Gesprächsbedarf bei Allianzen
Der Wettbewerb, das ORF-Archiv und eine mögliche gemeinsame Vermarktungsplattform sind Donnerstagnachmittag bei der Medienenquete mitunter recht hitzig debattiert worden. Dabei standen einander die Privaten, der Verband Österreichischer Zeitungen (VÖZ) und der ORF gegenüber. Letzterer zeigte sich aufgeschlossen für Kooperationen, die Mitbewerber waren aber nicht restlos überzeugt und lieferten unterschiedliche Einschätzungen einer gemeinsamen Plattform.
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In der aktuellen medialen Zeitenwende sei es notwendig, dass ORF, Private und Zeitungen in Richtung Allianzen gehen, um sich gemeinsam gegen die globalen Player zu wehren, so ORF-Online-Chef Thomas Prantner in der Paneldiskussion. Benchmark hierfür sei die „Austria Videoplattform“. Prantner plädierte daher für die ORF-Idee eines gemeinsamen „Österreich-Players“: „Ich glaube, das Motto heißt Kooperation statt Konfrontation.“
Wettbewerb im Fokus
Unter dem Motto „Neue Allianzen, leichter gesagt als getan?“ wurde hitzig debattiert.
Die Marktmacht sei jedoch für die Mitbewerber erdrückend, kritisierten deren Vertreter auf dem Podium. „Heute“-Herausgeberin Eva Dichand monierte die „inhaltliche Konkurrenz“ des ORF, denn diese sei nicht überwindbar. Sie schlug daher vor, die Preise für Werbung im ORF-TV zu verdoppeln oder die Werbezeiten zu halbieren. Außerdem solle es eine kostenlose Digitalplattform geben.
„Kuchen immer kleiner“
„In schrumpfenden Märkten rammen wir uns die Messer in den Rücken, weil der Kuchen kleiner wird. Das wird die Branche umbringen“, sagte Puls-4-Infochefin Corinna Millborn. Eine Allianz mit einem so starken Player wie dem ORF funktioniere nur, wenn man die Konkurrenzsituation herausnehme, meinte Millborn. Geld, das etwa beim gegenseitigen Überbieten für Übertragungsrechte eingespart würde, könnte man in Kooperationen stecken.
Millborn sprach sich zwar für etwas Gemeinsames aus, eine Mediathek allein werde aber nicht reichen: „Da muss man Geld in Forschung und Entwicklung stecken“, um besser als das „zweite Facebook“ zu sein. Sie plädierte dafür, europäische Allianzen zu schaffen, um gegen Google und Facebook bestehen zu können.
VÖZ will Reform des Kartellrechts und ORF-Gesetzes
VÖZ-Geschäftsführer Gerald Grünberger sieht in der gemeinsamen digitalen Vermarktung eine Möglichkeit. Neben dem guten Willen der Beteiligten ist aus seiner Sicht aber eine Reform des Kartellrechts und des ORF-Gesetzes notwendig. Das Allheilmittel sei eine gemeinsame Mediathek nicht: „Man wird schauen müssen, an welcher Ecke man des Euros habhaft wird.“ Grünberger ist der Ansicht, dass nicht der Markt schrumpfe, sondern eine Umverteilung stattfinde. Er freute sich außerdem über die Ankündigung des ORF am Donnerstag, sich etwas von Facebook zurückzuziehen.

APA/Hans Punz
Thanner, Prantner, Dichand, Millborn, Grünberger, Fellner und Weissenberger (v. l.)
Oe24-Chef Niki Fellner ist vom Potenzial von Vermarktungskooperationen nicht überzeugt und monierte, dass der ORF online den Großteil des Werbemarktes abziehe: „Um den Rest können wir wettlaufen. Davon kann kein Digitalmedium leben.“ Fellner hätte gerne Zugriff auf das Archiv des ORF, habe dieser doch in den vergangenen Jahren mit Gebührenmitteln „massenweise Material“ hergestellt: „Es wäre nur fair, wenn man das österreichischen Medien zur Verfügung stellt. Im ORF-Archiv schlummern Schätze.“ Dieses sollte für Fernsehen, Radio und Onlineplattformen geöffnet werden, bevor es „dahinvegetiert“.
Dieser Vorschlag stieß bei Prantner auf wenig Anklang. Er ließ umgehend wissen: „Das kommt überhaupt nicht infrage“, dass dieser Schatz „geplündert“ werde. Er kündigte an, die ORF-TVthek mit mehr Archivmaterial auszustatten. Selbst wenn aber beschlossen würde, das Archiv generell zu öffnen, sieht Prantner Probleme im Wettbewerbsrecht, im Kartellrecht und beim Copyright.
Thanner für „digitales Denken“
Theodor Thanner, Chef der Wettbewerbsbehörde, zeigte sich offen dafür, das digitale Kartellrecht hinsichtlich der Marktabgrenzung „neu zu denken“: „Die digitale Welt macht nicht am Walserberg halt, die Interessen gehen weiter.“
Thanner ließ dann auch wissen, dass er mit seiner Meinung, die Märkte vor dem digitalen Hintergrund neu denken zu wollen, in der Kartellrechtsszene relativ allein sei. „Es kann keine Einheitszeitung oder Einheits-TV in Österreich geben. Das wollen wir alle nicht“, sagte er und rief dazu auf, gemeinsam an Lösungen zu arbeiten. Kooperationen seien gut, wenn man sie richtig mache, so der Chef der Wettbewerbsbehörde.
Fellner brachte außerdem die ORF-Gebühren aufs Tapet. Auch Thanner stellte in den Raum, ob Gebühren und Werbeeinnahmen bei TV, Radio und online „nicht ein bisschen viel“ sei. Prantner wehrte sich dagegen, am gegenseitigen „Befetzen“ mitzumachen: Wenn man entsprechend kooperiere, könne das den Medienstandort stärken, zeigte er sich überzeugt.
Keynote zu Log-in-Allianzen
In der vorangegangenen Keynote sprach Jan Oetjen (net-ID) über Log-in-Allianzen und verlautbarte das Ende der „Cookie-Ära“. Das Problem derzeit sei, dass Cookies als Identifier genutzt würden, die sogar die Erlaubnis hierfür speicherten. Die Leidtragenden seien dabei jene, die mit Cookies Geld verdient hätten. 2019 beginne die ID-Ära, bei der für alles Log-in-Daten benötigt würden: „No ID, no data, no future.“
Oetjen ist aber optimistisch: „Die Chancen waren nie so gut wie heute. Dem Nutzer ist das schon lange klar.“ Politik sei zwar okay, politische Prozesse dauerten aber lange, und daher bleibe der Industrie nichts anderes übrig als gemeinsam vorzugehen. Oetjen stellte daher die Log-in-Allianz net-ID vor, bei der jeder mitmachen könne. Die Daten bleiben dabei in Europa, es gebe keinen Datenabfluss in die USA, und das stelle auch jeder Accountprovider sicher.
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