der Grundsatz unseres Zusammenlebens ist Demokratie und Rechtsstaatlichkeit“, sagte Kretschmer.
„Wir werden alles tun, damit dieses Verbrechen aufgeklärt und gesühnt wird“, sagte Kretschmer mit Blick auf die Tötung eines 35-jährigen Deutschen am Wochenende, für die zwei Flüchtlinge aus Irak und Syrien verantwortlich gemacht werden. Das sei jetzt Aufgabe der Justiz und der Gerichte. Er eröffnete das Bürgergespräch mit einer Schweigeminute für den Getöteten. Die Chemnitzer Oberbürgermeisterin Barbara Ludwig (SPD), die ebenfalls zu Toleranz aufrief, wurde auf der Veranstaltung anschließend wiederholt von Buhrufen unterbrochen.
5.000 bei Demo gegen Fremdenfeindlichkeit
In Berlin demonstrierten gestern Abend mehr als 5.000 Menschen gegen Fremdenfeindlichkeit und Gewalt. Das waren deutlich mehr Teilnehmer und Teilnehmerinnen als erwartet, wie ein Polizeisprecher sagte. Zwischenfälle gab es nicht.