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Understatement beim Gastgeber

Der Staatsbesuch von Wladimir Putin am Dienstag in Österreich ist der erste des russischen Staatsoberhaupts in einem EU-Staat seit seiner Wiederwahl im März gewesen. Zugleich war es die erste Auslandsreise in den Westen seit der Affäre Skripal. Ein Besuch mit viel Symbolkraft - und im Zeichen betonter Harmonie.

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Denn obwohl im Vorfeld der Gespräche mit Bundespräsident Alexander Van der Bellen, Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) auf russischer Seite betont wurde, keine Scheu vor strittigen Themen zu haben, gerieten die Gäste ohnehin nicht in entsprechende Verlegenheit. Schon im Vorfeld konnte sich Putin und seine hochrangige Delegation mit vielen Ministern und Gouverneuren betonter Wiener Freundlichkeit gewiss sein.

Van der Bellen sieht keine Vertrauenskrise

Van der Bellen hob im gemeinsamen Pressestatement mit Putin etwa die Bedeutung Russlands für Europa hervor: Dialog sei „enorm wichtig“, Russland sei „eindeutig ein Teil Europas“ - einige regionale und internationale Probleme seien nur unter Einbeziehung Russlands zu lösen. Eine „grundsätzliche Vertrauenskrise mit Russland“ aufseiten Europas wollte Van der Bellen nicht sehen. „Glaubwürdigkeitsfragen treten in der Politik immer wieder auf“, so Van der Bellen.

Russlands Präsident Wladimir Putin und Bundespräsident Alexander Van der Bellen

Reuters/Leonhard Foeger

Van der Bellen: Zurückhaltung für den hohen Gast

„Putin der viel interessantere Gesprächspartner“

In der Frage der Sanktionen dann der Spagat: Österreich bemühe sich immer, zum Spannungsabbau beizutragen - gleichzeitig handle man im Einklang mit der EU, sagte Van der Bellen. Eingangs verwies Van der Bellen auf seine russischen Wurzeln und seine Familiengeschichte, in der Russland eine wichtige Rolle gespielt habe. Abgesehen davon war er hörbar bemüht, sich bei seinen Ausführungen möglichst kurz zu halten. Grund: Putin sei „der viel interessantere Gesprächspartner“ als er.

Kurz für „Miteinander“, gegen „Lose-Lose-Situation“

Schöne Worte fand auch Kanzler Kurz nach einem gemeinsamen Termin, wo es auch um die Beziehungen der EU und Russland gegangen sei. Er verwies auf die „Supermacht“ Russland, die eine entsprechende internationale Bedeutung habe. Die Sanktionen trage Österreich „selbstverständlich“ mit, er hoffe aber auf einen „schrittweisen Abbau“. Auf dem Kontinent komme man nur durch ein „Miteinander“ weiter. Man wolle eine „Win-Win-Situation“, keine „Lose-Lose-Situation“, so Kurz.

Russlands Präsident Wladimir Putin und Bundeskanzler Sebastian Kurz

Reuters/Leonhard Foeger

„Supermacht Russland“: Kurz mit Putin

„Alle“ an Aufhebung der Sanktionen interessiert

Schon beim gemeinsamen Pressestatement mit Van der Bellen nahm Putin die Gelegenheit gerne an: Die EU-Sanktionen seien „einseitig und für alle schädlich“. „Alle“ seien daran interessiert, die Sanktionen aufzuheben - „auch Russland“, so Putin. Auf eine entsprechende Frage erklärte Putin, dass Russland „kein Glaubwürdigkeitsproblem“ in Europa habe. Russland sei offen und bereit für gemeinsame Arbeit, die Diskussionen zum Wiederaufbau voller Beziehungen seien nicht nur im Interesse Russlands, sondern auch im Interesse der EU-Staaten.

ZIB-Außenpolitik-Chef Andreas Pfeifer zu Putins Besuch

Der Leiter der ZIB-Außenpolitik ordnet die betont freundschaftliche Atmosphäre beim Besuch des Präsidenten Russlands in Wien ein und berichtet über wirtschaftliche Kooperation.

Liefervertrag zwischen OMV und Gasprom verlängert

Ein grundlegender Faktor des Besuchs war die Wirtschaft: Putin lobte die österreichisch-russischen Beziehungen - insbesondere unter Verweis auf die Wirtschaftszusammenarbeit. Das Schlüsselland Österreich würde die Versorgung Europas mit russischem Erdgas gewähren. Putin machte sich für den Bau der Pipeline „Nord Stream 2“ stark, die den Gasexport an der Ukraine und Polen vorbei ermöglichen soll.

Doch hier gab es nicht nur schöne Worte, sondern auch Verträge mit trockenen Unterschriften: Von den Ministerin beiderseits unterzeichnet wurden einige Memoranden - etwa zu Forstwirtschaft und Gaslieferungen. Auch haben die teilstaatliche OMV und die russische Gasprom ihren bestehenden Gasliefervertrag, der bis 2028 laufen würde, bis 2040 verlängert.

Der russische Präsident Wladimir Putin und Bundespräsident Alexander Van der Bellen

Reuters/Leonhard Foeger

Putin und Van der Bellen beim gemeinsamen Pressestatement

Kranzniederlegung und KHM-Eröffnung

Wie auch bei vergangenen Besuchen legte Putin auf dem Schwarzenbergplatz einen Kranz nieder, um an die Rolle der Roten Armee bei der Befreiung von Wien im April 1945 zu erinnern. Begleitet wurde Putin von FPÖ-Außenministerin Karin Kneissl sowie der Staatssekretärin im Innenministerium, Karoline Edtstadler (ÖVP). Nach kurzem Innenhalten brach Putin zum nächsten Termin Richtung Wirtschaftskammer auf.

Abgeschlossen wurde der Tag mit der Eröffnung der neuen Kooperationsschau „Die Eremitage zu Gast“ im Wiener Kunsthistorischen Museum (KHM). „Ihre Anwesenheit am heutigen Abend ist eine Auszeichnung“, streute Van der Bellen Putin einmal mehr Rosen. Der Name der Ausstellung und damit des KHM als Gastgeber seien symbolträchtig, sehe sich doch auch Österreich traditionell als Gastgeber, was sich nicht zuletzt beim anstehenden EU-Vorsitz erweisen werde.

„Das ist ein einmaliges Experiment“, machte der russische Staatschef klar: „So etwas hat es meiner Auffassung nach noch nie gegeben. Das können nur zwei führende Museen der Welt machen“, lobte Putin das KHM. Die Schau wird von den beiden Energieriesen Gasprom und OMV aus Anlass ihrer fünf Jahrzehnte währenden Kooperation gesponsert.

Reichlich Verspätung

Im Vorfeld der Unterredungen Putins mit den heimischen Staatsspitzen musste sich das Empfangskomitee noch in Geduld üben und auf den Ehrengast warten: Die Begrüßung verspätete sich um mehr als eine halbe Stunde, Putin war verspätet gelandet. Die Verspätung in der Agenda wurde im Verlauf des Tages noch deutlich größer.

Wirtschaftliche Möglichkeiten ausgelotet

Im Gespräch Putins mit Van der Bellen wurden wirtschaftliche Möglichkeiten trotz EU-Sanktionen ausgelotet.

Russisches Bekenntnis zu „schwierigen Themen“

Für Harmonie sorgte dann rasch Putins Sprecher Dimitri Peskow - er bezeichnete Österreich als „wichtigen Partner“ Russlands, das betreffe „sowohl Investitionen als auch den politischen Dialog“. Gespräche zwischen den beiden Ländern verliefen in ruhiger Atmosphäre und seien von Vertrauen geprägt, so Peskow. „Das bedeutet aber nicht, dass Wien und Moskau schwierigen Themen ausweichen. Im Gegenteil, darüber wird auch gesprochen“, so Peskow im Vorfeld der Gespräche.

800 Soldaten, 800 Polizisten, 17 Militärluftfahrzeuge

Der Besuch fand unter höchsten Sicherheitsvorkehrungen statt: 800 Soldaten und 800 Polizisten sowie 17 Militärluftfahrzeuge beschützen das russische Staatsoberhaupt. Errichtet wurden Flugbeschränkungsgebiete über Teilen Wiens, Niederösterreichs und des Burgenlands. Im Laufe des Tages gab es in Wien drei Platzverbote. Auch gab es zwei kleine Demos - eine für, eine gegen Putin.

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