„Keinerlei Zweifel an der Demokratie“
Anlässlich seines Österreich-Besuchs hält sich der russische Präsident Wladimir Putin am Dienstag in Wien auf. Im Vorfeld wehrte sich der Staatschef im ORF-Interview gegen den Vorwurf, ein autoritäres System in Russland errichtet zu haben.
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„Nein, das stimmt natürlich nicht und entspricht nicht der Wahrheit, weil wir einen demokratischen Staat haben und uns innerhalb des Verfassungsrahmens befinden“, sagte Putin und verwies auf die Verfassung Russlands, die nicht mehr als zwei Amtsperioden des Präsidenten zulässt. Außerdem sei die Wahlbeteiligung bei der letzten Wahl bei fast 70 Prozent gelegen, und „ernsthafte Einwände“ habe es „so gut wie keine“ gegeben. „Daher gibt es keinerlei Zweifel an der Demokratie in Russland“, so Putin.
Putin in Wien
Es ist der sechste Besuch von Russlands Präsident Wladimir Putin in Wien. Bereits nach seiner Wahl zum Präsidenten 2001 führte sein erster offizieller Staatsbesuch nach Österreich. Zuletzt war der russische Staatschef 2014 in Wien.
Auf die Frage, warum er den Namen seines schärfsten Kontrahenten Alexej Nawalny bei den diesjährigen Präsidentschaftswahlen noch nie genannt habe, antwortete Putin: „Wenn jemand ein gewisses Gewicht beim Wähler erreicht, dann wird er zu jemandem, mit dem auch die Regierung sprechen und verhandeln muss. Aber wenn die eine oder andere politische Kraft nur einige wenige Prozentpunkte erreicht oder gar nur einige Hundertstelprozentpunkte, was soll das dann überhaupt? Was sollen wir mit solchen Clowns?“ Den Namen Nawalnys, der wegen einer bedingten Verurteilung bei der Wahl nicht kandidierten durfte, erwähnte er auch dieses Mal nicht.
„Pragmatische“ Kooperation mit Parteien
Überhaupt sieht sich Putin, der bereits zum sechsten Mal in Österreich ist, oftmals missverstanden. Entgegen vielen Behauptungen unterstütze Moskau nationalistische Kräfte in Europa nicht, um die EU von innen zu schwächen. „Wir verfolgen nicht das Ziel, etwas oder jemanden in der EU zu spalten“, sagte Putin. Man sei stattdessen daran interessiert, dass die EU als wichtigster Handels- und Wirtschaftspartner „geeint ist und floriert“.
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Allerdings sei die Entscheidung, mit wem konkret man kooperiere, eine „pragmatische“. „Wir versuchen, mit jenen zu kooperieren, die selbst öffentlich den Wunsch äußern, mit uns zusammenzuarbeiten.“ In diesem Sinne lobte Putin auch die bilateralen Beziehungen zu Österreich. Trotz all der Schwierigkeiten sei der Dialog in den letzten Jahren „nicht abgerissen“. Sein Besuch in Wien am Dienstag sei aber keine Belohnung für die wohlwollende Haltung der österreichischen Regierung. „Ich denke, ein so geachtetes europäisches Land wie Österreich braucht keine Belohnung von irgendeiner Seite.“
„Regelmäßiger“ Kontakt mit Trump
Putin äußerte sich auch zu der Frage, warum es noch immer zu keinem Treffen zwischen ihm und US-Präsident Donald Trump gekommen ist. Die Verantwortung dafür sieht er auf US-amerikanischer Seite. „Meiner Ansicht nach ist das die Folge des heftigen innenpolitischen Kampfes in den USA.“ Aber man telefoniere „regelmäßig“ und sei sich darüber einig, dass man einen „Rüstungswettlauf“ verhindern müsse. Experten müssten beginnen, in „der Sache“ zu arbeiten. „Ich hoffe, dass diese Arbeit tatsächlich beginnt – auch zwischen uns Präsidenten persönlich.“
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Besorgt zeigte sich Putin in Bezug auf die Möglichkeit eines atomaren Konflikts zwischen den USA und Nordkorea. Wegen der geografischen Nähe werde Russland „alles für eine Entspannung auf der koreanischen Halbinsel tun“. Die Aufgabe der Atomwaffen durch Nordkorea dürfe aber keine „Einbahnstraße“ sein. Die „Fortsetzung von militärischen Aktivitäten und Manövern“ der Gegenseite halte er für „kontraproduktiv“.
Krim wird nicht zurückgegeben
Putin dementierte neuerlich die Verstrickung Russlands in den Abschuss des Passagierflugzeugs MH17 im Juli 2014 über der Ostukraine, nachdem ein internationales Ermittlungsteam im Mai Russland die Schuld zugewiesen hat. Beide Seiten des Konflikts „verwenden Waffen, die in der Sowjetunion oder in Russland erzeugt wurden“, beharrte Putin auf seiner Version. Außerdem würden in den Ermittlungen keine russischen Experten zugelassen. „Unsere Argumente werden nicht berücksichtigt.“

ORF/Daniel Hack
Russlands Präsident im Gespräch mit ORF-Nachrichtenmoderator Armin Wolf
Weiters verteidigte der russische Präsident die Rolle seines Landes im Ukraine-Konflikt. In der Ukraine habe es einen „verfassungswidrigen, bewaffneten Staatsstreich und Machtergreifung“ gegeben. Das „rechtmäßig“ auf der Krim stationierte Militärkontingent habe lediglich „unabhängige und freie Wahlen“ auf der Halbinsel zugelassen. Auf die Frage, was passieren müsste, damit Russland die Krim zurückgibt, nimmt sich der Präsident kein Blatt vor den Mund: „Diese Bedingungen gibt es nicht, und es kann sie auch nicht geben.“
„Trollfabrikant“ ist nur Restaurantbesitzer
Ausführlich wurde auch die St. Petersburger „Trollfabrik“ besprochen, die mit Fake-Profilen versucht, die öffentliche Debatte im Westen zu beeinflussen. Damit soll die „Internet Research Agency“ des Oligarchen Jewgeni Prigoschin, der von russischen Medien als „Putins Koch“ bezeichnet wird, weltweit Wahlen beeinflussen. Putin nannte diesen Vorwurf „lächerlich“.
„Wie tief wären dann die Medien und die Politik im Westen gesunken, wenn ein Restaurantbesitzer aus Russland Wahlen in Europa oder den USA beeinflussen kann?“ Die Aktivitäten von Prigoschin seien seine „Privatsache“, der russische Staat habe nichts damit zu tun. Er zog einen Vergleich zum ungarischstämmigen US-Milliardärs George Soros, „der sich auf der ganzen Welt in alle möglichen Angelegenheiten einmischt“.
Im Gespräch räumte Putin aber auch gewisse wirtschaftliche Schwierigkeiten in Russland seit 2012 ein. Das habe aber weniger mit mit den Sanktionen und den damit verbundenen Einschränkungen zu tun, so der Präsident. „Sondern damit, dass sich der Preis unseres traditionellen Exportguts Erdöl halbiert hat. Das hat sich auf die Budgeteinnahmen ausgewirkt und letzten Endes auch auf die Einnahmen der Bürger.“ Man befinde sich aber auf dem Weg der Besserung. Außerdem dürfe man nicht vergessen, dass sich seit 2000 die Armut halbiert habe.
Bedingungen für das Gespräch
Die Gelegenheit, einen der mächtigsten Politiker der Erde ausführlich zu interviewen, bietet sich selbst großen, internationalen Netzwerken nur selten. Umso bemerkenswerter ist, dass der Kreml einer entsprechenden Interviewanfrage des ORF nachgekommen ist. Einzige Bedingung vonseiten der russischen Staatsspitze: Das Interview sollte im ORF-Fernsehen eine gewisse Mindestlänge haben und von einem ORF-„Anchor“ geführt werden.
Die Fragen wurden vorher nicht abgesprochen, lediglich über die allgemeinen Themenfelder des Interviews wusste die Pressestelle des Präsidenten im Voraus Bescheid. Das Gespräch selbst wurde schließlich von Dolmetschern des Kremls simultan übersetzt.
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