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Auf Aktienkurs durchgeschlagen

Für Aufregung - und noch mehr offene Fragen - hat ein angeblicher Jahrhundertfund in Südkorea gesorgt. Das Unternehmen Shinil Group teilte Anfang der Woche mit, auf das Wrack eines russischen Kriegsschiffs gestoßen zu sein. Der Kreuzer soll laut dem Unternehmen 200 Tonnen Gold geladen haben. Beweise dafür blieb die Shinil Group bisher aber schuldig.

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Am Ende war es ihr eigener Kapitän, der das Schicksal der „Dmitrii Donskoi“ besiegelte. 22 Jahre war der russische Panzerkreuzer im Dienst der russischen Marine gestanden, als ihn und seine Besatzung im russisch-japanischen Krieg das Glück verließ. Das Schiff wurde von japanischen Einheiten derart schwer beschädigt, dass die Besatzung es aufgeben musste. Am 29. Mai 1905 ließ Kapitän Ivan Lebedev den Panzerkreuzer vor der Küste der koreanischen Insel Ulleungdo versenken.

Erfolgsmeldung aus 450 Metern Tiefe

113 Jahre später will ein südkoreanischen Unternehmen jetzt das Wrack der „Dmitrii Donskoi“ gestoßen entdeckt haben. Zwei Videos stellte die Shinil Group ins Internet. Darauf zu sehen ist unter anderem das angebliche Heck - inklusive des kyrillisch geschriebenen Namens des Schiffes. In 450 Metern Tiefe will das internationale Suchteam, mit dabei waren laut der Shinil Group auch Experten aus Kanada und Großbritannien, auf den rostigen Rumpf des Schiffes gestoßen sein. Für das Unternehmen ist das Wrack aber nur Behältnis für weitaus Wertvolleres.

Archivbild des russischen Kriegsschiffs Dmitrii Donskoi

Public Domain

1883 lief die „Dmitrii Donskoi“ vom Stapel, 22 Jahre später wurde sie versenkt. Ihre Ladung: noch unbekannt.

„Wir gehen davon aus, dass dort Goldkisten liegen - das ist historisch bewiesen“, sagte ein Shinil-Group-Sprecher gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters. Er sprach von „fest verschnürten Kisten“, die das Unternehmen an Bord des Schiffes entdeckt habe. Das deute auf einen „sehr wertvollen Inhalt hin“. Das Unternehmen spekulierte mit einem Goldschatz im Wert von 150 Billionen Won (rund 113 Mrd. Euro). Die Zahl scheint dabei völlig aus der Luft gegriffen. Die gesamten Goldvorräte Südkoreas belaufen sich auf rund 104 Tonnen - und sind umgerechnet rund 4,1 Mrd. Euro Wert.

Zweifel an großer Goldmenge

Vor allem gibt es bisher aber keinerlei Beweise, dass der Panzerkreuzer überhaupt einen solchen Goldschatz geladen hatte. Laut der Nachrichtenagentur AP wiesen russische Historiker bereits in der Vergangenheit darauf hin, es sei sehr unwahrscheinlich, dass ein einzelnes Schiff so viel Gold transportiert habe. Wenngleich es möglich sei, dass der Kreuzer ein paar Goldmünzen an Bord gehabt habe, um den russischen Marineoffizieren ihren Sold auszuzahlen.

„Es herrschte offensichtlich Krieg mit Japan. Hätte man eine große Menge Gold nach Wladiwostok liefern wollen, wäre es auf dem Landweg viel sicherer gewesen“, sagte am Freitag auch der Direktor des russischen Militärgeschichtemuseums zur Pazifikflotte in Wladiwostok, Jewgeni Schuralew. Zweifel am Fund äußerte auch das staatliche Koreanische Institut für Ozeanwissenschaft und –technologie (KIOST). Es ließ koreanische Medien wissen, dass es das Wrack bereits 2003 entdeckt habe – aber keinen Goldschatz.

Erinnerungen an 2001

Die nunmehrige Meldung des Sensationsfunds ließ in Südkorea Erinnerungen an 2001 aufkommen. Damals hatte das südkoreanische Bauunternehmen Dong-Ah Construction ebenfalls verkündet, auf das gesunkene Kriegsschiff gestoßen zu sein. Die Meldung über den angeblichen Fund war ebenso mit der Behauptung gepaart, an Bord befänden sich Hunderte Tonnen Gold.

Für die Firma nahm die angebliche Entdeckung allerdings kein gutes Ende. Schnell wurden Vorwürfe gegen Dong-Ah Construction laut: Die Firma habe falsche Gerüchte gestreut, um den eigenen Börsenkurs nach oben zu treiben. Tatsächlich war der Preis für Dongh-Ah-Aktien kurzzeitig fast um die Hälfte gestiegen. Beweise für seinen Schatzfund blieb das Unternehmen aber schuldig - der Kurs stürzte ab, und am Ende musste Dongh-Ah Construction Konkurs anmelden.

Berg- und Talfahrt an der Börse

Die Shinil Group ist zwar nicht an der Börse. Laut der Nachrichtenagentur AP gab das Unternehmen aber vor Kurzem bekannt, sich beim Konzern Jeil Steel einkaufen zu wollen. Und dessen Börsenkurs ging nach der Ankündigung des Wrackfundes tatsächlich steil nach oben. Allerdings nur so lange, bis der Stahlkonzern bekanntgab, dass die Shinil Group nur der zweitgrößte Anteilseigner werden würde – und Jeil Steel „keinerlei Verbindung zum Geschäft mit Schatzschiffen“ habe. Der Aktienpreis sank daraufhin wieder um ein Fünftel.

Fragwürdige Website zu Krypotwährung

Für Verwirrung sorgte überdies die Tatsache, dass Shinil erst Anfang Juni gegründet worden war. Und glaubt man der Internetpräsenz des Unternehmens - eine Website, die vor allem aus unfertigen Unterseiten besteht - ist das Hauptgeschäft von Shinil Group der Handel mit Kryptowährungen. So wird auch ein eigenes virtuelles Zahlungsmittel zum Wrackfund angeboten - der „Donskoi International“.

Über die Währung wolle man den Gewinn aus dem Schatzfund teilen, heißt es auf der Website. Jeder, der sich bei der Shinil-Group-Handelsbörse anmelde, bekomme Einheiten des „Donskoi International“. Und weiteres virtuelles Geld gebe es für alle, die andere für eine Registrierung werben würden.

Ein Shinil-Group-Sprecher bestand allerdings gegenüber Reuters darauf, dass die Webseite nichts mit seinem Unternehmen zu tun habe. Laut dem Sprecher will das Unternehmen in der kommenden Woche in einer Pressekonferenz Details zum Inhalt der an Bord gefundenen Kisten präsentieren. Außerdem solle ein chinesisches Bergungsunternehmen mit der Hebung des Wracks beauftragt werden.

Warnung vor „überhitzten“ Investitionen

Südkoreas Behörden äußerten sich sehr skeptisch. In einem Statement warnte die Finanzmarktaufsicht des Landes mögliche Investoren vor „überhitzten“ Investitionen. Sie könnten „massive Verluste erleiden, wenn sie auf Gerüchte ohne konkrete Fakten setzten“, so die Behörde. Und selbst wenn sich an Bord des russischen Kreuzers tatsächlich ein Schatz befinden sollte, ist damit nicht gesagt, dass ihn die Shinil Group heben darf.

Museumsdirektor Schuralew machte sich bereits für die russischen Ansprüche auf das Wrack stark. Laut dem internationalen Seerecht sei ein Kriegsschiff Hoheitsgebiet des Staates, unter dessen Flagge es fährt. „Der Status ändert sich nicht, auch wenn es sinkt“, sagte Schuralew am Freitag. Alle Arbeiten an dem Wrack müssten mit Russland abgesprochen werden.

Shinil Group: Nur Wrack gefunden

Selbst wenn Südkorea die Ansprüche Russlands außer Acht lassen würde: Um offiziell mit der Bergung beginnen zu dürfen, müsste das Unternehmen erst einmal darum ansuchen und eine nicht unwesentliche Summe hinterlegen - nämlich zehn Prozent des vermuteten Werts.

Geht man von den 150 Billionen Won aus, mit der die Shinil Group öffentlich spekulierte, wäre das die gewaltige Summe von 15 Billionen Yon, also umgerechnet mehr als elf Milliarden Euro. Angesichts dieser Zahlen äußerte sich das Unternehmen bereits deutlich weniger großspurig: Entdeckt worden sei bisher nur das Wrack, hieß es vonseiten der Shinil Group. Und das sei nicht mehr als 1,2 Mrd. Won (860.000 Euro) wert.

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