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Der „Harry Potter der Privatisierungen“

Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser (FPÖ/parteilos) hat am Dienstag in einer ausführlichen, mehrere Stunden dauernden Stellungnahme seine Sicht auf die BUWOG-Privatisierungen dargelegt. Am 41. Prozesstag des Korruptionsprozesses bekannte sich Grasser „nicht schuldig“ und wies alle gegen ihn aufgebrachten Vorwürfe entschieden zurück.

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Grasser, für den die Unschuldsvermutung gilt, ist wegen Geschenkannahme durch Beamte, Bestimmung zur Untreue und Beweismittelfälschung angeklagt. Laut Anklage der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft hat er bei der Privatisierung der Bundeswohnungen im Jahr 2004 gemeinsam mit den Mitangeklagten Walter Meischberger, Ernst Karl Plech und Peter Hochegger eine fast zehn Millionen Euro hohe Provision kassiert. Weiters ist er wegen einer 200.000-Euro-Zahlung der Errichter des Linzer Büroturms Terminal Tower angeklagt. Im Falle einer Verurteilung drohen dem heute 49-jährigen Ex-Minister bis zu zehn Jahre Haft.

„Schwierigste Situation in meinem Leben“

Richterin Marion Hohenecker kam am Dienstag nur wenig zu Wort. Grasser begann in seinen Ausführungen ganz am Beginn - bei seinen Anfängen in der Politik - und ließ nichts aus. Er habe als Finanzminister sieben Tage die Woche 16 bis 18 Stunden am Tag gearbeitet, so Grasser, alles im Interesse des Staates. Denn bei seinem vorigen Arbeitgeber habe er weit mehr verdient, so Grasser zu Richterin Hohenecker.

Zeichnung von Walter Meischberger und Karl-Heinz Grasser

S.R.Ayers (Dossier.at)

Gerichtszeichnung: Grasser nahm bis zum Nachmittag in einem Monolog Stellung

„Es ist sehr schwierig für mich, als Angeklagter hier zu stehen, sicher die schwierigste Situation in meinem Leben.“ Das Ermittlungsverfahren sei teilweise gesetzeswidrig verlaufen, weil es öffentlich geführt worden sei. Er sei neun Jahre kriminalisiert und als Verbrecher hingestellt worden. Grasser beklagte, wie zuvor schon der zweitangeklagte Ex-FPÖ-Generalsekretär Meischberger, eine mediale Hetzjagd. Die Anklage sei nun ein „Kriminalroman“: „Die Staatsanwaltschaft liegt falsch, die Anklage hat kein Fundament“, sagte Grasser.

Angriff auf Staatsanwälte

Grasser bestritt den in der Anklageschrift beschriebenen „Tatplan“, wonach er und andere bei Privatisierungen und Aufträgen der damaligen schwarz-blauen Bundesregierung durch Korruption mitverdienen wollten. Er sei „eine Erfindung der Staatsanwaltschaft“, sagte Grasser. Er warf auch dem - mitangeklagten - früheren Geschäftspartner und Lobbyisten Hochegger Falschaussage vor.

BUWOG-Prozess: Grasser bekennt sich „nicht schuldig“

Im BUWOG-Prozess bekannte sich Grasser „nicht schuldig“ - stattdessen griff er die Anklage an.

Hochegger hatte im laufenden Prozess ein Teilgeständnis abgelegt und damit Grasser belastet. Stattdessen frage er sich, ob es nicht einen „Masterplan“ seiner politischen Gegner und anderer gegeben habe. Die Staatsanwälte hätten zudem keinerlei Erfahrungen mit Privatisierungen - machten ihn aber gleichzeitig zum „Harry Potter der Privatisierungen“, so Grasser. Ein Finanzminister setze nichts um, er könne operativ praktisch gar nichts tun, sagte er.

Offene Fragen

Weiters habe er mit dem mitangeklagten Ex-FPÖ-Generalsekretär Meischberger rund um den BUWOG-Verkauf keinen Kontakt gehabt, sagte Grasser. Daher habe er ihm auch nicht den Tipp geben können, wie viel der letztendliche Käufer - die Immofinanz - anbieten musste. Meischberger, Hochegger und Ex-Immofinanz-Chef Karl Petrikovics hatten in diesem Punkt übereinstimmend ausgesagt, dass in der letzten Phase der Privatisierung von Meischberger über Hochegger die Information weitergegeben wurde, das Immofinanz/RLB-OÖ-Österreich-Konsortium solle mehr als 960 Mio. Euro bieten. Sie boten 961,3 Mio. Euro, knapp mehr als die CA Immo mit 960,1 Mio. Euro.

Meischberger habe wohl gute Informationen „vom Markt“ gehabt. Vielleicht sei es ja auch „ein simpler Zufall“ gewesen, dass die beiden letzten Angebote so knapp beieinandergelegen seien. Wodurch weiterhin die Frage offen ist, warum dann die Immofinanz für den Tipp, wie viel sie für die Bundeswohnungen bieten muss, ein Prozent des Barpreises, also rund 9,6 Mio. Euro, an Hochegger und Grassers Trauzeugen Meischberger gezahlt hat. Grasser wies auch den Anklagepunkt der Bestechlichkeit bei der Errichtung des Terminal Tower als „Seifenblase“ der Staatsanwälte zurück. Er habe in der Frage der Einmietung der Finanzbehörden in das Linzer Bürohaus in Wahrheit gar keine Rolle gespielt.

Grasser legt aus, Fiona zahlt bar

Der ehemalige Finanzminister gab am Dienstag auch Einblicke in die Welt seiner Familie und die seiner Ehefrau Fiona Pacifico Griffini-Grasser. Sie sei nämlich der Grund für zahlreiche Bareinzahlungen auf seinem Konto. Er habe von seiner Frau immer wieder Bargeld bekommen, wenn er etwas für sie ausgelegt habe.

Angeklagter Peter Hochegger, Angeklagter Walter Meischberger, Angeklagter Karl Heinz Grasser, Anwalt Norbert Wess und Anwalt Manfred Ainedter

APA/Hans Punz

Tag 41 im BUWOG-Prozess: Hochegger und Meischberger (l.) waren schon an der Reihe, Grasser nun erstmals

So habe er etwa die Hochzeitskosten selber ausgelegt, das Geld aber dann von seiner Ehefrau in bar zurückbekommen. Auch komme es immer wieder vor, dass ihre Kreditkarte nicht funktioniere, dann habe er in Geschäften für sie bezahlt. Sie würde ihm dann später seine Ausgaben immer in bar zurückerstatten. Dieses Bargeld habe er dann auf sein Konto eingezahlt.

„Schwiegermutter-Geld“ über Grenze gebracht

Lange Erklärungen gab es auch zum inzwischen berühmten „Schwiegermutter-Geld“: Dabei geht es um 500.000 Euro, die Grasser von seiner Schwiegermutter geschenkt bekommen haben will - wovon allerdings die Schwiegermutter laut einer Erklärung nichts wusste.

Im Gerichtssaal

ORF-Reporter Johannes Schwitzer-Fürnsinn analysiert Grassers Darlegung, die mehr als fünf Stunden dauerte.

Konkret habe die Schwiegermutter das Geld ihm und seiner Frau Fiona aus persönlichen Gründen geschenkt. Er habe aber gleich gewusst, dass er das Geschenk nicht annehme. Physisch hatte Grasser das Geld, das ihm die Schwiegermutter in der Schweiz geschenkt haben soll, jedoch angenommen und über die Grenze nach Österreich gebracht. Das sei nicht illegal gewesen, betonte er.

„Brachiale“ Methoden gegen Familie

Grasser erklärte das Verhalten seiner Schwiegermutter damit, dass die damals etwa 70 Jahre alte Schwiegermutter nach einer Hausdurchsuchung und einer Steuerprüfung überfordert gewesen sei. Daher habe sie eine notarielle Erklärung abgegeben, dass sie nie die wirtschaftlich Berechtigte des Geldes auf dem Konto - wo Grasser das Geld veranlagt hatte - gewesen sei.

Grasser habe das Geld bei der Meinl Bank veranlagt, der Schwiegermutter habe er davon nichts erzählt, weil es sie, aufgrund ihrer Vermögensverhältnisse, gar nicht interessiert habe. Ihn hätten die 500.000 Euro und die Veranlagung als Finanzminister auch nicht interessiert. Er habe überhaupt keine Zeit gehabt, diese Veranlagung zu machen, angesichts des milliardenschweren Budgets des Staates Österreich.

Anwalt Norbert Wess, Angeklagter Karl Heinz Grasser und Anwalt Manfred Ainedter

APA/Hans Punz

Grasser mit seinen Anwälten Norbert Wess (l.) und Manfred Ainedter

Es sei mit „brachialen“ Methoden gegen die Familie seiner Frau vorgegangen worden, die viele tausend Arbeitsplätze in Österreich sichere, so Grasser. Wegen der Eskalation, der Medienberichte über das „Schwiegermutter-Geld“ und der Hausdurchsuchungen im Hause der Familie habe das Verhältnis zur Schwiegermutter massiv gelitten. „Versetzen sie sich in die Gedanken einer ungefähr 70 Jahre alten Dame“, so Grasser, die „noch nie ein Problem mit der Behörde hatte“, „ganz korrekte Schweizer“. Seine Schwiegermutter sei in diesen Berichten „in den Schmutz gezogen“ worden - sie sei extrem schockiert gewesen, dass ihr das passiert sei.

Grasser betonte, dass er seine Frau Fiona aus Liebe zu ihr und nicht aus Liebe zum Geld geheiratet hat. Daher habe er auch von Anfang an Wert auf eine Gütertrennung gelegt. Grassers Frau Fiona hatte eine eidesstattliche Erklärung abgegeben, dass das Geld von ihrer Mutter stamme und in ihrem Beisein in der Schweiz an Grasser übergeben worden sei. Bewegungsprofile, die die Staatsanwaltschaft erstellt hat und wonach laut Anklage unmöglich ist, dass er das Geld von seiner Schwiegermutter im Beisein seiner Frau im von ihm angegebenen Zeitraum in der Schweiz erhalten habe, seien ebenfalls falsch.

„Meine Zeugen sind die Menschen“

Gegen Ende seiner Stellungnahme, die mehr als fünf Stunden in Anspruch nahm, ritt Grasser noch scharfe Attacken gegen Hochegger und dessen Teilgeständnis zu Beginn des Prozesses. Grasser sagte, Hochegger sei nach wie vor ein geschickter PR-Profi, und seinen Wandel zum spirituellen Yoga-Praktizierenden nehme er ihm nicht ab. „Eine Schlange, die sich häutet, bleibt eine Schlange.“ Er erkläre sich das Verhalten Hocheggers ihm gegenüber damit, dass er vor zehn Jahren mit ihm gebrochen habe. Grasser monierte auch, dass Hochegger jahrelang bei den Ermittlungen nichts von seinem angeblichen Wissen über Grassers Korruption bei der Privatisierung der Bundeswohnungen preisgegeben habe. Entweder habe Hochegger damals gelogen oder er lüge jetzt.

Zu Meischberger fällt Grasser ein milderes Urteil: Das Verhältnis zu Meischberger sei aufgrund der Entwicklungen „belastet“ gewesen. Die Freundschaft zu kündigen wäre für ihn, Grasser, nicht möglich gewesen. „Ein Freund bleibt ein Freund, auch wenn er einmal einen Fehler macht.“ Abschließend sagte Grasser: „Für mich geht es hier um wirklich viel“, um ein Leben am Ende des Tages. Aber: „Meine Zeugen sind die Menschen und die Zahlen, Daten und Fakten in den Akten.“ Es sei „unschuldig und hoffe auf Gerechtigkeit“. Hohenecker hat die von Grasser zitierten Statements mitgelesen und darauf hingewiesen, dass es Diskrepanzen gibt.

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