Dunkler Schatten über Schlüsselrohstoff
Mehr als die Hälfte des weltweit abgebauten Kobalts, das eine Schlüsselrolle in den Akkus von Elektronikgeräten wie Smartphones, aber auch von E-Autos spielt, stammt aus der Demokratischen Republik Kongo. Laut der Menschenrechtsorganisation Amnesty International (AI) wird Kobalt dort unter „grausamen Bedingungen“ abgebaut - viele Unternehmen scheint das allerdings wenig zu kümmern.
Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.
Laut dem im November erschienenen Berichts „Time to Recharge“ - was neben „Zeit zum Wiederaufladen“ auch „Zeit für eine neuerliche Anklage“ heißen kann - haben nur einige wenige Unternehmen in den letzten Monaten ihre jeweilige Beschaffungsstrategie für Kobalt verbessert. Andere würden allerdings „nach wie vor nicht einmal grundlegende Schritte setzen und beispielsweise ihre Lieferketten in der Demokratischen Republik Kongo untersuchen“.
„Einige der reichsten und mächtigsten Unternehmen der Welt finden immer noch Ausreden dafür, warum sie ihre Lieferketten nicht genauer unter die Lupe nehmen“, sagte dazu die AI-Beauftragte für Unternehmen und Menschenrechte, Seema Joshi.

AP/Schalk van Zuydam
Kinderarbeit ist in kleinen Kobaltminen laut AI an der Tagesordnung
„Nicht einmal grundlegende Informationen“
Dieser zufolge sei es auch kaum verwunderlich, dass Konsumenten und Konsumentinnen hier vielfach im Dunkeln tappen. Ganz im Gegenteil habe man mit Schrecken herausgefunden, dass auch viele Unternehmen nach wie vor „nicht einmal grundlegende Informationen haben, woher ihr Kobalt stammt“.
Eigenen Angaben zufolge habe AI bereits vor fast zwei Jahren dokumentiert, dass Kobalt aus der Demokratischen Republik Kongo unter anderem mit Kinderarbeit in Verbindung stehe. Auch von anderer Seite wurde in den vergangenen Jahren immer wieder versucht, Licht in den undurchsichtigen Kobalthandel zu bringen. Im Fokus steht laut Deutscher Welle dabei der Kleinbergbau, „wo Männer mithilfe von einfachen Handwerkzeugen tief in die Erde graben, während andere - auch Frauen und Kinder - die schweren Säcke mit Steinen schleppen, aus denen Kobalt gewonnen wird“.
„Entsetzliche Arbeitsbedingungen“
Der für AI tätige Wissenschaftler Matt Dummlet spricht gegenüber der Deutschen Welle von entsetzlichen Arbeitsbedingungen: „Es gibt keine Sicherheitsausrüstung und die Menschen riskieren es, in den von Hand gegrabenen Minen lebendig begraben zu werden.“

AP/Schalk van Zuydam
Kobalt landet über undurchsichtige Wege von der Demokratischen Republik Kongo in den Akkus der großen Konzerne
Alle kobaltverarbeitenden Unternehmen in der Lieferkette müssten im Einklang mit den UNO-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte und den Leitsätzen der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) für Minerale ihre menschenrechtliche Sorgfaltspflicht erfüllen, forderte Amnesty. Das gelte von der Mine über die Verhüttung bis zur Produktionsstätte. Bei Menschenrechtsverstößen müssten sie Gegenmaßnahmen ergreifen und für Abhilfe sorgen.
29 Unternehmen im Visier
Einige Unternehmen hätten die Kontrollen der Kobaltlieferketten zwar verbessert, seien aber noch weit davon entfernt, lückenlos zu prüfen, sagte der Amnesty-Experte Mathias John. Obwohl 2016 mit den Vorwürfen konfrontiert, hätten dem AI-Bericht zufolge weder die darin im Fokus stehende chinesische Firma Huayou Cobalt noch 28 weitere Unternehmen „angemessene Schritte“ unternommen, „um internationale Standards tatsächlich zu befolgen“.
Kobalt bzw. aus dem Metall hergestellte Komponenten von Huayou Cobalt finden sich laut AI „in den Batterien, die viele herkömmliche Elektronikgeräte und Elektroautos mit Strom versorgen“. Die NGO verfolgte laut eigenen Angaben zunächst den Weg von Kobalt bis zu dem chinesichen Unternehmen und ging dann auch der Frage auf den Grund, wie Unternehmen, die im Geschäftskontakt mit Huayou Cobalt vermutet werden, mit der als fraglich in den Raum gestellten Lieferkette umgehen.
Erste Schritte in die richtige Richtung ortet AI in diesem Zusammenhang bei Apple. Der iPhone-Konzern habe nicht nur die Namen seiner Kobaltlieferanten bereits veröffentlicht - er sei auch mit Huayou Cobalt aktiv in Kontakt, um gegen Kinderarbeit in der Lieferkette vorzugehen.
„Schlechtes Zeugnis“
„Potenzial“ sieht AI dann auch bei Dell und HP, nachdem beide Unternehmen damit begonnen hätten, „ihre Lieferkette mit Huayou Cobalt genauer zu untersuchen“. Andere größere Elektronikkonzerne „hinken jedoch gewaltig hinterher“, wobei AI neben Microsoft hier unter anderem auch Lenovo „ein schlechtes Zeugnis ausstellt“.
Besondere Defizite weisen dem Bericht zufolge die untersuchten Autokonzerne BMW, Tesla, VW, Fiat-Chrysler und Renault auf. BMW habe sich „in einigen Aspekten verbessert“ und schneide unter den Autoherstellern vor Tesla als bester ab, zeige jedoch weiterhin „deutliche Mängel“. Volkswagen und Daimler wiesen „erhebliche Mängel“ auf. BMW versprach laut Deutscher Welle nun eine transparente Kobaltlieferkette und ein VW-Sprecher eine „unverzügliche und gründliche“ Untersuchung, sobald es Berichte über Verstöße gebe.
Von Korruption geplagte Branche
Den BMW-Verweis, Kobalt nur von großen Minen zu beziehen, wertet Peter Jones von der Nichtregierungsorganisation Global Witness unterdessen keineswegs als Absicherung für ein ethisch korrektes Verhalten. Dasselbe gelte auch für die Angaben von VW, wonach Kobalt nicht direkt, sondern über Zulieferer gekauft werde.
Vielmehr verweist Jones gegenüber der Deutschen Welle auch auf das Ausmaß an Korruption in der Demokratischen Republik Kongo. Ein „schwarzes Loch“ sei etwa das Bergbauunternehmen Gecamines, das von „jemandem aus Präsident Joseph Kabilas engstem Kreis geleitet“ werde. Allein wegen fehlender Bilanzen sei es Jones zufolge „unmöglich zu wissen, wo genau das Geld landet, das gezahlt wird“.
Anhaltender Hype?
Außer Frage erscheint vielen unterdessen eine steigende Nachfrage und damit goldene Zeiten für das Geschäft mit Kobalt. Nach Angaben des Nachrichtenportals Quartz sei der Kobaltpreis in den vergangenen zwölf Monaten um rund 80 Prozent gestiegen - Tendenz weiter stark steigend.
Ganz nach dem Motto ohne Batterie kein E-Auto und ohne Kobalt keine Batterie sind Autokonzerne verstärkt um Absicherung der hinter jedem Vorstoß Richtung E-Mobilität vermuteten steigenden Nachfrage bemüht. Laut „Financial Times“ („FT“) habe etwa VW zuletzt mit der Ausschreibung eines fünfjährigen Liefervertrags einen Vorstoß gewagt und sich dabei einen Korb eingehandelt - Kobalt zum Fixpreis sei nicht mehr zu haben.
Ob es überhaupt zu der „gerne wagemutig prognostizierten“ Nachfrageexplosion bei Kobalt kommt, ist zumindest laut „Neue Zürcher Zeitung“ („NZZ“) aber auch alles andere als eine ausgemachte Sache. Schließlich laufe der Zeitung zufolge bereits eine vielversprechende Suche nach Ersatz durch „konventionellere und billigere Stoffe“.
Links: