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Jubel, Trubel, Scientology

Teil VI der „Mission: Impossible“-Filmserie („Fallout“) kommt dieser Tage in heimische Kinos. Es handelt sich dabei um Action der Superlative - darüber lassen Rezensenten rund um den Globus keinen Zweifel aufkommen. Dass Hauptdarsteller und Produzent Tom Cruise der oberste Scientology-Promi ist, scheint keine Rolle mehr zu spielen.

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Auf Rotten Tomatoes können Kritiker und Kinobesucher Filme bewerten. Der Film kommt dort auf sagenhafte 97 Prozent Zustimmung. Die offizielle US-Bewertung CinemaScore (Wertung von Kinobesuchern) stellt dem Film ein glattes „A“ aus - ohne Minus, was ebenfalls nicht allzu oft vorkommt. Die Zahlen sind entsprechend: Der Film brachte international am ersten Wochenende an den Kinokassen mit 130 Millionen Euro mehr ein als jeder der fünf Teile davor.

Früher hieß es, dass Filme von Fortsetzung zu Fortsetzung immer schlechter werden (das „Police Academy“-Phänomen). Das stimmt längst nicht mehr - siehe etwa „Star Wars“ (man kann Disney mögen oder nicht) und „The Fast and the Furious“ (man mag die Reihe für grundsätzlich dämlich halten oder nicht), ganz zu schweigen vom lange anhaltenden Superhelden-Hype. Dennoch stellt sich die Frage, warum gerade der sechste Teil von „Mission: Impossible“ für derart große Begeisterung sorgt.

Der bessere Action-Held

Schon von Beginn an setzte Cruise eigene Akzente. Als Oscar-Anwärter, dem es wichtig war, nicht in der „Top Gun“-Schublade zu verschwinden, der neben schrottigen Produktionen auch in viel beachteten Filmen wie „Die Farbe des Geldes“ (1986, mit Paul Newman), „Rain Man“ (1988, mit Dustin Hoffman) und Oliver Stones „Geboren am 4. Juli“ (1989) mitspielte, wollte er nicht im selben Actionfach wie Silvester Stallone oder Arnold Schwarzenegger mitmischen.

Bei ihm sollte es nicht ausschließlich krachen, die Handlung der Filme basiert auf einer Fernsehserie und durfte komplexer ausfallen, sie durfte intellektuell fordern, wenn auch nicht überfordern. Es ging also eher in Richtung „James Bond“ (wie später „Jason Bourne“) als in Richtung „Stirb Langsam“ (das wiederum mit nonchalanter Ironie überzeugt). Cruise inszeniert sich in den von ihm produzierten Filmen als der smartere, bessere Actionheld. Das kommt beim Publikum gut an.

Selfmade-Stuntman mit Knöchelbruch

Dazu kommt, dass Cruise alle Stunts stets selbst vollführt. Das ist mittlerweile völlig unnötig, weil mittels neuester Animationstechnologien jede noch so abstruse Actionszene glaubhaft nachgestellt werden kann. Doch zu „Mission: Impossible“ gehören die Geschichten darüber, wie Cruise von einem Hausdach aufs nächste springt (und sich dabei den Knöchel bricht), wie er in atemberaubender Höhe aus einem Flugzeug springt oder halsbrecherisch (selbst!) einen Hubschrauber durch Schluchten fliegt, einfach dazu; alles so geschehen beim Dreh zu „Fallout“.

Cruise weiß, dass sein Publikum das zu schätzen weiß - und liefert. Einen Stuntman hat er nur noch, weil der die Actionszenen vorher probt, das Gefahrenpotenzial ermittelt und Cruise danach bei den Dreharbeiten entsprechend berät und anleitet. Aber im Bild zu sehen ist ausschließlich der Produzent und Hauptdarsteller selbst. Allerdings sind eine nachvollziehbare Handlung und selbst gemachte Stunts noch keine Erklärung dafür, warum gerade Teil VI so gut funktioniert.

Szene aus Mission Impossible VI

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Von links nach rechts: Simon Pegg, Rebecca Ferguson, Tom Cruise und Ving Rhames

Warum die Kassen klingeln

Was den Erfolg an den Kinokassen betrifft: Der hat ursächlich mit den weiter oben beschriebenen guten Bewertungen zu tun. Also muss man weiterfragen: Wieso ist ausgerechnet Teil VI ein Film geworden, den Kritiker und das Publikum des ersten Abends so gut bewerten? Was unterscheidet ihn von seinen Vorgängern? Ein Unterschied ist die Kontinuität am Regiestuhl. Treibende Kraft ist als Produzent und Hauptdarsteller ohnehin immer Cruise, das stellt niemand infrage.

Dazu holte er sich stets handverlesene Regisseure - Brian De Palma, John Woo, J. J. Abrams und Brad Bird. Aber nun kam erstmals einer gleich bei zwei Filmen zum Zug: Christopher McQuarrie, mit dem Cruise insgesamt schon bei neun Produktionen zusammengearbeitet hat (auch außerhalb des „Mission“-Universums). McQuarrie war der Erste, der über einen längeren Zeitraum Nuancen herausarbeiten konnte - und dabei offenbar ein untrügliches Gespür für die „Mission“-Welt entwickelte.

Die Heldin an Cruise’ Seite

Ein weiterer Faktor dürfte die schwedische Schauspielerin Rebecca Ferguson sein. Ihre Ilsa ist die erste Figur in der „Mission“-Reihe, die mit Cuise’ Hauptprotagonisten Ethan Hunt auf Augenhöhe ist. Sie boxt ihn raus, sie ist ähnlich clever, wagemutig und stark. Schon lange beobachten Experten, dass Filme mit akzentuierten Frauenfiguren an den Kinokassen besonders reüssieren.

In Interviews schwärmt Ferguson von Cruise - wie übrigens die meisten Schauspieler, die je mit ihm zusammengearbeitet haben. Sie sagt, er gebe alles fürs Publikum, damit auch ja der Kaufpreis eines Kinotickets gerechtfertigt werde. Sie selbst hingegen mache ihren Job eher für den Kick. Immer wieder wird Cruise als lieb und zuvorkommend beschrieben, nicht nur von Ferguson. Er nehme auch schon einmal der Garderobenfrau von der Cateringbar einen Kaffee mit, heißt es.

Szene aus Mission Impossible VI

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Kein Double, kein Stuntman, sondern Cruise in Action

Perfekter Schwiegersohn ...

Toller Schauspieler, großartiger Film, ein netter Bursch, also alles eitel Wonne? Außerdem muss man das Kunstwerk vom Künstler trennen? Es scheint so. In Elogen wie jener im „Guardian“ und jener im „Hollywood Reporter“ kommt das Wort „Scientology“ nicht einmal vor. Dabei ist die große Rolle, die die umstrittene Religionsgemeinschaft in Cruise’ Leben spielt (und umgekehrt), nicht zu leugnen.

... oder Scientology-Erlöser?

Cruise spielt in der Topliga der Hierarchie der autoritären, demokratiefeindlichen Gemeinschaft, der es vor allem um kapitalistische Profitmaximierung geht, die stets danach trachtet, ihren Einfluss auf Politik und Wirtschaft auszuweiten, und die außerdem einem kruden Außerirdischen-Glauben anhängt. Vom obersten Scientologen, Cruise-Intimus David Miscavige, wird der Schauspieler als eine Art Erlöser gepriesen (wie von Kevin Fallon in „The Daily Beast“ ausgeführt wird). Seit „Top Gun“-Zeiten ist Cruise dabei. Unlängst zog er sogar in die unmittelbare Nachbarschaft der Scientology-Zentrale.

Es ist so üblich wie fragwürdig, dass Journalisten vor Interviews mit internationalen Topstars von deren Management eine Liste mit „verbotenen“ Themen bekommen. Bei Cruise soll „Scientology“ ganz oben auf dieser Liste stehen. Auch von sich aus kommt Cruise nur selten auf die Religionsgemeinschaft zu sprechen - meistens nur bei entsprechenden PR-Terminen, die nichts mit seinen Filmen zu tun haben.

Nur keine „Roseanne“ werden

Für Scientology werben: ja - aber nur solange es seinem „Mission“-Universum nicht schadet. Das hat durchaus auch für Scientology Sinn. Ein beschädigter, in Verruf geratener Cruise bringt ihnen nichts. Ob sich die Medien durch ihr Schweigen hier zu Handlangern machen? Zum Vergleich: Schauspielerin Roseanne Barr outete sich als Fan von US-Präsident Donald Trump und wurde dafür quer durch die Medienlandschaft geprügelt, im Sinne von: Personen des öffentlichen Interesses sollten über ein Mindestmaß an moralischer Integrität verfügen.

Freilich, Barr gab den Kritikern am Ende recht, indem sie einen unsäglich rassistischen Tweet über die Beraterin des Ex-Präsidenten Barack Obama, Valerie Jarrett, verfasste (sie sei das gemeinsame Baby von Muslimbruderschaft und „Planet der Affen“). Ihre Serie „Roseanne“ wurde zu Recht abgesetzt. Cruise hingegen gibt sich öffentlich moderat und lächelt strahlend in die Kameras. Er wird auch der große Held von „Mission: Impossible VII“ sein. Vorausgesetzt, es holt ihn nicht vorher ein Scientology-UFO ab.

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