Der heikle Umgang mit dem Silicon Valley
Der Auftakt der zweitägigen Medienenquete im Wiener MuseumsQuartier hat zahlreiche Appelle und Aufträge an Politik und Medien geliefert. Das Themenspektrum war mit den Schwerpunkten „Wettbewerb“ und „Europa“ breit - kein Vorbeikommen gab es allerdings an dem Komplex Digitalisierung, der Frage nach österreichischen Inhalte in einer globalisierten Medienlandschaft und neuen Spielregeln für Onlinekonzerne für Google, Facebook und Amazon.
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Bereits in seiner Eröffnungsrede ortete Initiator und Medienminister Gernot Blümel (ÖVP) zurzeit einen „asymmetrischen Wettbewerb zwischen lokalen und globalen Medien“. Österreichische Medien müssten sich heute mit globalen Konzernen messen, die anders aufgestellt seien und kaum Regulierungen unterlägen.
Frage nach österreichischen Inhalten
Wer glaube, dass man in Österreich über Medien so weiterdiskutieren könne wie in der Vergangenheit, unterschätze den aktuell stattfindenden digitalen Wettbewerb. „Es geht um die Frage, ob es in zehn Jahren österreichische Inhalte im digitalen Raum gibt und ob es auch eine Pluralität in der österreichischen Medienszene gibt“, so Blümel, der die demokratiepolitische Bedeutung der Diskussion unterstrich.
Minister Blümel über mediale Missverständnisse
Medienminister Gernot Blümel (ÖVP) sprach bei der Medienenquete in Wien über einen „asymmetrischen Wettbewerb zwischen lokalen und globalen Medien“.
Den Fokus auf den notwendigen technischen Unterbau legte Infrastrukturminister Norbert Hofer (FPÖ). Er forderte via Videobotschaft für die Zukunft ein leistungsfähiges und flächendeckend ausgebautes 5G-Netz, das Streamingdienste in hoher Qualität ermögliche, sowie die digitale Betriebsstätte und bezeichnete die E-Privacy-Verordnung als „echte Gefahr“ für die österreichische Medienlandschaft, die Ausnahmen erfordere.
Hofer verweist auf Infrastruktur
Infrastrukturminister Norbert Hofer (FPÖ) gab einen Überblick über das geplante 5G-Netz für Österreich.
Medien, Monopole, Steuern
Drei Grundsätze für medienpolitische Maßnahmen zur Digitalisierung sah der ehemalige ORF-Generalintendant Gerhard Zeiler, heute Präsident von Turner International. Zum Ersten „sind Medien wie Medien zu kontrollieren und zu regulieren, auch wenn sie aus Plattformen entstanden sind und auch heute noch leugnen, Medien zu sein“. Zum Zweiten seien Monopole wie Monopole zu regulieren und gegebenenfalls mit Auflagen zu belegen. So könne er sich etwa ein Regularium vorstellen, dass große Technologiekonzerne zur kostengünstigen Bereitstellung von Daten zur kommerziellen Nutzung für kleinere Konkurrenten verpflichtet.
„Faire Marktbedingungen“ gefordert
„Monopole sind wie Monopole zu regulieren“, sagte Zeiler mit Blick auf Facebook, Google und Co.
Drittens sei in Zukunft für Gleichberechtigung in der Steuergesetzgebung zu sorgen. Zeiler sprach sich dabei auch für das Konzept der digitalen Betriebsstätte aus, das hier „zumindest teilweise Abhilfe“ schaffen könne. Diese Grundsätze seien vorzugsweise auf EU-Ebene durchzusetzen. Vor allem in Steuerfragen sehe er aber keinen Grund, warum es keinen Alleingang Österreichs geben könnte.
EU-Kommission: „Überregulierung nicht das Ziel“
Der Frage nach der Regulierung oder Deregulierung auf EU-Ebene widmete sich auch ein eigenes Diskussionspanel. Dabei wurden engere Grenzen für Google, Facebook und andere gefordert. „Überregulierung“ könne aber nicht das Ziel sein, sagte Claire Bury von der EU-Kommission. Zeitgemäße Anpassungen seien aber nötig, so der Tenor.
Silicon Valley und die EU
Den Europafaktor bei der Deregulierung von großen Onlineplattformen wurde intensiv diskutiert. Mit dabei war auch ein Google-Vertreter.
Tobias Schmid von der Landesanstalt für Medien im deutschen Nordrhein-Westfalen gab allerdings zu bedenken, dass in den Ländern bereits bestehende Regeln zu zögerlich gefordert würden. Er nannte als Beispiel „nicht gekennzeichnete Werbung von Influencern“ in Sozialen Netzwerken. Auf solch eine Durchsetzung bestehender Vorschriften werde oft verzichtet. Und: Die EU müsse etwa Facebook auch deutlich sagen, „was wir wollen“, sagte Schmid. Durchaus müsse der Rechtsrahmen aber angepasst und „abstrakter werden“ - denn jeder Einzelfall lasse sich nicht regeln.
„Schnell, aber nicht ‚fast and furious‘“
„Mehr Regulierungsinstrumente“ forderte unterdessen Corinna Drumm vom Verband Österreichischer Privatsender (VÖP). Auf EU-Ebene gehe das schlicht zu langsam, so seien „regulatorische Defizite“ entstanden. „Wir sollten schnell sein“, konzedierte Bury, „aber wir sollten nicht ‚fast and furious‘ sein“, meinte sie in Anlehnung an die bekannten Action-Filme: „Wir sollten ‚fast and smart‘ sein.“ Denn die Digitalisierung eröffne viele Chancen.
Thomas Kralinger, „Kurier“-Geschäftsführer und Präsident des Verbands Österreichischer Zeitungen (VÖZ), findet es „legitim, sich darüber Gedanken zu machen, ob die Steuergesetze heute geeignet sind, den Markt abzubilden“. Man könne heute auch nicht Medien machen wie vor 25 Jahren. Unter anderem müsse das Urheberrecht dringend für den gesamten europäischen Markt gleich gestaltet werden. Heute gebe es „Ausbeutung fremder Leistung“.
Google verweist bei Steuern auf USA
Der Vertreter von Google, Jan Kottmann, hatte in dieser Runde viel zu tun, seine Positionen darzulegen. „Es ist nicht so, dass wir keine Steuern bezahlen. Wir zahlen sie mehrheitlich in den USA“, und zwar auf Basis der geltenden Rechtsgrundlage, die „nicht nur für digitale Unternehmen“ gelte. „Wenn sich da etwas ändern sollte, dann wird sich das ändern“, konstatierte er.
Was das Leistungsschutzrecht betreffe, müsse man auch Warnungen vor „Nebenwirkungen“ ernst nehmen. Er sehe Chancen vielmehr in „Subskriptionssystemen“, gemeinsam mit Verlegern. Im Übrigen trat Kottmann auch der Darstellung entgegen, Plattformen wie Google würden lediglich Werbegeld von nationalen Märkten abziehen. Google sorge für Traffic, und der generiere schließlich Umsätze.
Entscheidungen während Ratspräsidentschaft
Die Rolle der österreichischen EU-Ratspräsidentschaft brachte Keynote-Speaker und Springer-Chef Mathias Döpfner ins Treffen. Als „zukunftsentscheidend“ und „schicksalshaft“, damit europäische Verleger auch künftig Inhalte anbieten könnten, bezeichnete er zum einen die „anstehende Entscheidung über ein europäisches Verlegerrecht“. Es gehe um die zentrale Frage, ob „geistiges Gut geschütztes Gut ist“, derzeit sei das nicht der Fall. Das werde innerhalb der Ratspräsidentschaft entschieden.
„Kein freies Spiel mehr“
Strengere Regeln für die großen Player in einer veränderten globalen Medienwelt forderte auch Döpfner.
Zum anderen kritisierte er die vorliegenden E-Privacy-Pläne als „Treppenwitz der Geschichte“. Anstatt die Daten der User zu schützen, würden diese im Endeffekt „die amerikanischen Monopole noch stärker machen“. Es brauche jedenfalls Sonderregeln, auch hier setzt er Hoffnungen in die österreichische Ratspräsidentschaft.
Kernthemen der Konferenz
Am Freitag wird weiter über die drei Schwerpunkte Public Value, den öffentlich-rechtlichen Auftrag und Medienfinanzierung debattiert. Auch Demokratie und Digitalisierung und der Schwerpunkt „österreichische Identität“ stehen auf der Agenda. Zum Abschluss liefern Parteienvertreter ihre Perspektive für den Medienstandort Österreich.

ORF.at
Der ORF wirbt rund um die Medienenquete für sein Leistungsspektrum mit dem neuen Public-Value-Bericht
Dabei ist am Freitag auch erneut der ORF, vertreten durch Generaldirektor Alexander Wrabetz und u. a. die neuen Channelmanager. Diskutiert wird mit dem Privat-TV und den Vertretern der Printmedien, wer den öffentlich-rechtlichen Auftrag wie für sich interpretieren und reklamieren könne.
Die Diskussion soll nach der Enquete weitergeführt werden, so Blümels Wunsch. Letztlich wird es aber darum gehen, Lösungen für Fragen wie die ORF-Finanzierung und -Aufsichtsstruktur und Medienförderung auch in Gesetzestexte zu gießen. Der Minister hatte es im Vorfeld nicht ausgeschlossen, dass erste Entwürfe nach dem Sommer vorliegen könnten.
Journalistenföderation gegen „Einschnitte“
Anlässlich der Medienenquete wandte sich die Europäische Journalistenföderation (EFJ) in einem offenen Brief an Blümel und rief ihn zum Schutz des öffentlich-rechtlichen Rundfunks auf. Man befürchte „brutale Einschnitte“ und forderte eine Garantie für die Finanzierung. Zudem lehnte die Gewerkschaft Restriktionen im Onlinebereich ab, da diese Innovation bremsen würden. Blümel wurde zudem aufgefordert, „Einschüchterung“ gegen ORF- und andere Journalisten seitens der FPÖ zu stoppen. Diese seien „nicht akzeptabel“.
Kundgebung für unabhängigen ORF
Kritik an der Medienenquete wurde am Vorabend bei der Kundgebung der Initiative „Wir für den ORF“ laut, bei der Medienschaffende, Künstler und Intellektuelle das Wort ergriffen. Im Mittelpunkt stand die Sorge um die Unabhängigkeit des ORF. Die Regierung schaue im medienpolitischen Diskurs zu sehr auf den Markt und zu wenig auf die Demokratie.
„Es geht nicht nur um den Einfluss der Regierung auf den ORF“, sagte „Falter“-Herausgeber Armin Thurnher. „Es geht darum, dass das Prinzip des Öffentlich-Rechtlichen attackiert wird.“ Nur mediale Öffentlichkeit ermögliche Demokratie, und diese Öffentlichkeit könne „durch private Medien nicht hinlänglich garantiert werden“.
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