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Mit Anreiz und Sanktionen

Erstmals seit Beginn des österreichischen Ratsvorsitzes hat ein informelles EU-Ministertreffen stattgefunden. Bei der Sitzung der Justiz- und Innenminister und -ministerinnen in Tirol sollte es nicht um Beschlüsse gehen, sondern um das gegenseitige Ausloten der Positionen im Asylstreit. Dabei waren Gastgeber und Gäste um Harmonie bemüht.

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Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) lud nach dem Treffen zu einer gemeinsamen Pressekonferenz mit EU-Innenkommissar Dimitris Avramopoulos und Deutschlands Innenminister Horst Seehofer. Man müsse jetzt die Gelegenheit nützen, so Kickl, es gebe in der EU derzeit eine Dynamik im Bereich Asyl und Migration, „eine Frage, die von manchen als Schicksalsfrage für die Europäische Union tituliert wird“.

„Wollen Schengen-Raum retten“

Man habe gemeinsam intensiv diskutiert, auch über Maßnahmen, die über die sechs Monate der österreichischen Ratspräsidentschaft hinausreichten. Seehofer sei mit auf dem Podium, da Deutschland 2020 den Ratsvorsitz übernehme. Kickl lobte Fortschritte, die nach 2015 erreicht worden seien. Doch seien grundlegende Probleme auch nach der großen Flüchtlingsbewegung geblieben. „Wir wollen den Schengen-Raum retten“, sagte Kickl am Donnerstag vor Journalisten und Journalistinnen aus aller Welt. Dazu aber bedürfe es eines krisenfesten Außengrenzschutzes und eines ebenso krisenfesten Asylsystems. Dabei habe man in vielen Punkten einen „Grundkonsens“ erreicht.

Pressekonferenz in Tirol

Im Rahmen des österreichischen EU-Ratsvorsitzes traf Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) auf seine Amtskollegen in der EU.

So sei man sich einig, dass die EU-Grenzschutzagentur Frontex gestärkt werden und mit einem entsprechenden Mandat und Budget ausgestattet werden solle. Avramopoulos sagte, dazu solle eine eigene EU-Grenzschutzpolizei mit rund 10.000 Beamtinnen und Beamten bis 2020 aufgebaut werden. Auch Lücken bei Personal und in der technischen Ausrüstung von Frontex sollen beseitigt werden, so der Kommissar.

Treffen der Justiz- und Innenminister der EU

APA/Barbara Gindl

Avramopoulos, Kickl und Seehofer: Einigkeit in Asylfragen

Auch wolle man Maßnahmen in Herkunfts- und Transitländern setzen, und zwar mit einem System des Anreizes, aber auch der Sanktionen, so Kickl, „etwa im Bereich der Rückübernahmen von eigenen Staatsbürgern“. Auch über die „Ausschiffungsplattformen“ sei gesprochen worden: Man sei übereingekommen, dass diese „auch in Beziehung mit den Drittstaaten hilfreich“ sein müssten und im Einklang mit dem Völkerrecht sowie EU- und internationalem Recht.

Suche nach Kandidatenländern

Das sagte auch Avramopoulos: Daher seien solche „Anlandeplattformen“ in Drittstaaten auch kein „Outsourcing von Verantwortung“, so der Kommissar. Diese würden nur in Kooperation mit der Internationalen Migrationsagentur und dem UNHCR entstehen und die Genfer Flüchtlingskonvention respektieren. Zudem werde keinem Land etwas aufgezwungenen.

Analyse von Professor Christopher Hein

Wie und ob die Vorschläge der EU-Innenminister zum Thema Asyl und Grenzschutz umsetzbar sind, analysierte Christopher Hein in der ZIB2, Professor für Asylrecht und Migration der Universität Luiss in Rom.

Welche Länder freiwillig solche Plattformen betreiben würden, ist ohnehin vollkommen offen. Bisher haben ins Auge gefasste Staaten wie Tunesien strikt abgelehnt. Auch am Donnerstag kamen die Minister hier nicht weiter. Kickl sagte, er wolle in dieser Frage nicht den zweiten Schritt vor dem ersten tun. Er wolle „möglicherweise“ einen Modellversuch in Nordafrika starten. Welches Land dafür infrage kommen soll, wollte Kickl aber nicht sagen, damit das Projekt nicht vorab in den Medien zerschossen werde, so Kickl.

System soll schneller werden

Avramopoulos betonte, die EU befinde sich nicht mehr in einer „Migrationskrise“ wie 2015. Jetzt müsse man auf den Fortschritten der vergangenen drei Jahre aufbauen. Das Asylsystem solle effizienter werden. Man müsse das Screening der Menschen schneller durchführen, um rascher festzustellen, ob Asyl gewährt werde oder rückgeführt werden müsse, so Avramopoulos.

Der EU-Kommissar hatte sich im Vorfeld des Treffens noch skeptischer gezeigt. So sagte er etwa, er habe die Idee von Flüchtlingszentren in Drittstaaten nicht kritisiert, sondern nur mit einer Gegenfrage reagiert: „Gibt es irgendein Land, das gewillt ist, diese Zentren auf seinem Boden zu errichten? Mir ist bisher keines bekannt.“ Die Pläne Kickls, keinen Asylantrag mehr auf europäischem Boden zuzulassen, kommentierte Avramopoulos zurückhaltend. „Sehr schwer zu implementieren. Wir sind alle an die Genfer Flüchtlingskonvention und die europäischen Grundwerte gebunden.“ Diese Pläne waren am Donnerstag ohnehin kein Thema mehr.

Treffen der Justiz- und Innenminister der EU

APA/Barbara Gindl

Kickl als Gastgeber in Tirol

Kickl, Salvini und Seehofer im Einklang

Schon am Donnerstag in der Früh hatten Kickl, Seehofer und Salvini einander getroffen und dabei Entschlossenheit in Sachen Asylverschärfung signalisiert. Man wolle von einer „Kooperation der Willigen“ zu einer „Kooperation der Tätigen“ werden, so Kickl in einer gemeinsamen Pressekonferenz. Schon am 19. Juli soll ein nächstes Treffen von Beamten der drei Innenministerien in Wien stattfinden.

Migration Hauptthema in Innsbruck

Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) fordert eine, wie er sagt, „krisenfeste Asylpolitik“.

Salvini plädierte für mehr Unterstützung für Libyen, das Migrantinnen und Migranten bereits im Land an der Überfahrt nach Italien hindern solle. Gleichzeitig sollen die Regeln für internationale Seenotrettung von Flüchtlingen im Mittelmeer geändert werden, wiederholte der Politiker der rechtspopulistischen Lega eine Forderung.

Scharfe Kritik von Ärzte ohne Grenzen

Die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen kritisierte die EU-Politik heftig. Private Rettungsschiffe seien weiterhin „dringend notwendig“. Die politischen Entscheidungen der EU-Staaten der vergangenen Wochen hätten „tödliche Folgen“. Es sei eine kaltblütige Entscheidung, Menschen „im Mittelmeer ertrinken zu lassen“, so Karline Kleijer, Notfallkoordinatorin bei Ärzte ohne Grenzen (MSF) via Aussendung.

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