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Wenn Muster aufeinander krachen

In der Mode kehrt ein 90er-Jahre-Trend nach dem anderen zurück. Jetzt sind auch die Animalprints wieder da. Galt Kleidung mit tierischen Mustern lange eher als geschmacklos, steht sie heute für Selbstbestimmung und Unabhängigkeit. In diesem Sinn können Leopard, Jaguar und Tiger auch mit allen möglichen anderen Mustern kombiniert werden, auch wenn diese auf den ersten Blick nicht zusammenpassen.

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Wer die Präsentation der Herbst-Winter-Kollektionen in New York im vergangenen Februar beobachtet hat, der weiß bereits: Spätestens nach dem Sommer führt kein Weg an Animalprints vorbei, und zwar von Kopf bis Fuß. Tom Ford zeigte Strumpfhosen mit Giraffendruck und Hosenanzüge mit Schlangenprint, Victoria Beckham pelzige Trenchcoats, die an Jaguarfell erinnerten, und Raf Simmons schickte bei Calvin Klein Hüte und Jacken mit Leopardenmuster auf den Laufsteg.

Es rumort im Onlinedschungel

Dass Animalprints als Trend zurück sind, zeigen auch zahlreiche Influencerinnen in den Sozialen Netzwerken. Im vergangenen Monat drehte sich alles um einen bestimmten Seidenrock: Er ist knielang, hat ein stilisiertes Leopardenmuster und hört auf den Namen „Naomi“. Ein Modell eines australischen Labels, das innerhalb kürzester Zeit ausverkauft war.

Leandra Medine, Gründerin des bekannten Modeblogs Man Repeller, widmete dem Rock sogar einen ganzen Eintrag, in dem sie sich mit der Frage auseinandersetzte, ob sie das Kleidungsstück nun kaufen solle oder nicht. Sie entschied sich schließlich dafür. Die virtuelle Welt gebe ihr zwar das Gefühl, in einer Flut von Leoröcken unterzugehen, sie wolle das populäre Kleidungsstück den „echten“ Menschen in ihrem Umfeld jedoch nicht vorenthalten.

Blümchen waren gestern

Anders als die derzeit ebenfalls populären Blümchenmuster sind Animalprints mit allerlei Symbolik aufgeladen. Je nachdem, wie die Kleidungsstücke und Accessoires kombiniert werden, kann die Trägerin ihre eigene Interpretation zum Ausdruck bringen.

Die Zeit der Stilregeln sei in jedem Fall vorbei, sagt die Stylistin Rike Hemedinger im Gespräch mit ORF.at. Es gehe bei Animalprints vor allem um Spaß und modische Freiheit. „Beige-braune Leopardenmuster werden mittlerweile wie eine neutrale Farbe kombiniert“, so Hemedinger. Dabei würden viele auf „Clashing“ setzen und Streifen, Karos, knallige Farben und tierische Muster kombinieren.

Alexa Chung, Kate Moss

AP

It-Girl Alexa Chung und Modelikone Kate Moss greifen regelmäßig zu Jacken und Accessoires mit Animalprint

Mit Kleidung und Accessoires komplett in der Animalprint-Familie zu bleiben sei genauso möglich. „Dabei kann beispielsweise Kleid, Mantel, Tasche und Schuhe mit einem Leoprint tragen oder verschiedene Prints wie Giraffe, Zebra und Jaguar kombinieren“, so die Stylistin. Starke Akzente könne man mit Animalprints in Farben wie Senfgelb, Tomatenrot, Fuchsia und ungewöhnlichen Pastelltönen setzen.

Ein Muster mit Geschichte

Dass Animalprints heute wieder beliebt sind, liege aber nicht nur am Comeback der 90er Jahre, sondern an der gesamten Modegeschichte dieser Muster, betont die Stylistin. „Eine Frauenfigur, die Designern bis heute als Inspiration in puncto Animalprints dient, ist Luisa Casati“, sagt Hemedinger. Die adelige Venezianerin war eine Modeikone und Künstlermuse der 1910er und 1920er Jahre.

Sie trug nicht nur Capes und Hosen aus Leopardenfell, sie hielt sich auch zwei zahme Geparden als Haustiere, mit denen sie Spaziergänge im nächtlichen Venedig unternahm. „Diese Idee, in die Haut eines wilden Tieres zu schlüpfen, eine unabhängige Frau zu sein, ist seit damals mit der Musterung der Wildkatzen verbunden“, so die Stylistin.

Nichts für „süße“ Frauen

Erst in den 1940er Jahren kommen die ersten Kleider und Mäntel mit Animalprint auf den Markt. Bis dahin trug, wer es sich leisten konnte, das Fell bzw. die Haut der Wildtiere auf dem Körper. „Christian Dior war einer der ersten Designer, der Kleider mit Jaguarmuster auf den Laufsteg schickte und damit einem breiteren, aber immer noch gehobenen Publikum zugänglich machte“, so Hemedinger.

1947 entwickelte Dior gemeinsam mit dem berühmten Stoffproduzenten Bianchini-Ferier seinen exklusiven „Dschungeldruck“, den er auch in den Jahren danach immer wieder einsetzte. Dior selbst schrieb in seinem „Kleinen Wörterbuch der Mode“, dass Frauen eine bestimmte weltgewandte Femininität brauchten, um sich in Wildkatzenprints zu kleiden. „Tragen sie es nicht, wenn Sie blass und süß sind“, so der 1957 verstorbene Designer.

Schrill, aufdringlich und aggressiv

Diese Zuschreibung änderte sich spätestens in den 1960er Jahren. US-Designer wie der 1938 aus Österreich geflüchtete Rudi Gernreich kleideten androgyne Models von Kopf bis Fuß in Giraffen- und Tigerprints. Models wie Peggy Moffitt und Edie Sedgwick, It-Girls des Jahrzehnts, wurden mit ihren wilden Looks zu Stilvorbildern für viele Frauen und rückten Animalprints damit bereits in die Nähe von Gegenkultur und Rebellion.

Models mit Animalprint-Kleidung

AFP

In den 90er Jahren kehren Animalprints in die Luxusmode zurück

In den 70er Jahren kamen Animalprints dann in der Massenkonfektion an, und alle, die wollten, konnten sich Kleidung und Accessoires mit tierischen Mustern zulegen. „Animalprints spielen auch in der Musikszene dieser Zeit, im Punk, New Wave und Rock, eine wichtige Rolle“, sagt Hemedinger. Musikerinnen wie Debbie Harry hätten die Muster bewusst schrill inszeniert, erklärt die Stylistin.

Animalprints wurden damit auch zum Ausdruck einer grenzgängerischen Haltung. „Es ging auch um die Überschreitung etablierter Frauenbilder, um Selbstbestimmtheit und Unabhängigkeit“, sagt Hemedinger. Was folgte, war eine Art Abwertung des Looks: Aufdringlich, proletarisch und sexuell aggressiv waren die Zuschreibungen, die man von da an mit Animalprints assoziierte.

Die vielen Facetten der Wildkatzen

1991 zeigte Azzedine Alaia in seiner Herbst-Winter-Kollektion einige körperbetonte Strickkleider und -mäntel mit Leopardenmuster. Die „Vogue“ attestierte den Modellen des aus Tunesien stammenden Designers damals ein neues und ungezähmtes Gefühl von „animalischem Magnetismus“. Animalprints waren damit in die „High Fashion“ zurückgekehrt.

Gleichzeitig trugen Indie-Rock-Stars wie Shirley Manson und Courtney Love abgetragene Leojacken aus Kunstpelz. Kate Moss gab das coole Mädchen in einer Jacke mit Zebraprint. Und Mel B alias Scary Spice hüpfte in tief ausgeschnittenen Wildkatzen-Jumpsuits durch die Spice-Girls-Konzerte. „Diese verschiedenen Zugänge zu Animalprints sieht man auch heute in der Mode, die reichen von Freiheitsliebe und Protest bis zu Konformismus und Understatement“, so Hemedinger.

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