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Begegnung mit einer vergessenen Oper

Die Innsbrucker Festwochen der Alten Musik haben Freitagabend die Serie mit Opernraritäten fortgesetzt und das Publikum staunen lassen. Mit „Didone abbandonata“ von Saverio Mercadante holten sie nicht nur ein Werk eines Komponisten, der höchstens eingefleischten Opernfans ein Begriff ist, aus der Versenkung, sondern stießen erstmals ins 19. Jahrhundert vor und boten Belcanto vom Feinsten dar.

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Warum der einst zu den bekanntesten Komponisten Italiens zählende Mercadante heute vergessen ist, kann sich auch Festspielintendant Alessandro De Marchi nicht erklären, lässt aber keinen Zweifel daran, „dass er ein ganz Großer war und seine Musik unbedingt wiederentdeckt werden muss“. Und dass diese Wiederentdeckung ausgerechnet im Rahmen Alter Musik geschehe, rechtfertige sich dadurch, dass sich deren Bogen bis in die Frühromantik eines Gioachino Rossini spanne - mehr dazu in Mercadante und die 30 Elefanten (tirol.ORF.at).

Dreiecksbeziehung mit fatalen Folgen

Stilistisch ist „Didone abbandonata“ mit ihren Duetten, Arien und Chören wie eine Rossini-Oper gestrickt, ja das Gefühl, einer solchen zu lauschen, bleibt bis zum Schluss. De Marchi am Pult und seine Academia Montis Regalis brachten mit ihrem kammermusikalischen Ansatz die Vorzüge von Mercadantes Komposition voll zur Geltung. Auf nachgebauten Instrumenten musizierte das Orchester durchsichtig und besonders bei den Pianostellen mit Fingerspitzengefühl und melodischer Geschmeidigkeit.

Szene aus "Didone abbandonata"

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Dido ist unsterblich in Aeneas verliebt

Eine weitere Verbindung zur Alten Musik ist das damals bereits rund hundert Jahre alte Libretto von Pietro Metastasio, das die bekannte Episode aus Vergils „Aeneis“ über die tragisch endende Liebe der Karthager-Königin Dido zu Aeneas aufgreift. Schauplatz ist Karthago, an dessen Küste Aeneas auf seiner Flucht aus Troja strandet. Die Liebe Didos zu erwidern steht aber nicht nur seiner Mission, Rom zu gründen, im Wege, sondern auch der Mohrenkönig Jarba, der ebenso ein Auge auf Dido geworfen hat. Es kommt, wie es kommen muss: zum Konflikt, dem am Ende Dido mit ganz Karthago zum Opfer fällt.

„Vielleicht zu brutal“

Regisseur Jürgen Flimm verzichtete in seiner Inszenierung sowohl auf eine politische Aktualisierung als auch auf eine naturalistische Umsetzung, stattdessen wählte er einen abstrakten Ansatz, der die verzwickte Dreiecksgeschichte umso sorgfältiger herausarbeitet. Es lag Flimm offensichtlich mehr daran, kammerspielartig zu zeigen, wie amouröse Gefühle zu Konstellationen führen, die - mit Pathos gesagt - letztlich Weltgeschichte schreiben. Aber gerade in diesem heiklen Punkt setzte die Regie ironische Akzente, die ihr zum Schluss auch einige Buhs einbrachten. Dass ein betrunkener Jarba im Finale alle auf der Bühne blindwütig niedermetzelt und er und Dido sich gegenseitig niederstechen, sei „fürs Publikum vielleicht zu brutal“, räsonierte Flimm nach der Vorstellung gegenüber ORF.at.

Szene aus "Didone abbandonata"

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Zum Schluss geht alles in Rauch auf

Bühnenbildnerin Magdalena Gut schuf einen kargen Betonrohbau mit herausragenden Stahlgestängen, auf dem sich nur ein paar Objekte befinden, die dank Drehbühne in schnellem Szenenwechsel jeweils in den Vordergrund rücken - Boote, eine Ledergarnitur, ein Betonmischer, ein Schrein, ein Ventilator, ein Kühlschrank. Aus einem einzigen großen Bild entstehen so viele kleine Detailbilder.

Wie auf einem Gemälde schweben großflächige rote Sonnensegel darüber. Ständig hängt Rauch in der Luft, anfangs ein Symbol für den Küstennebel, am Ende für die Rauchsäulen des brennenden Karthago. Die prägenden Farben der Bühne sind Blau und Rot, gelegentlich akzentuiert durch ein warmes Gelb, und spiegeln sich auch in den zeitlosen Kostümen wider. Gerade diese Reduziertheit der Mittel gestattet volle Konzentration auf Handlung und Musik.

Wie in der griechischen Tragödie

Die Aufführung ermöglichte die Begegnung mit der Ausnahmesopranistin Viktorija Miskunaite, die mit ihrer überragenden Stimme alle Höhen und Tiefen der anspruchsvollen Titelpartie souverän beherrschte. Auch Mezzosopranistin Katrin Wundsam in der Hosenrolle ihres Geliebten Aeneas forderte mit schwierigsten Koloraturpassagen immer wieder Szenenapplaus heraus.

Szene aus "Didone abbandonata"

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Die Bühne als Stimmungsbild

Carlo Vincenzo Allemano mit seinem baritonalen Tenor hatte als Aeneas’ grotesk überzeichneter Gegenspieler Jarba einige Mühe, gegen diese beiden Primadonnen anzusingen, machte mit seiner Spielfreude aus der Partie aber eine köstliche Vorstellung. Tadellos auch die Gesangsleistungen des restlichen Ensembles in den kleineren Rollen.

Wuchtig und klangmächtig präsentierte sich der Männerchor, dem es oblag, das Geschehen wie in der griechischen Tragödie immer wieder zu kommentieren. Er bejubelt und warnt die beiden männlichen Gegenspieler, leidet mit der Titelheldin, beklagt Krieg und Chaos. Zugleich ist er in der Rolle des Militärs wichtiger Akteur, der nicht nur die Bühne optisch füllt, sondern in ständiger Bewegung zum dramatischen Faktor wird.

Hinweis

„Didone abbandonata“ ist noch am 12. August um 16.00 Uhr und am 14. August um 19.00 Uhr am Landestheater Innsbruck zu sehen.

Drei Stunden Belcanto-Genuss

Gut drei Stunden konnten die Premierenbesucher und -besucherinnen im Tiroler Landestheater italienischen Belcanto auf höchstem Niveau erleben und dankten mit lautem und langem Beifall. In der Tat sind Mercadante und seine „Didone abbandonata“ eine bemerkenswerte Begegnung mit einem Stück vergessener Musikgeschichte - und die Innsbrucker Festwochen in schöner Kontinuität ein Höhepunkt im Festspielsommer zwischen Salzburg und Bregenz.

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