Kumulationsprinzip: Weitere Kritik an geplanter Abschaffung

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Die faktische Abschaffung des Kumulationsprinzips im Verwaltungsstrafrecht stößt auf weitere Kritik, etwa durch die Arbeiterkammer (AK), den Hauptverband der Sozialversicherungsträger und die Gewerkschaft Öffentlicher Dienst (GÖD).

Das Kumulationsprinzip besagt, dass bei Verwaltungsdelikten (im Gegensatz zum Strafrecht) jedes Vergehen einzeln bestraft werden kann. Damit werden beispielsweise Arbeitszeitverletzungen in Großkonzernen, die mehrere tausend Beschäftigte betreffen, härter bestraft als in kleinen Firmen mit einigen wenigen Beschäftigten. Ab 2020 soll es dagegen nur noch eine einzelne Strafe geben, wenn durch eine Tat dieselbe Vorschrift mehrmals verletzt wird.

In ihrer Begutachtungsstellungnahme wertet die AK die Regierungsvorlage als „schlagartigen gravierenden Systemeingriff in das Verwaltungsstrafrecht“, der das bisher geltende Strafbemessungssystem des Verwaltungsstrafrechts untergrabe, ohne eine adäquate Lösung der künftigen Handhabung der Strafbemessung zu bedenken und zu präsentieren.

AK: Schutzbestimmungen werden unbedeutend

„Das derzeit geltende Kumulationsprinzip gewährleistet, dass systematische, für die Rechtsverletzer oft hoch profitable Übertretungen wirksam verhindert werden, indem ein Anstieg der Strafen um den Multiplikationsfaktor der Zahl der betroffenen ArbeitnehmerInnen droht“, so die AK.

Schaffe man das ab, würden bestehende Schutzbestimmungen unbedeutend, weil die Strafhöhen dann zu niedrig seien, um eine spezial- und generalpräventive Wirkung erzielen zu können.

Ähnlich sieht das der Hauptverband. Zu befürchten ist aus dessen Sicht, dass Missbrauchsfälle im Arbeits- und Sozialrecht als weniger gravierend als bisher und damit als Kavaliersdelikte anzusehen wären. Die GÖD fordert, zumindest alle Verwaltungsübertretungen, die in Zusammenhang mit Arbeitszeit und Arbeitssicherheit stehen, von einem Kumulierungsverbot auszunehmen.

Lob der Wirtschaftskammer

Die Wirtschaftskammer hingegen lobte ebenso wie die Industriellenvereinigung das Vorhaben als wichtigen Schritt, um künftig überbordende Verwaltungsstrafen zu vermeiden. „Die Möglichkeit, in Zukunft eine Gesamtstrafe anstelle einer Summe von Einzelstrafen zu verhängen, wird ausdrücklich begrüßt, da es künftig zu einer spürbaren Erleichterung für Unternehmen kommen wird“, heißt es in der Stellungnahme. In einer Aussendung ergänzte die Kammer, dass hier unbegründete Ängste geschürt würden. Lohndumping werde auch künftig konsequent sanktioniert.

Nicht weit genug geht der WKÖ die künftige Beweislastumkehr zulasten der Behörden bei Strafdrohungen über 50.000 Euro. Sie will die Anwendung der Unschuldsvermutung bereits bei geringfügigeren Strafen und damit auch im Bereich des Arbeits- und Sozialrechts.

Ganz anders sieht es das Innenministerium. Es regt an, „nochmals zu prüfen, ob eine derartige Differenzierung (aus der sich eine Erleichterung für höher sanktionierte Verwaltungsübertretungen ergibt) sachlich gerechtfertigt ist“.