Ausgebeutete erheben ihre Stimme
Bei zwei großangelegten Kundgebungen haben am Mittwoch im süditalienischen Foggia (Region Apulien) Hunderte Erntehelfer gegen die sklavereiartigen Zustände auf den umliegenden Tomatenplantagen ihre Stimme erhoben. Es handelt sich um ein seit Jahren bekanntes und ungelöstes Problem - einen vergleichbaren Protest gab es italienischen Medienberichten zufolge bisher aber noch nie.
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Nun brachten zwei Autounfälle das Thema wieder in die Schlagzeilen: Am Samstag und am Montag waren dabei insgesamt 16 Erntehelfer, allesamt aus Afrika stammende Migranten, auf dem Rückweg von den Feldern ums Leben gekommen, sieben weitere wurden verletzt.

APA/AFP/Isabelle Wirth
Der Heimweg von der Feldarbeit endete am Montag für zwölf Erntehelfer tödlich
Premier Giuseppe Conte bekundete am Dienstag bei einem Treffen mit einer Gruppe von Hilfsarbeitern in Foggia seine Solidarität. Hinter dieser Tragödie stehe Ausbeutung, sagte Conte, der wie Innenminister Matteo Salvini von der rechtspopulistischen Lega gleichzeitig eine härtere Gangart gegen die als „Caporalato“ bezeichnete Ausbeutung von Schwarzarbeitern auf Italiens Feldern ankündigte.
Noch vor wenigen Wochen Kritik an Renzi-Gesetz
Beobachter orten altbekannte Phrasen, wobei etwa die Zeitung „La Repubblica“ auch in Erinnerung rief, dass Salvini noch vor wenigen Wochen eine Aufweichung der von der Regierung Matteo Renzis (Demokratische Partei) im Jahr 2016 erlassenen Gesetzesverschärfung forderte, da diese die Arbeit italienischer Unternehmer erschwere.

Reuters/Tony Gentile
Die Zustände auf Süditaliens Tomatenplantagen beschäftigen die zuständigen Behörden seit Jahren
Conte betrachtet die geltenden Gesetze, die bei Ausbeutung von Hilfsarbeitern unter anderem Strafen von bis zu sechs Jahren Haft vorsieht, indes als ausreichend - der von der Fünf-Sterne-Bewegung ins Amt geholte Premier bemängelte allerdings die Kontrollen als unzulänglich. Dem will nun Arbeitsminister und Fünf-Sterne-Chef Luigi Di Maio unter anderem mit einer Aufstockung der Arbeitsinspektoren entgegentreten.
„Wir sind Arbeiter, kein Schlachtvieh“
Die Staatsanwaltschaft von Foggia leitete indes Ermittlungen ein, um festzustellen, ob die verunglückten Saisonarbeiter ausgebeutet wurden. Medienberichten zufolge seien bereits mehrere landwirtschaftliche Betriebe in den Fokus der Ermittler geraten. Hunderte Saisonarbeiter machten indes mit ihrer von Gewerkschaften unterstützten Drohung Ernst und legten am Mittwoch ihre Arbeit nieder.

Reuters/Alessandro Bianchi
Seltener Protest in Foggia: Erntehelfer fordern „Arbeit, Rechte und Würde“
„Arbeit, Rechte und Würde“, lautete einer der Slogans der Demonstranten, die in einer Schweigeminute auch der verunglückten Arbeiter gedachten. „Schluss mit Ausbeutung, wir wollen in Sicherheit arbeiten“ und „Wir sind Arbeiter, kein Schlachtvieh“ war auf Spruchbändern zu lesen. „Heute ist ein Tag der Trauer. Erstmals organisieren sich Erntehelfer und kämpfen für ihre Rechte, das ist sehr wichtig“, betonte Michele Emiliano (Demokratische Partei), Präsident der Region Apulien, zu der Foggia gehört. Nach Angaben der Zeitung „Corriere della Sera“ sprach Emiliano zudem von einem Kampf, der ganz Italien betreffe, da Arbeiter im ganzen Land ausgebeutet würden.
Bezahlen für Transport zu Feldern
Allein in Apulien arbeiten derzeit Tausende vor allem afrikanische, aber auch polnische, bulgarische und rumänische Landarbeiter in sengender Hitze auf den Feldern. Fast alle sind zwar legal im Land, gesetzliche Arbeitsstandards und Lohnvorgaben werden dennoch häufig nicht eingehalten. Viele wohnen in illegalen Siedlungen und Baracken. Transport und Arbeitsvermittlung organisieren oft mafiöse Mittelsmänner. Die häufig als Tagelöhner und vielfach ohne Arbeitsverträge angestellten Erntehelfer müssen mit ihrem Hungerlohn somit auch noch für Transport und Unterkunft bezahlen.
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