Themenüberblick

Markt mit starkem Wachstumspotenzial

Der Musikmarkt ist im Umbruch. Mit physischen Tonträgern und Downloads lässt sich immer weniger Geld verdienen, der wachsende Streamingbereich kann die Verluste nicht kompensieren. Für Bands und Plattenlabels gilt es, neue Einnahmequellen anzuzapfen. Ein Weg dazu führt über Werbung und Soundtracks - das dahinterliegende Business mit Synchronisationsrechten gewinnt auch in Österreich an Wichtigkeit.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.

Dem Verband der Österreichischen Musikwirtschaft (IFPI Austria) zufolge sind im Vorjahr 145,4 Mio. Euro auf dem österreichischen Musikmarkt erwirtschaftet worden. Sechs Millionen davon stammen aus dem Bereich „Sync, Merch (Merchandise; Anm.), Sonstige“. Im Vergleich zum Jahr 2010 hat sich dieser Wert verdoppelt - damals wurden laut IFPI Austria drei Mio. in diesem Geschäftsfeld umgesetzt.

In der Musikwirtschaft bedeutet „synchronisieren“ das Zusammenführen von Musik und audiovisuellen Arbeiten. In Österreich gibt es das „Synchronisationsrecht“ an sich gar nicht, die Vergabe von Lizenzen für die Verwendung von Musikstücken in der Werbung, im Film oder in Computerspielen ist über mehrere Bestimmungen im Urheberrecht geregelt.

Deals in fünf- und sechsstelliger Höhe

Auf der einen Seite des Business stehen Tonstudios und Musikschaffende, die Jingles und Soundtracks komponieren und einspielen. Auf der anderen Seite ist der Sync-Bereich für Bands und Labels attraktiver geworden - und umgekehrt: Österreich hat sich in den vergangenen Jahren als Exportland für hochwertige Popmusik etabliert, was auch das Interesse internationaler Werbe- und PR-Agenturen an heimischen Künstlerinnen und Künstlern geweckt hat.

Einer der Profiteure ist der Linzer Elektroswing-Pionier Parov Stelar, dessen 2012 veröffentlichter Song „All Night“ in einem Werbespot des Mode- und Kosmetikkonzerns Paco Rabanne verwendet wurde. Das ebenfalls aus Oberösterreich stammende Elektropopduo Leyya schaffte es heuer mit „Superego“ in eine weltweite TV-Kampagne für die Kosmetikmarke Olaz. Ebenso globale Verbreitung, allerdings über einen ganz anderen Weg, fand der Song „Help Our Souls“ der Tiroler Band Nihils, der auf dem Soundtrack zum Eishockey-Computerspiel „NHL 16“ vertreten ist. In Österreich wiederum griff die Erste Bank und Sparkasse für eine große Kampagne auf einen Song der burgenländisch-steirischen Band Tagträumer zurück.

Für Künstlerinnen und Künstler, die sich durch das rechtliche Dickicht trauen, gibt es gerade im Werbebereich viel zu holen. In den vergangenen Jahren haben einige österreichische Acts Deals in fünf- und sogar sechsstelliger Höhe abgeschlossen.

Chance für die Kleinen

Nicht nur der Mainstream profitiert, auch Indiebands und -firmen mischen mit. „Wenn man es geschickt anstellt, kann man durch Sync einen kompletten Release durchfinanzieren“, sagt Jürgen Distler, der beim kleinen Wiener Label ink Music den Sync-Bereich leitet. Neben Leyya haben auch andere Acts aus dem Hause ink im Vorjahr gute Geschäfte im Sync-Bereich gemacht, etwa der Produzent Daffodils oder die Band Farewell Dear Ghost.

Mit den Einnahmen lasse sich die Entwicklung von Künstlerinnen und Künstlern finanzieren, sagt Distler. „Außerdem ermöglicht es kleineren Labels in Zeiten, in denen es sehr schwierig ist, Bands Vorschüsse zu bezahlen, eine andere Art der Finanzierung.“ Daneben sei der Sync-Bereich für Bands ein gutes Mittel zur Promotion geworden. „Wenn es eine coole Kampagne oder ein cooles Produkt ist, dann ist auch der Imagemehrwert da“, sagt Distler. Im Film- und Fernsehbereich ist finanziell weniger zu holen - imagemäßig aber umso mehr: „Wenn du in einen weltweit laufenden Film reinkommst, ist das ein Multiplikator zur Verbreitung deiner Musik.“

Stärkere Verbindung von Musik und Video

Distler rechnet damit, dass die Bedeutung des Sync-Business in den kommenden Jahren weiter steigt. Eine Einschätzung, die auch der Wirtschaftswissenschaftler Peter Tschmuck im Gespräch mit ORF.at teilt: „Insgesamt können wir beobachten, dass es inhaltliche Konvergenz von verschiedenen Entertainment-Produkten gibt“, sagt Tschmuck, der in Wien an der Universität für Musik und darstellende Kunst zum Musikmarkt forscht.

„Das heißt, Musik wird überhaupt viel, viel stärker mit Video zusammen vermarktet werden und auch eine stärkere Rolle in Games spielen. Dieser Trend ist jetzt schon feststellbar. Dann sind die Einnahmen aus Synchronisationsdeals umso wichtiger. Da ist ein Markt, der stark wachsen wird, sowohl international wie national“, so Tschmuck weiter. Umgerechnet 14,9 Mrd. Euro wurden 2017 weltweit auf dem Musikmarkt umgesetzt. Das Sync-Geschäft steuerte zwei Prozent zu den Gesamteinnahmen bei - Luft nach oben wäre allemal.

Risiken und Nebenwirkungen

Tschmuck rät Künstlerinnen und Künstlern, beim Abschluss eines Vertrags vorsichtig mit der Rechteeinräumung zu sein, den Vertragsgegenstand ganz genau zu definieren und aufzupassen, die Rechte nicht zu breit - das heißt über die Kampagne hinaus - zu vergeben.

Entscheidend sei, wie der Vertrag zwischen Band und Verlag aufgebaut sei, ergänzt Distler: „Da gibt es immer die sogenannten ‚Sync-Klauseln‘, in denen definiert ist, was an den Künstler geht und was an den Autor und Urheber und was dem Verlag bleibt. Es gibt schon Normen, von denen man sich aber wegbewegen kann. Es ist Verhandlungssache.“

Nach Ansicht Tschmucks sollten Bands darüber hinaus gewisse Nebeneffekte bedenken, die auf den ersten Blick vielleicht gar nicht relevant erscheinen. Etwa dass das zur Verfügung gestellte Stück Musik womöglich für längere Zeit mit einem Produkt in Verbindung gebracht wird, „mit dem ich im Nachhinein nicht mehr identifiziert werden möchte“.

Ausverkauf und Integrität

Für Künstlerinnen und Künstler ist der Grat zwischen gelungenem Auftritt in der Werbung und dem Abgleiten ins Peinliche ein schmaler. In den 1980ern warben Tina Turner und David Bowie im Duett für den Limonadenhersteller Pepsi. Nach diesem Video „wird man Bowie nie mehr mit denselben Augen sehen“, kommentierte das US-Magazin „Wired“ spitz.

Legendär war auch die Verbindung zwischen Michael Jackson und dem US-Getränkekonzern. In den 1980ern trat der „King of Pop“ in zahlreichen Pepsi-Werbevideos auf. Bei einem Dreh fingen Jacksons Haare Feuer. Die durch die Verletzungen verursachten Schmerzen sollen Jackson in die Abhängigkeit getrieben haben. Pepsi wirbt übrigens bis heute mit dem Künstler. Aktuell ist sein Konterfei auf Pepsi-Dosen in den USA zu sehen.

Der Vorwurf, mit der Musik auch die Integrität zu verkaufen, wird Künstlerinnen und Künstlern im Jahr 2018 nur noch selten gemacht. Ausnahmen bestätigen die Regel: Der stets wortgewaltige Frontman der Nine Inch Nails, Trent Reznor, übte im Vorjahr in einem „Vulture“-Interview scharfe Kritik an Rockbands, die ihre Musik für Geld hergeben und in Interviews auch noch darüber reden. Anlass war ein Werbedeal der New Yorker Band Grizzly Bear mit einem deutschen Autohersteller.

Neue Rolle für Plattenfirmen

Das wichtiger werdende Sync-Business verändert auch die Rolle der Plattenfirmen. „Labels und Verlage werden im Sync-Business wieder als Intermediär in Bezug zu den Künstlern wichtiger“, sagt Tschmuck. Eine Band könne schwer zu einem großen Unternehmen gehen und einen Deal abschließen.

Eigentlich sei man davon ausgegangen, dass die Bedeutung der Labels mit der Digitalisierung schwinde, sagt Tschmuck - was aber überhaupt nicht der Fall sei: „Sie nimmt eher zu. Nicht nur im Bereich Sync, sondern auch in Bezug auf Streaming, Playlistmarketing und letztlich auch im Livebusiness.“ Labels seien mittlerweile universale Dienstleister geworden, „die zwar im Kern noch A & R (Artists and Repertoires, Anm.) und Aufnahmefunktion haben, aber in Wirklichkeit eine Riesenpalette an Leistungen anbieten können“.

Links: