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„Ein feministischer Blockbuster“

In ihrem zwölften Roman erzählt die gefeierte US-Autorin Meg Wolitzer die Geschichte einer Mentorin und ihres Schützlings – und verhandelt hintergründig die drängenden Fragen zur heutigen Situation des Feminismus. In den USA sorgte das Buch für Aufsehen und stieg gleich auf Platz zwei der „New York Times“-Bestsellerliste ein.

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„Auf unheimliche Weise zeitgemäß“, hieß es in der Besprechung der „New York Times“, von einem „feministischen Blockbuster“ sprach das amerikanische Branchenblatt „Kirkus“ und der englische Verleger sprach gar vom „großen amerikanischen Roman dieser Ära“: Dass „Das weibliche Prinzip“ ein solcher Hype war, kam für Wolitzer selbst ein wenig überraschend.

Als die 1959 Geborene an „Das weibliche Prinzip“ zu schreiben begann, da gab es nämlich weder bewusstseinsbildende Hashtags noch Women’s Marches oder das, was man inzwischen die größte feministische Bewegung seit Dekaden nennt. Alles, was es gab, war das langjährige Interesse von Wolitzer, für, wie sie dem „Guardian“ erzählte, „weibliche Macht, Feminismus und Misogynie“.

„#MeToo“ avant la lettre

Ganz am Anfang des Romans: das, was man heute einen „#MeToo“-Moment nennt. Die Protagonistin Greer Kadetzky ist gerade aufs College gekommen und wird gleich auf ihrer ersten Partytour, auf einem Fest der Studentenverbindung, sexuell belästigt. Greer ist nicht das erste Opfer von Darren Titzler. Der fliegt schließlich auf und es gibt trotzdem – man kennt es nur allzu gut – nur alibihafte Konsequenzen.

Autorin Meg Wolitzer

picturedesk.com/KURIER/Gerhard Deutsch

Autorin Wolitzer - als sie mit dem Roman begann, gab es noch keine „#MeToo“-Bewegung

Der Übergriff ist jedenfalls ein politischer Weckruf für die kluge, sehr belesene, „konzentriert ehrgeizige“, ziemlich schüchterne und, wie sie selbst bedauert, „unfreche“ Studentin. Es ist eine der Stärken des Buchs, diese Greer als höchst facettenreiche Persönlichkeit zu zeichnen, als vielschichtig, widersprüchlich und letztlich auch nicht fehlerlos. Genauso wie ihre spätere Mentorin, die berühmte Feministin Faith Frank, deren Glamour nur anfangs alles überstrahlt, bevor die Konturen schärfer werden.

Hashtag „#SandwichhäppchenFeminismus“

Die Begegnung zwischen den beiden Frauen unterschiedlicher Generationen wird für Greer zum biografischen – und für den über 20 Jahre reichenden Roman zum dramaturgischen – Schlüsselereignis: Nach einem Vortrag gibt die 63-Jährige, die sich in den 1980er Jahren einen Namen gemacht hat, der erstaunten 18-Jährigen ihre Visitenkarte: „Die Karte war für sich genommen schon ein abstrakter Gewinn, eine Ermahnung, nicht immer so piepsend zu sprechen oder rot zu werden wie eine Tomate.“

Nach dem College beginnt Greer in Faiths Stiftung Loci zu arbeiten, einer Stiftung, die auf hohem Level, mit einem fragwürdigen Risikokapitalunternehmen als Finanzgeber, feministische Dinnertables und Konferenzen organisiert. „Loci lief gut, und es wurde gelästert, etwa über #ReicheTussen und #WeißeDamen-Feminismus, aber der Hashtag, der Faith am stärksten irritierte, hieß #SandwichhäppchenFeminismus.“ Und zunehmend irritiert zeigt sich auch die idealistische Greer – bis es zum großen Clash kommt.

Feminismus, Liebes- und Coming-of-Age-Geschichte

Wo steht der Feminismus heute? Welche Bedeutung hat die „alte“ Generation für uns heute? Ist der verwässerte „Großkapital-Feminismus“ oder der „weiße Mittelklasse-Feminismus“ tatsächlich hilfreich für die Sache? Wie weit unterstützen uns und wie weit beeinträchtigen uns informelle Netzwerke? Ist die Korrumpierung der eigenen Ideale vielleicht unvermeidlich? Solche und ähnliche Fragen stellt das Buch, während es zugleich aber auch „den politischen Moment transzendiert“, wie Wolitzer sagt.

Was da heißt: Es geht um viel mehr als diesen Grundplot. „Das weibliche Prinzip“ ist außerdem nämlich eine einfühlsame (Teenager-)Liebesstory, eine ironische gefärbte und seinen Protagonistinnen doch wohlgesonnene Coming-of-Age-Story und, noch dazu, eine ungeschönte und doch herzenswarme Freundinnen- und Familiengeschichte.

Cover des Buchs das weibliche Prinzip

Dumont

Buchhinweis

Meg Wolitzer: Das Weibliche Prinzip. DuMont Buchverlag, 544 Seiten, 24,70 Euro

Und, was außerdem noch eindeutig für das Buch spricht, das Personal sind wirklich coolen Heldinnen, die Wolitzer pointiert und mit Witz durchs komplexe Leben schickt. Zum Beispiel etwa auch durch den Dschungel einer verschworenen Kunststudentenclique - „Oberschichtgewächse“, die „ständig von der ‚männlichen Sichtweise’ faselten“, liest man da etwa und merkt: Mit der eigenen, feministischen Sache wird - zu unser aller Glück - auch ironisch ins Gericht gegangen.

Ein Cover nach dem Geschmack der Autorin

Aufgemacht ist „Das weibliche Prinzip“ übrigens in einem farbenprächtigen geometrischen Cover mit großem Schriftzug: Ein Cover, so könnte man meinen, ganz nach dem Geschmack der Autorin: 2012 hat Wolitzer in der „New York Times“ den aufrüttelnden Essay „The Second Shelf“ über den Sexismus in der Literaturbranche geschrieben, der ihr, noch vor ihrem großen Erfolg mit „Die Interessanten“ (2014), auch hierzulande Aufmerksamkeit verschaffte.

„Wenn ‚Die Liebeshandlung’ von Jeffrey Eugenides von einer Frau geschrieben worden wäre“, hieß es da zu Beginn, „hätte er dann genauso viel literarisches Interesse geweckt?“ Die Marginalisierung weiblicher Literatur begründe sich nicht zuletzt, so lautete Wolitzers Diagnose, auch in der Auswahl von mädchenhaften und verträumten Covern, die „Bleibt weg, Männer. Lest stattdessen Cormac McCarthy!“ schreien. Männer dagegen hätten oft riesige Schriftzüge am Titelbild. Genauso einen hat jetzt Wolitzer auf ihrem neuen Roman vorne drauf.

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