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In italienischen Gewässern gerettet

Italien hat sich erneut geweigert, im Mittelmeer gerettete Menschen aufzunehmen, und Unterstützung von der EU gefordert. Die 450 Geflüchteten waren mit einem Holzboot bis vor die Küsten italienischer Inseln gefahren. Dort wurden sie am Samstag an Bord eines italienischen und eines Frontex-Schiffs genommen. Innenminister Matteo Salvini dachte sogar laut über einen Rücktransfer nach Libyen nach.

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Italien sei nicht länger bereit, sich allein eines Problems anzunehmen, das alle Länder der EU betreffe, schrieb Ministerpräsident Giuseppe Conte am Samstag in einem Brief an Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker und Ratspräsident Donald Tusk, wie ein Regierungssprecher bestätigte. Eine Sprecherin der EU-Kommission sagte in Brüssel, der Brief sei noch nicht eingetroffen.

Conte: Zusagen von Malta und Frankreich

Laut Conte erhielt Italien aber noch im Laufe des Samstags zumindest von Malta und Frankreich die Zusage, dass sie einen Teil der 450 Menschen aufnehmen. Die beiden Länder hätten sich bereiterklärt, jeweils 50 Geflüchtete zu übernehmen, so Conte auf seiner Facebook-Seite. „Sehr bald werden Zusagen anderer europäischer Länder eintreffen“, fügte er hinzu.

Die Vereinbarungen mit Malta und Frankreich seien „nach einem Tag telefonischer und schriftlicher Kontakte mit allen 27 europäischen“ Staats- und Regierungschefs zustande gekommen, erläuterte Conte. Er habe ihnen „die Logik und den Geist des Teilens in den Schlussfolgerungen“ des EU-Gipfels Ende Juni in Erinnerung gerufen. Der maltesische Premier Joseph Muscat bestätigte die Einigung mit Conte. „Wir werden im Einklang mit unserer Politik an der Umverteilungsinitiative teilnehmen. Malta fordert nicht nur, sondern bietet auch Solidarität an“, so Muscat.

Angekündigter Eskalationsschritt

Um den Druck auf die EU-Partner in der Migrationsfrage zu erhöhen, hatte die neue Regierung aus der fremdenfeindlichen Lega und der populistischen Fünf-Sterne-Bewegung in den vergangenen Wochen mehrfach Schiffe mit geretteten Flüchtlingen auf dem Meer blockiert. Bisher waren von der italienischen Blockade aber in erster Linie die Schiffe privater Hilfsorganisationen betroffen.

Dass die italienische Regierung diesmal einem Schiff der EU-Grenzschutzbehörde Frontex das Anlegen verweigert, stellt einen neuen Schritt dar. Wenngleich Italiens Innenminister diesen im Vorfeld angekündigt hatte. Vergangenes Wochenende hatte Salvini auf Twitter geschrieben, er wolle auch Schiffe internationaler Missionen im Mittelmeer das Einlaufen in italienische Häfen verwehren.

Salvini markiert harte Linie

Salvini bekräftigte am Samstag in einem Telefonat mit Conte, dass er die geflüchteten Menschen abweisen wolle. Nach seinem Willen müssten sie nach Malta „oder noch besser (nach) Libyen“ gebracht werden, wie er nach Angaben aus Lega-Kreisen Conte in dem Telefonat sagte.

Aus Regierungskreisen verlautete, die Regierung diskutiere derzeit drei Möglichkeiten, die die Blockade lösen könnten. Entweder die Geretteten würden „unverzüglich“ auf die EU-Staaten verteilt. Oder man organisiere die Rückführung der Menschen nach Libyen in Absprache mit dortigen Behörden. Oder es werde an Bord der Schiffe geprüft, ob die Menschen Anspruch auf Asyl hätten. Acht Frauen und Kinder wurden der Nachrichtenagentur ANSA zufolge bereits wegen ihres Gesundheitszustands von der italienischen Küstenwache nach Lampedusa gebracht.

Erneut Streit zwischen Italien und Malta

Wegen des jüngsten Seenotrettungsfalls war es bereits vor dem Wochenende zum Streit zwischen Italien und Malta gekommen. Salvini hatte am Freitag gesagt, das Boot sei in maltesischen Gewässern gewesen, deshalb müsse sich Malta darum kümmern. Ein Regierungssprecher in Valletta sagte, das Boot sei 53 Seemeilen vor Lampedusa und 110 Seemeilen von Malta entfernt gewesen, als die Seenotrettungsstelle in Malta informiert worden sei. Malta habe keine Befugnis gehabt, Anweisungen zu geben.

Die beiden südeuropäischen Staaten Italien und Malta haben in den vergangenen Wochen wiederholt über die Zuständigkeit für Flüchtlingsschiffe gestritten. Im vergangenen Monat musste Malta das Flüchtlingshilfsschiff „Lifeline“ mit 234 Menschen an Bord anlegen lassen. Tage zuvor hatten Italien und Malta das Rettungsschiff „Aquarius“ mit 630 Flüchtlingen an Bord zurückgewiesen, so dass es nach Spanien umgelenkt werden musste.

Boot schaffte es vor italienische Inseln

Angesichts der Unklarheit, was mit den übrigen Migranten geschehen soll, rückte am Samstag in den Hintergrund, dass der Fall eine neue Entwicklung darstellen könnte. Die Menschen waren auf einem Boot unterwegs, bei dem es sich Medienberichten zufolge um ein großes Fischerboot handelte, das von Libyen aus gestartet sein soll. Dabei handelte es sich augenscheinlich nicht um eines jener kaum seetüchtigen Boote, die es kaum aus den libyschen Gewässern herausschaffen und auf die in der Diskussion zuletzt vermehrt verwiesen wurde.

Italienische Kommentatoren sprachen am Samstag bereits davon, dass die „Route nach Lampedusa“ wieder geöffnet sei. Die Schlepper würden damit auf die jüngsten Entwicklungen in der Seenotrettung reagieren, schrieb „La Repubblica“. Derzeit sind im Mittelmeer keine Schiffe von privaten Seenotrettungsorganisationen unterwegs.

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