Moser: Regeln gab es schon vor EU-Beitritt
ÖVP-Justizminister Josef Moser hat am Dienstag neuerlich betont, dass sein „Gold-Plating“-Projekt nicht zum Abbau von Sozial- und Umweltstandards führen werde. Insbesondere die Aufweichung von Urlaubs- und Mutterschutzregeln komme aus Sicht des zuständigen Ministers nicht infrage, weil diese schon vor dem EU-Beitritt bestanden haben, hieß es in einer Aussendung des Ministeriums.
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Unter „Gold-Plating“ versteht die Regierung die aus ihrer Sicht unerwünschte Übererfüllung von EU-Mindeststandards. Bis Mitte Mai hat das Justizministerium entsprechende Hinweise von Interessenvertretern gesammelt. In einem weiteren Schritt sollen die einzelnen Ministerien nun bis 5. September melden, welche dieser Bestimmungen aufgehoben werden können. Ein entsprechendes Schreiben des Justizministeriums ist nun an die Ressorts ergangen.
„Mit dem ‚Gold-Plating‘-Projekt sollen keine nationalen Schutznormen zurückgenommen bzw. keine Sozialstandards (wie z. B. der bestehende Urlaubsanspruch und der Kündigungsschutz im Mutterschutz) gesenkt werden“, heißt es in dem mit 9. Juli datierten Brief an die Ressorts: „Ziel ist es, bürokratische Auswüchse im Zusammenhang mit der Übererfüllung von EU-Normen einzudämmen.“
Vorschläge auf von Ministerium verschickter Liste
Allerdings enthält die zu diesem Zweck an die Ministerien verschickte Liste sehr wohl auch Vorschläge der Wirtschaftskammer (WKÖ) und der Industriellenvereinigung (IV), in denen „Gold-Plating“ beim Mutterschutz, bei den Urlaubs- und Arbeitszeitregelungen sowie im Konsumenten- und Umweltschutz beklagt werden. Das Justizministerium begründete das am Dienstag damit, dass die Meldungen der Interessenvertreter vom Verfassungsdienst ungefiltert zusammengefasst wurden. Dass soziale Schutzstandards tatsächlich abgeschwächt werden könnten, schloss das Ministerium aber aus.
IV bestreitet Existenz der Liste
Anlass für die Aufregung ist eine Auflistung von Beispielen für „Gold-Plating“ (Übererfüllung) von EU-Vorgaben, die die Regierung gesammelt hat und deren Inhalt inzwischen durchgesickert ist. Die WKÖ führte dabei laut Gewerkschaft auch die fünfte Urlaubswoche mit folgendem Vermerk an: „Mehrkosten; die Unternehmen sind verpflichtet, die Dienstnehmer trotz Abwesenheit zu bezahlen“.
Als „unnötige Einschränkung des Kündigungsrechts“ wird der Schutz während des Mutterschutzes bezeichnet. Die entsprechende EU-Richtlinie lasse nämlich in Ausnahmefällen eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses „im Rahmen einer Massenentlassung“ zu. WKÖ und IV dementierten, dass sie für eine Verkürzung des Mindesturlaubs und eine Lockerung des Mutterschutzes eintreten. Die IV betonte in einer Aussendung zudem, dass keine solche „gemeinsame Liste der IV und der WKÖ“ existiere. Von Moser wurde deren Existenz aber indirekt bestätigt.
„Aus Anlass eines EU-Rechtsaktes“
„Betroffen sind nationale Rechtsvorschriften, die aus Anlass eines EU-Rechtsaktes erlassen wurden, über das Ziel hinausschießen und das Leben der Österreicherinnen und Österreicher erschweren“, sagte Moser am Dienstag: „Schutznormen aus dem Sozial- und Umweltbereich, wie zum Beispiel Arbeitnehmerschutzbestimmungen, zählen nicht dazu und sind vom ‚Gold-Plating‘-Projekt ausgenommen.“ Außerdem hätten die fraglichen Arbeitnehmerschutzbestimmungen (Urlaub, Mutterschutz) schon vor dem EU-Beitritt gegolten. „Sie haben schon vor Beitritt zur EU bestanden und sind daher kein ‚Gold-Plating‘“, betonte Moser.
Ampelsystem für Regeln
Die Ministerien sollen die Liste nun nach einem Ampelsystem in drei Kategorien einteilen: „Grün“ bedeutet, dass eine Regel sofort zurückgenommen werden kann, „gelb“ muss näher geprüft werden und „rot“ wird auf keinen Fall zurückgenommen. „Grün“ wäre aus Sicht der Justiz die Milchmeldeverordnung, „rot“ die Urlaubszeit und der Mutterschutz. Ein Gesetzesentwurf mit den Bestimmungen, die auf EU-Mindestnormen zurückgenommen werden, soll im zweiten Halbjahr folgen.
Die FPÖ reagierte empört auf die Aussagen von SPÖ und Gewerkschaft. Die SPÖ solle ihre „Lügenpropaganda“ sofort einstellen, so Generalsekretär und EU-Mandatar Harald Vilimsky am Dienstag. „Es ist ein Armutszeugnis der Sonderklasse, wie SPÖ-(Bundesgeschäftsführer Max, Anm.) Lercher und die roten Gewerkschaftsbonzen Unwahrheiten bezüglich der fünften Urlaubswoche und des 13. und 14. Gehaltes verbreiten“, so Vilimsky.
Beides werde mit einer FPÖ in der Regierung niemals angerührt. Er sprach von einem „unwürdigen roten Spiel mit Unwahrheiten“ und forderte die Entlassung jener Funktionäre, die für die Aktion mit Pflastersteinen und Grablichtern verantwortlich seien.
Hartinger sieht „Demagogie und Desinformation“
Sozialministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) kritisierte, dass Lercher Schwangere zur Zielscheibe von Verunsicherungen mache. Er behaupte bewusst fälschlich, dass es in Hinkunft keinen ausreichenden Kündigungsschutz für Mütter bis vier Monate nach der Entbindung mehr geben soll, und spreche von Massenentlassungen. „Das ist für mich als zweifache Mutter und sozial engagierte Bundesministerin der Gipfel von Demagogie und Desinformation.“
Auch ÖVP kritisiert „Angstmache“
Auch ÖVP-Generalsekretär Karl Nehammer wirft SPÖ und Österreichischem Gewerkschaftsbund (ÖGB) vor, wissentlich und wiederholt Unwahrheiten zu verbreiten. „Das ist Angstmache und hat mit seriöser Politik nichts mehr zu tun“, kritisierte er in einer schriftlichen Stellungnahme die Sozialabbauwarnungen bezüglich Mutterschutz und Urlaubsanspruch.
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