Juristisches Risiko
Wirtschaft und Umwelt - nicht immer sind die Interessen beider unter einen Hut zu bringen. Die Bundesregierung will wirtschaftlichen Belangen den Vorzug geben und das Staatsziel Wirtschaft in der Verfassung verankern. Ein Ausdruck davon ist das geplante Standortentwicklungsgesetz. Damit sollen bestimmte Projekte leichter durchgesetzt werden können.
Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.
Das Regierungsvorhaben sieht unter anderem vor, dass standortrelevante Projekte automatisch genehmigt werden, wenn die für die Umweltverträglichkeit zuständige Behörde nicht schnell genug entscheidet. Auf Vorschlag von Landeshauptleuten oder Ministerien soll zuvor ein Beirat Empfehlungen aussprechen, ob es sich um ein standortrelevantes Projekt handelt.
Wird ein Projekt vom Beirat als standortrelevant bewertet und die Regierung schließt sich der Meinung an, muss die UVP-Behörde dann innerhalb von zwölf Monaten entscheiden. Wird die Frist überschritten, gilt das Vorhaben als genehmigt. Für die Empfehlung des Beirats werden rund sechs Monate veranschlagt. Die Begutachtungsfrist für das Gesetz, das mit 2019 in Kraft treten soll, läuft noch bis 17. August.
Frage nach der Haftung
Bereits anhängige UVP-Genehmigungsverfahren wie etwa jenes zum Lobautunnel und das Verfahren zur dritten Piste für den Flughafen Schwechat, sollen nach Ministeriumsangaben nicht mehr in den Anwendungsbereich des Gesetzes fallen. Gerade der Streit über die dritte Landebahn hatte die Meinungen geteilt und die Gerichte jahrelang beschäftigt. Mit dem Standortentwicklungsgesetz will die Koalition aus ÖVP und FPÖ derartiges verhindern und Genehmigungen leichter ermöglichen.
Zu leicht, wie viele Kritikerinnen und Kritiker sagen. So ließ etwa das Land Wien ausrichten: „Der Gesetzesentwurf wird zur Gänze abgelehnt“, zitierte am Mittwoch das Ö1-Morgenjournal eine Stellungnahme zum Gesetzesentwurf. Aus verfassungsrechtlicher Sicht seien die Bestimmungen „äußerst bedenklich“. Es könne in manchen Fällen auch passieren, „dass Vorhaben als genehmigt gelten, ohne dass alle erforderlichen Genehmigungstatbestände geprüft werden konnten. In diesen Fällen ist unklar, wer für daraus resultierende Schäden haftet.“
Grünes Licht mit Verzögerungstaktik erzwingbar
Auch die Vorarlberger Landesregierung steht skeptisch dem Gesetzesentwurf gegenüber: Es sei denkbar, dass der Beteiligte durch Verzögerungen den Fristablauf abwartet und so die automatische Genehmigung erwirken könnte. Das sei in mehrfacher Hinsicht EU-rechtswidrig und schaffe Rechtsunsicherheiten, was dem Ziel einer Beschleunigung der Verfahren entgegenstehe. Auch der Österreichische Gewerkschaftsbund (ÖGB) übte Kritik. Schon die Art, wie ein Projekt als standortrelevant eingestuft werde, habe einen „schalen Beigeschmack“. Es entstehe der Eindruck, dass „ein guter Freund als Landeshauptmann oder in der Bundesregierung notwendig ist, um überhaupt in dieses Verfahren zu kommen“.
Scharfer Protest an den Regierungsplänen kam von Umweltschutzorganisationen. Der Umweltdachverband forderte die Regierung auf, das Vorhaben zurückzuziehen. „Das Gesetz wird Rechtsunsicherheit bringen und vor Höchstgerichten nicht halten“, sagte Umweltdachverband-Präsident Franz Maier zur APA. Die Rechtsunsicherheit werde höhere Kosten für Firmen verursachen. Der Verband wolle rechtlich alle Möglichkeiten ausschöpfen, um das Standortentwicklungsgesetz zu verhindern, erklärte Maier. Der Verein gegen Tierfabriken (VGT) sieht in dem Gesetz einen Versuch, das Staatsziel Wirtschaft durch die Hintertür zu realisieren. Der Verein rief Organisationen und Privatpersonen dazu auf, bis Ende der Begutachtungsfrist, Stellungsnahmen abzugeben.
Freude bei Wirtschaft und Industrie
Wirtschaft und Industrie hingegen zeigten sich begeistert von dem geplanten Gesetz. Es sei ein „zukunftsfähiger Weg“ Investitionen „rascher auf Schiene zu bringen“, so Wirtschaftskammer-Chef Harald Mahrer in einer Aussendung. „Stecken große Infrastrukturprojekte ewig in der Warteschleife, kostet das letztlich auch die Steuerzahler Unsummen“. Die Wirtschaftskammer Wien forderte zusätzlich auch die Schaffung eines „Standortanwalts“. Dieser solle in Genehmigungsverfahren für die wirtschaftlichen und standortpolitischen Argumente eintreten.
Für einen zeitgemäßen Genehmigungsablauf für standortrelevante Infrastrukturvorhaben sei es „hoch an der Zeit“, so der Vizegeneralsekretär der Industriellenvereinigung (IV), Peter Koren. „Die rasche Prüfung einer Umweltverträglichkeit nützt letztlich allen: den Projektwerbern, den Behörden, dem Standort und nicht zuletzt auch der Umwelt“, hieß es.
Bedenken bei Juristen
Ob das Gesetz juristisch halten wird, ist aber alles andere als klar. Verfassungsjuristen meldeten schwere Bedenken an, so etwa Bernd-Christian Funk: Er halte die geplante Neuerung vorerst „sowohl vom Verfassungsrecht als auch vom Europarecht her“ für unzulässig, wie er Anfang Juli sagte. Besonders bedenklich sei, dass nach der automatischen Genehmigung keine neuen Aspekte mehr ins Spiel gebracht werden könnten - also eine Art Neuerungsverbot greifen soll.
Auch der Verfassungsrechtler Heinz Mayer sieht das Gesetzesvorhaben kritisch, zum Beispiel wären die Umweltverträglichkeitsprüfungen leicht manipulierbar, indem man sie bewusst verzögere. Laut dem Innsbrucker Jusprofessor Peter Bußjäger widerspricht das Standortentwicklungsgesetz den Prinzipien der Bundesverfassung und dem Bundesrecht." Die automatische Genehmigung gerade von Vorhaben mit besonders großen Auswirkungen auf die Umwelt ist mit dem Rechtsstaatsprinzip unvereinbar und stellt eine unsachliche Bevorzugung solcher Projekte dar", so Bußjäger.
Links: