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Ein Turm mit viel Drumherum

Maja Hoffmann finanziert die Neuerfindung der französischen Industriestadt Arles als kleine Kunstmetropole mit 150 Millionen Euro aus ihrer Privatstiftung. Darum kann man sich unter anderem von Frank Gehry einen Glitzerturm bauen lassen.

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Hoffmann, geboren 1956, ist in Arles aufgewachsen und verbringt auch jetzt noch einen Teil des Jahres dort. Die Mäzenin sieht sich selbst nicht so sehr als Kunstsammlerin, als die sie oft rezipiert wird, sondern eher als „Ermöglicherin“, wie sie gegenüber dem US-Modemagazin „W“ sagt. Das Ermöglichen ermöglicht ihr die Familie: Sie ist eine der Erbinnen und Erben des Hoffmann-LaRoche-Clans, dessen Pharmaunternehmen an der Börse 180 Milliarden Euro wert ist.

Baustelle am LUMA foundation Tower in Arles

APA/AFP/Boris Horvat

Ein Detail der Baustelle des von Hoffmann finanzierten Gehry-Towers

Die Prinzessin aus der Aschenputtel-Stadt

Arles, schreibt die „Riviera Times“, liegt im „Dornröschenschlaf“. So kann man es auch nennen, wenn eine Stadt von heruntergekommenen Industriebrachen umgeben ist, ihre Arbeitslosenrate zu den höchsten in ganz Frankreich zählt und sich bei der letzten Präsidentschaftswahl Emmanuel Macron (En Marche!) nur knapp gegen Front-National-Chefin Marine Le Pen durchsetzen konnte.

Also nahm Hoffmann sich vor, ihre Heimatstadt „wachzuküssen“. „Wird Arles das neue Bilbao?“ So oder so ähnlich titeln seit 2010 immer wieder französische, aber auch internationale Medien. Die spanische Stadt Bilbao erschien auf der medialen Bildfläche erst durch den Bau des Guggenheim-Museums von Gehry. Einen ähnlichen Effekt wünscht sich Hoffmann für Arles.

Virtueller Rundgang durchs Luma Arles

Eine Mischung aus MIT und Tate Modern

Deshalb kaufte sie 2010 für zehn Millionen Euro ein stillgelegtes Industrieareal. Einen Teil der Bausubstanz wollte sie erhalten, aber auch neue Akzente setzen - und hier kommt Gehry ins Spiel. Er wurde beauftragt, einen „Signature“-Turm zu bauen, in dem künftig die Luma-Stiftung ihren Sitz haben wird. Luma - das steht für Hoffmanns Kinder Lukas und Marina. Ausstellungen sollen dort stattfinden.

Aber das ganze Areal soll viel mehr sein als ein reines Ausstellungszentrum. Geforscht werden soll hier zu Zukunftsthemen wie Nachhaltigkeit. Diskussionsveranstaltungen sollen stattfinden. Künstler sollen hier laborieren und sich austauschen. Man kann sich das vorstellen als eine Mischung aus documenta13 (nicht 14!) und MIT, mit einer Außenwirkung irgendwo zwischen Greenpeace-Aktionismus, Ars Electronica und Tate Modern.

Vorschusslorbeeren, aber auch Kritik

Geht es nach Hoffmann, wird das Luma Arles so hip und gleichzeitig so relevant, dass es Touristenmassen genauso anzieht wie Forscherinnen und Forscher, Theoretikerinnen und Theoretiker, Aktivistinnen und Aktivisten und die Topliga der Kunstwelt. Unterstützung erhält sie bei ihrem Vorhaben von Kulturministerin Francoise Nyssen, die, wie die „Welt“ berichtet, selbst bis vor Kurzem einen großen Verlag in Arles leitete. 2019 soll das Luma Arles schließlich eröffnet werden, dann ist auch der Gehry-Turm fertig, dessen metallene Fragmente an Pinselstriche Vincent van Goghs erinnern sollen, der 15 Monate in Arles verbrachte und dort über 300 Werke schuf.

Das Projekt erhält zwar viele Vorschusslorbeeren, wird aber, wie nicht anders zu erwartet, nicht von allen Bürgerinnen und Bürgern Arles’ gutgeheißen. Ein häufig genannter Kritikpunkt: Gehrys Turm zerstöre das historische Ensemble der alten Bausubstanz, die sich in Arles über die Jahrhunderte gehalten hat. Und dass Hoffmann Arles aus dem Nichts heraus neu erfindet, wie oft berichtet wird, stimmt auch nicht ganz.

Denn die römischen Ausgrabungen und das riesige Amphitheater mitten in der Stadt, dazu das renommierte und große Antike-Museum und dann noch das jährliche Fotofestival Rencontres d’Arles, immerhin eines der größten der Welt, haben auch bisher schon viele Touristinnen und Touristen angezogen. Aber mit dem Luma Arles soll alles noch viel cooler werden. Ob das Konzept aufgeht, wird sich weisen. Der Facebook-Auftritt des Projekts ist jedenfalls schon einmal erfrischend und witzig. Und mit der Gilbert-&-George-Ausstellung auf dem Gelände, die in Kooperation mit dem Fotofestival entstanden ist, hat man heuer einen netten ersten Akzent gesetzt.

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