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Machtprobe mit ungleichen Gegnern

Anfang Mai sind die USA aus dem Atomabkommen mit dem Iran, das jahrelang verhandelt worden war, ausgetreten. Am Dienstag um 6.00 Uhr MESZ tritt die erste Runde von US-Sanktionen wieder in Kraft. Laut US-Außenminister Mike Pompeo wollen die USA so die Führung in Teheran zu einem Politikwechsel auffordern, um das iranische Atomprogramm geht es nur noch am Rande.

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Die Sanktionen westlicher Staaten gegen den Iran waren im Zuge des Atomdeals ausgesetzt worden. Die 2015 in Wien erzielte Vereinbarung sollte den Iran daran hindern, Uran für den Bau einer Atombombe anzureichern. Im Gegenzug wurden die Strafmaßnahmen abgebaut und damit unter anderem auch Investitionen im Iran möglich.

Unmut in der Bevölkerung

Die iranische Bevölkerung setzte darin große Hoffnung. Denn die Islamische Republik befindet sich in einer schweren Wirtschaftskrise. Viele Iranerinnen und Iraner fürchten nun einen Absturz ihrer Landeswährung. Seit Tagen gibt es in vielen Städten Streiks und Proteste gegen die Wirtschaftspolitik, verbreitete Korruption und auch gegen die Wasserknappheit, unter der große Landesteile leiden. Die Polizei verstärkte am Sonntagabend ihre Präsenz in der Industriestadt Karadsch westlich von Teheran, wo es einige der schwersten Proteste gab. Auch wurde das Internet in der Region abgeschaltet.

Österreichischen Firmen drohen Strafen

Die US-Politik wird auch Auswirkungen auf Österreichs Wirtschaft haben. Bei Verstößen gegen die Sanktion drohen österreichischen Firmen hohe Strafen.

Angesichts des verbreiteten Unmuts verkündete die Regierung in Teheran am Sonntagabend einen erneuten Kurswechsel in der Währungspolitik. Sie sagte, sie werde unbegrenzte steuerfreie Devisen- und Goldimporte erlauben. Zudem würden wieder Wechselstuben zugelassen, erklärte die Regierung, die im April hart gegen informelle Geldwechselstuben durchgegriffen hatte.

Die Konflikte des Iran

US-Präsident Donald Trump war stets ein Kritiker des Abkommens mit dem Iran, das von seinem Vorgänger Barack Obama mit ausgehandelt worden war. Trump sagte beim Ausstieg aus dem Deal, dass der Iran nicht daran gehindert werde, doch eine Atombombe herzustellen. Laut der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) aber hält sich der Iran an das Abkommen.

Wiederholt bescheinigte die Organisation der Führung in Teheran, sich an die Abmachungen zu halten. Trump will laut eigener Aussage mit den Strafmaßnahmen aber vor allem einen Kurswechsel des Iran im Nahen Osten. Teheran unterstützt etwa Syriens Machthaber Baschar al-Assad, die Hisbollah im Libanon und die Hamas im Gazastreifen. „Die Vereinigten Staaten werden diese Sanktionen erzwingen“, sagte Pompeo, denn diese seien „ein wichtiger Teil unserer Bemühungen, die bösartigen iranischen Aktivitäten zurückzudrängen“.

Sanktionen auf Edelmetalle, Stahl, Kohle, Autos

Ab Dienstag sollen in der ersten neuen Sanktionsrunde Devisen- und Edelmetallgeschäfte sowie der Handel mit Stahl und Kohle betroffen sein. Zudem umfassten die Sanktionen noch Software für die Industrie und die Autobranche, sagte ein ranghoher Regierungsvertreter am Montag in Washington. Ausnahmen seien nicht geplant. Allerdings könne es auf Antrag Einzelfallprüfungen geben.

Im November sollen dann besonders schmerzhafte Sanktionen wieder eingesetzt werden, mit deren Hilfe die Ölimporte anderer Länder aus dem Iran auf null reduziert werden sollen. Gleichzeitig soll der internationale Zahlungsverkehr mit dem Iran lahmgelegt werden.

Drohkulisse in Straße von Hormus

Der iranische Präsident Hassan Rouhani hatte als Reaktion auf die USA mehrfach damit gedroht, bei einem Ölembargo die Straße von Hormus zu schließen und damit den internationalen Ölexport im Persischen Golf zu blockieren. Die USA sollten wissen, „dass Frieden mit dem Iran die Mutter aller Frieden ist“, so Rouhani, „genauso wie ein Krieg die Mutter aller Kriege wäre.“

Am Montag kündigte Rouhani eine Fernsehrede an, in der er sich an seine Landsleute wenden will. Dabei will er erklären, wie die Führung in Teheran gegen die Sanktionen vorgehen will, um dem Iran zu große wirtschaftliche Folgen zu ersparen. Mit Spannung wird auch seine Antwort auf ein Gesprächsangebot Trumps erwartet. Rouhani hatte sich zu dem Angebot vorerst nicht geäußert. Das iranische Außenministerium hatte ein Treffen zumindest nicht ausgeschlossen.

Netanjahu nimmt EU in die Pflicht

Kurz vor der Fernsehansprache verschärfte Trump seinen Tonalität noch einmal. Er verteidigte in einer Mitteilung den einseitigen Rückzug aus dem „furchtbaren“ Atomabkommen mit dem Iran. Die Vereinbarung habe die „mörderische Diktatur“ in Teheran, die Gewalt und Chaos verbreite, mit Geld versorgt. „Bis heute bedroht der Iran die Vereinigten Staaten und unsere Verbündeten.“ Die USA würden „maximalen wirtschaftlichen Druck“ auf die Regierung in Teheran ausüben, so Trump weiter, der zudem sein Interesse an einem neuen Atomabkommen bekräftigte.

Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu forderte die europäischen Staaten auf, dem Beispiel der USA bei den Sanktionen gegen den Iran zu folgen. „Es ist an der Zeit, aufzuhören zu reden, es ist an der Zeit, etwas zu tun“, sagte Netanjahu am Montag. Der Schritt der USA „symbolisiert die Entschlossenheit, die regionale Aggression des Iran zu stoppen und seine andauernden Pläne, sich selbst mit Nuklearwaffen zu bewaffnen“.

EU will Iran am Verhandlungstisch behalten

Die Sanktionen richten sich auch gegen ausländische Firmen, die Geschäfte mit dem Iran machen. Die europäischen Vertragspartner des Atomabkommens von 2015 geben sich zwar entschlossen, an dem Vertrag festzuhalten, doch dürften sie ihre Unternehmen kaum vor den US-Sanktionen schützen können. Mehrere Konzerne, die infolge des Abkommens in den Iran zurückgekehrt waren, haben bereits ihren Rückzug verkündet. Die USA drohten zudem, Firmen könnten von Geschäften in den USA ausgeschlossen werden - und der US-Markt dürfte für die allermeisten Unternehmen wichtiger sein als der iranische.

Die EU will sich aber auch nach Inkrafttreten der Sanktionen dafür einsetzen, dass der Iran weiter Erdöl exportieren kann. Man werde auch daran arbeiten, die Finanzkanäle zu der Islamischen Republik offenzuhalten, so der Auswärtige Dienst der EU am Montag in Brüssel.

Europäer kontern mit Abwehrgesetz

Zudem bekräftigten die Außenminister Deutschlands, Frankreichs und Großbritanniens gemeinsam mit der EU-Außenbeauftragten Federica Mogherini ihren Widerstand gegen die Wiedereinsetzung der US-Sanktionen. Man sei entschlossen, europäische Wirtschaftsakteure vor möglichen Folgen der Sanktionen zu schützen, hieß es in einer Erklärung. Deswegen werde am Dienstag auch das überarbeitete Abwehrgesetz in Kraft treten. Mit diesem sollen europäische Unternehmen dazu bewegt werden, US-Sanktionsdrohungen zu ignorieren. Gleichzeitig regelt es, dass sie für möglicherweise entstehende Kosten und Verluste entschädigt werden können.

Grafik zu Österreichs Außenhandel mit dem Iran

Grafik: APA/ORF.at; Quelle: APA/IWF/WKÖ/Statistik Austria

Der österreichische Wirtschaftsdelegierte in Teheran, Christoph Grabmayr, sagte am Montag, österreichische Firmen sollten ihre eigene Situation ohne Panik bewerten und individuelle Entscheidungen treffen. Pauschale Lösungen gebe es nicht. Zuletzt beliefen sich die österreichischen Exporte in den Iran auf etwa 300 Mio. Euro. Die Kontrollbank (OeKB) übernimmt derzeit noch Haftungen für Iran-Geschäfte, wenn diese nicht unter die Sanktionen fallen. Deckungen für wirtschaftliche und politische Risiken im Rahmen von Exportgarantien sind für Neugeschäfte aber nur möglich, wenn sie bis zum 4. November ausgeliefert und bezahlt werden. An dem Tag wollen die USA alle Zahlungen des Iran zum Erliegen bringen.

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